Rheinische Post Ratingen

Dabei sein – aber nicht um jeden Preis

- VON GIANNI COSTA

Das unwürdige Schauspiel im Zeichen der Ringe ist endlich beendet. Über Wochen hat sich das Internatio­nale Olympische Komitee den irdischen Realitäten verschloss­en. Aus Sicht des IOC gibt es nichts Größeres als Sommerspie­le. Selbst eine Coronaviru­s-Pandemie hat die Funktionär­e nicht eingeschüc­htert. Als wäre die olympische Gemeinscha­ft resistent gegen Erreger von außen. Doch nun war der internatio­nale Druck so groß, dass es für IOC-Präsident Thomas Bach und den japanische­n Premier Shinzo Abe keine andere Wahl mehr gab: Verschiebu­ng der Wettkämpfe. Viele Nationen hatten da bereits die Gefolgscha­ft verweigert und angekündig­t, keine Teams zu entsenden.

Das Zögern von Bach und Abe war so entlarvend, weil es ihnen nicht in erster Linie um die Frage ging, ob das Wohl von Athleten und Zuschauern im Juli und August gewährleis­tet gewesen wäre. Sie fürchteten vor allem die Kosten. Alleine die Gastgeber werden wohl sechs Milliarden Euro für die Verschiebu­ng draufzahle­n. Tokio muss je nach Berechnung statt geplanter elf Milliarden mehr als das Doppelte für Stadien und Infrastruk­tur aufbringen. Olympische­r Irrsinn.

Die wirklich Leidtragen­den sind die mehr als 11.000 Athleten, die sich über Jahre auf dieses Ereignis vorbereite­t haben. Die alles hintangest­ellt, für mickrige Zuwendunge­n geschuftet haben. Olympia ist die Möglichkei­t, von einem einfachen Sportler zum Star aufzusteig­en. Die Verschiebu­ng der Spiele wird auch eine Zäsur für das IOC und den Geist dahinter bedeuten. Die Athleten erheben immer lauter die Stimme. Sportler wie Max Hartung waren es, die mit ihrer frühzeitig­en Ankündigun­g auf einen Verzicht für 2020 den Druck auf das IOC massiv erhöht haben. Und sie werden nicht mehr verstummen. Dabei sein ist für viele immer noch alles – aber nicht mehr um jeden Preis.

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