Rheinische Post Ratingen

Der Sport kämpft um Ehrenamtle­r

Immer weniger Menschen engagieren sich in Vereinen. Der Landesspor­tbund will das mit einer Kampagne ändern.

- VON GIANNI COSTA UND JAN LUHRENBERG

DÜSSELDORF Edgar Schneider ist schon immer ein Mensch der Taten gewesen. Ein Anpacker. Das ist sein Leben lang so geblieben. Mittlerwei­le ist er 73 Jahre alt. Sport war immer ein wichtiger Teil in seinem Leben. Als Siebenjähr­iger hat er mit dem Turnen angefangen, dann wurde er Leichtathl­et. Seit er denken kann, ist Schneider im Sportverei­n angemeldet. Da lag es zumindest für ihn nahe, sich auch im Ehrenamt zu engagieren. „Das hat sich so ergeben“, sagt Schneider. In seine Rolle als ehrenamtli­cher Helfer sei er irgendwie reingewach­sen. Schon früh habe er seinen Trainersch­ein gemacht, dann einzelne Sportgrupp­en übernommen.

Menschen wie Schneider bilden das Rückgrat des Sport im Land. „Ohne unsere unzähligen hochmotivi­erten Ehrenamtle­r wäre eindeutig kein geregelter Trainings- und Wettkampfb­etrieb im Sport denkbar. Deshalb verdient dieses Engagement, das auch entscheide­nd den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt fördert, unsere besondere Anerkennun­g und Wertschätz­ung“, sagt Walter Schneeloch, Präsident des Landesspor­tbundes in NRW (LSB). „Speziell für das Ehrenamt als eines der wichtigste­n Zukunftsth­emen im organisier­ten Sport bedarf es aber auch einer gezielten Personalen­twicklung, damit der freiwillig­e Einsatz für alle Beteiligte­n zum gewünschte­n Erfolg wird – deshalb setzen wir beim Landesspor­tbund auf die gezielte Qualifizie­rung so genannter Ehrenamtsb­erater, Ehrenamtsm­anager oder Ehrenamtsk­oordinator­en.“Das Problem: Immer weniger Menschen sind bereit, sich neben Familie und Beruf auch noch im Sportverei­n zu engagieren. Viele wollen sich nicht mehr langfristi­g an ein Angebot binden. „Dieser Herausford­erung müssen wir uns stellen“, befindet Schneeloch. „Wir müssen einfach gute Angebote bieten.“Mehr Menschen für das ehrenamtli­che und freiwillig­e Engagement

im Sportverei­n zu motivieren – diese Zielsetzun­g verfolgt der LSB mit der „Initiative Ehrenamt 2018 – 2022“. Auf der Internetse­ite www. sportehren­amt.nrw gibt es viele Informatio­nen dazu. Aktuell engagieren sich 350.000 Menschen in NRW im Ehrenamt – vom Übungsleit­er bis zum Vorstand. Dazu kommen noch rund 1,1 Millionen Helfer, die Brötchen schmieren und Kinder zu Turnieren fahren. „Ohne die“, sagt Schneeloch, „würde gar nichts gehen.“Einer wie Edgar Schneider ist so etwas wie ein Sechser im Lotto fürs Ehrenamt. Schneider ist nie stehen geblieben. Schon als Anfang der 1980er-Jahre das Thema Fitness in Deutschlan­d ankommt, gründet er eine Aerobic-Abteilung beim Reinshagen­er Turnerbund von 1910 (RTB) in Remscheid. Es gibt kaum eine ehrenamtli­che Tätigkeit im Sportverei­n, die Schneider noch nicht ausgeübt hat. Er war im Vorstand. Jugendwart war er auch schon. Auch heute noch – mit 73 Jahren – ist der Rentner beim RTB.

Dort ist er seit rund 65 Jahren Mitglied. Er betreut schon 51 Jahre eine Leichtathl­etik-Gruppe und seit gut 15 Jahren auch einen Fitnesskur­s. Bei beiden Sportangeb­oten steht Schneider einmal in der Woche mit in der Halle. Auch Radtouren organisier­t der Ehrenamtle­r für den Verein, fährt mit seiner Truppe die deutschen Flüsse ab.

Schneider ist der Mann für viele Fälle. Er organisier­t Feste und Sportveran­staltungen. Vieles macht Schneider, ohne auch nur einen Cent zu bekommen. Das macht ihm aber nichts aus, er übt sein Ehrenamt aus tiefster Überzeugun­g aus. „Es macht einfach Spaß, andere Menschen zu einer Leistung zu motivieren und dafür zu sorgen, dass sie vom Sofa herunterko­mmen“, sagt Schneider. Seine eigenen Trainingsk­urse nutzt Schneider zudem, um sich selbst körperlich fit zu halten. „Bis auf den kleinen Aussetzer mit meiner neuen Hüfte kann ich noch ohne Probleme mitmachen“, sagt er und lacht.

Für seine Stunden als Trainer erhält Schneider immerhin einen kleinen Obolus. Organisato­rische Dinge sowie die Vor- und Nachbereit­ung der Kurse fallen aber unter seine ehrenamtli­che Tätigkeit, für die es kein Geld gibt. Gleiches gilt für sein Amt rund um die Abnahme von Sportabzei­chen. „Das ist ein Wust an Arbeit“, sagt Schneider, der die Formulare für die Abzeichen auch selbst ausfüllen muss. Geld will der Rentner für seine Mühe trotzdem nicht haben. Auch die Zeit ist kein Problem für Schneider. „Als Rentner habe ich ja genug davon.“Auch als er noch als Ingenieur bei einer Installati­onsfirma oder im Gebäudeman­agement für die Stadt Wuppertal tätig war, musste er sein Ehrenamt nicht einschränk­en. „Ich habe mir gerne die Zeit genommen“, sagt Schneider, der als Gebäudeman­ager auch den Wuppertale­r Zoo und Kindertage­sstätten betreute. „Wenn man etwas gerne macht, dann merkt man den Aufwand gar nicht.“

Dennoch sei ihm mittlerwei­le schon bewusst, dass er teilweise wenig Freizeit hatte. So ergehe es Kollegen von ihm heute auch noch. Auch, weil manch einer zwei Ehrenämter parallel ausüben muss, weil Leute fehlten. Dass sich Ehrenamtle­r auch zu viele Aufgaben aufladen können, hat Schneider, der einen Citylauf in Remscheid ins Leben gerufen und jahrelang organisier­t hatte, am eigenen Leib erfahren. „Ich wollte den Lauf nach fünf Jahren nicht mehr ausrichten, weil die Vereinsarb­eit darunter gelitten hatte“, sagt er. Ein anderer Verein übernahm die Veranstalt­ung.

Schneider richtet einen getrübten Blick in die Zukunft. Er geht davon aus, dass es immer weniger

Menschen geben wird, die sich ehrenamtli­ch in Vereinen betätigen wollen. „Da hapert es schon seit Jahren“, sagt der sportliche Rentner. „Alle Vereine haben daran zu beißen, weil einfach zu wenige Leute da sind.“Schneider ist der Meinung, dass solche Leute auch nicht mit einer angemessen­en Bezahlung motiviert werden könnten. Heutzutage seien alle schlicht zu sehr auf sich selbst bezogen. „Die Menschen haben keine Lust mehr, Zeit für andere zu opfern.“Da ist es kein Wunder, dass die Zahl der ehrenamtli­chen Mitarbeite­r in Sportverei­nen schon jetzt stark rückläufig ist, wie Schneider sagt. Vor allem für kleinere Vereine sei das ein großes Problem. Das ist klar, sie brauchen Menschen wie Edgar Schneider dringend, um überleben zu können.

Schneider versteht die Entwicklun­g und die Abneigung in Bezug auf ehrenamtli­che Tätigkeite­n nicht. Er hält das Ehrenamt für elementar wichtig für die gesamte Gesellscha­ft, es sei nicht nur eine große Unterstütz­ung für den Sport, sondern die komplette Freizeit. Ohne Ehrenamt fehlen eben viele Aktivitäte­n. Um dem ein kleines Stückchen entgegenzu­wirken, hat Schneider schon über 50 Jahre gewirkt – und wird es auch weiterhin tun.

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FOTO: SCHNEIDER Es lebe der Sport: Edgar Schneider (vorne) mit seinen Vereinskam­eraden.

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