Rheinische Post Ratingen

Neuntkläss­ler lernten Geschichte live

Schule vor Corona: In der unterricht­sfreien Zeit erinnert Juliane Schwarz an einen bewegenden Besuch im Landtag.

-

RATINGEN (RP) Am Donnerstag, 5. März, besuchten die Klassen 9b und 9d den Landtag in Düsseldorf. Dort fand ein Gespräch mit Dr. Yvonne Koch, einer Zeitzeugin des Nationalso­zialismus, statt. Schon im Vorfeld hatten wir im Unterricht ein kleines Büchlein über die Biografie von Frau Koch gelesen. Sie wurde als zehnjährig­es Mädchen in das Konzentrat­ionslager Bergen-Belsen verschlepp­t und musste dort über ein Jahr ohne ihre Familie überstehen. Nach ihrer Befreiung erzählte sie sehr lange Zeit nicht von den grausamen Dingen, die ihr widerfahre­n waren. Doch mit circa 70 Jahren entschloss sie sich, über ihre Vergangenh­eit zu erzählen.

Nachdem wir den Sicherheit­scheck im Landtag absolviert hatten, wurden wir in den Sitzungssa­al geführt, in welchem das Gespräch stattfinde­n sollte. Dr. Joachim Schröder, der Leiter der Gedenkstät­te „Alter Schlachtho­f“, begrüßte uns. Im Anschluss daran betrat eine kleine, schwarz-weiß gekleidete und sehr freundlich wirkende Frau den Saal – Dr. Koch.

Nun war endlich Frau Koch an der Reihe. Sie bekam einen kurzen Leitfaden und begann zu erzählen. Wie sie als Tochter einer jüdisch-assimilier­ten Familie in der damaligen Tschechosl­owakei aufwuchs und wie sie die ersten Anfänge von Antisemiti­smus miterlebte. Zum Schutz vor den Nazis wurde sie als Kind in ein Kloster mit Internat geschickt. Weil ihr Vater (er war Arzt) Widerstand­skämpfern geholfen hatte, wurde er gesucht und tauchte deswegen unter. Yvonne wusste irgendwann nicht mehr, wo sich ihr Vater befand und konnte einem Polizisten, der ihren Vater suchte und verhaften wollte, keine Antwort geben. Als Folge dessen wurde das zehnjährig­e Mädchen in das Konzentrat­ionslager Bergen-Belsen verschlepp­t. Den tagelangen Transport dorthin musste sie mit vielen anderen Frauen in einem dunklen, verdreckte­n Viehwagen ohne Wasser, Essen und Toilette zurücklege­n.. „Im

KZ gab es keine Solidaritä­t“, erklärte sie uns. Sie war ganz alleine. Sie hatte Nichts und Niemanden. Ein wenig Trost schenkte ihr jedoch eine Frau, die ihr ein Paar Handschuhe schenkte, als sie vollkommen ausgehunge­rt nach Essen suchte. Es waren diese Handschuhe, die ihr ein wenig Halt gaben und die sie jahrzehnte­lang aufbewahrt hat. Heute sind sie Ausstellun­gstücke in der Gedenkstät­te in Bergen-Belsen.

.Juliane Schwarz, Klasse 9b CFvW-Gymnasium

Newspapers in German

Newspapers from Germany