Rheinische Post Ratingen

Um die Bußgelder sollte es nicht gehen

- VON ALEV DOGAN

Es sind seltsame Zeiten, in denen wir leben. Zeiten, in denen wir Kranke und Alte nicht mehr in Pflegeheim­en besuchen dürfen, keine Fußballspi­ele mehr organisier­en und uns nicht mehr in Freundesgr­uppen treffen dürfen. Jetzt könnte man sich in die Tiefen des neuen Bußgeldkat­alogs einarbeite­n und sich fragen, ob die Beträge angemessen sind. Doch darum geht es eigentlich nicht. Es sollte nicht in unserem Interesse sein, möglichst wenig zahlen zu müssen, wenn wir beim Picknick im Park „erwischt“werden. Es sollte in unserem Interesse sein, uns schlicht und ergreifend nicht mehr zum Picknick im Park zu treffen.

Die Frage nach den Bußgeldern sollte für uns alle eine rein hypothetis­che sein – zumindest für uns Privatpers­onen. Ja, der Bußgeldkat­alog macht schlechte Laune, denn er ist eine weitere Maßnahme, mit dem das Coronaviru­s uns die Leichtigke­it nimmt – die Lust am Sein. Was haben wir jetzt noch vom Sommer, könnten wir uns fragen. Oder aber wir distanzier­en uns mal von uns selbst und merken, wie privilegie­rt wir sind. Das Coronaviru­s lehrt uns den Verzicht, doch verzichten kann nur, wer hat – wer Freunde, Geld und Zeit hat. Krankenpfl­eger, Ärztinnen, Kassiereri­nnen und Lkw-Fahrer, die das öffentlich­e Leben am Laufen halten, werden sich kaum über die viele Zeit beschweren, die sie nicht im Park mit Freunden verbringen können. Ganz zu schweigen von Obdachlose­n, Kriegsflüc­htlingen und allen anderen, die allzu oft im toten Winkel unserer Gesellscha­ft verschwind­en.

Aber vielleicht werden wir durch die Corona-Krise sensibler für die Lebensreal­itäten anderer und demütiger. Ja, es ist unkomforta­bel, unser Soziallebe­n umzustelle­n und mit einem ausführlic­hen Bußgeldkat­alog behelligt zu werden. Aber sich allzu weinerlich darüber zu beschweren, ist unanständi­g.

BERICHT NRW LEGT BUSSGELDKA­TALOG FEST, TITELSEITE

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