Bund und Länder ringen auch in der Krise um Kompetenzen
Beim Infektionsschutz will das Gesundheitsministerium seine Kompetenzen stark ausweiten – zulasten der Bundesländer.
BERLIN Fluch oder Segen – das System der föderalen Bundesrepublik erweist sich in Krisenzeiten als schwerfällig. Andererseits erlaubt es den Regionen aber auch maßgeschneiderte Lösungen. Die Regierungschefs von Bund und Ländern zwingt es jedoch immer wieder an den Verhandlungstisch. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder einigten sich am Sonntag per Telefon-Schaltkonferenz auf ein bundesweites Kontaktverbot für mehr als zwei Personen im öffentlichen Raum, befristet vorerst auf mindestens zwei Wochen. Damit gibt es vorerst keine Ausgangssperre.
Die Befürworter einer Ausgangssperre waren schon vor Beginn der Schaltkonferenz in der Minderheit. Zudem hatte sich die Bevölkerung nach Auskunft der Sicherheitsbehörden am Samstag weitgehend an den Appell gehalten, nicht mehr in größeren Menschengruppen unterwegs zu sein und Ausgänge ohne triftige Gründe zu vermeiden.
In zahlreichen Bundesländern galten seit Samstag unterschiedliche
Regelungen. Auch Nordrhein-Westfalen hatte noch unmittelbar vor dem Bund-Länder-Beschluss angekündigt, es dürften sich nicht mehr als drei Personen treffen.
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer begrüßte die Beschlüsse. „Jetzt kommt es zuallererst darauf an, die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Die nun vereinbarten gemeinsamen Kontaktbeschränkungen erscheinen notwendig, um das zu gewährleisten“, sagte er unserer Redaktion. „Sichergestellt bleiben müssen die Grundversorgung und Infrastrukturen.
Hierbei kommt gerade auch Handwerksunternehmen aus den unterschiedlichsten Gewerken des Gesundheits- und Lebensmittelbereiches, aus dem Bereich Hygiene wie auch der handwerklichen Notdienste eine ganz entscheidende Rolle zu.“
Hinzu kam am Wochenende ein Streit zwischen Bund und Ländern über Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Kompetenzen des Bundes beim Infektionsschutz zu erweitern. Der Konflikt konnte noch nicht aufgelöst werden. Spahn will im Fall einer Pandemie
wie jetzt ermächtigt werden, ohne Zustimmung des Bundesrates etwa Vorschriften für den grenzüberschreitenden Reiseverkehr zu erlassen.
Außerdem will er Maßnahmen anordnen können, damit die Grundversorgung mit Arzneimitteln sichergestellt werden kann. Das kann etwa die Bevorratung bestimmter Medikamente betreffen. Auch soll er anordnen können, dass medizinisches Fachpersonal anderswohin abgeordnet wird, wenn es in Krankenhäusern zu Engpässen kommt. Es gehe um eine Kompetenz-Bündelung,
damit man binnen Stunden Ärzte, Pflegekräfte, Apotheker und andere Kräfte bestmöglich einsetzen könne. Spahn fordert zudem, technische Mittel einsetzen zu können, um Kontaktpersonen von Erkrankten zu ermitteln. Das dürfte Datenschützer irritieren.
Etliche Länder und auch der Landkreistag protestierten gegen die Pläne. „Eine Änderung von Zuständigkeiten würde in der Krisensituation eher verunsichern, weil sich neue Abläufe erst einspielen müssen“, sagte etwa der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager.