Gefangene können auch hinter Gittern in Quarantäne
DÜSSELDORF Die gegenwärtige Corona-Pandemie macht auch vor Gefängnismauern nicht Halt. „Für alle Mitarbeiter und Gefangenen gilt, dass grundsätzlich ein Abstand von zwei Metern, häufiges Händewaschen und die Nies- und Hustenetikette einzuhalten sind“, erklärt ein Sprecher des NRW-Justizministeriums. Besuche und vollzugsöffnende Maßnahmen bei Gefangenen und Untergebrachten seien ausgesetzt. „Darüberhinaus soll der
Kontakt der Justizvollzugsanstalten mit externen Personen auf ein notwendiges Minimum reduziert werden.“
Bislang hat es in den 36 Justizvollzugsanstalten des Landes noch keinen bestätigten Coronafall gegeben. „Aber wir haben ein bis zwei Verdachtsfälle“, sagt Ulrich Biermann, NRW-Vorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD). Wie in der übrigen Gesellschaft auch dürfte es in den Gefängnissen nur eine Frage der Zeit sein, bis der erste Inhaftierte positiv auf das Virus getestet wird. „Sobald eine Infektion mit SARS-CoV-2 bei den Gefangenen auftritt, können sie in den Justizvollzugsanstalten in Quarantäne genommen werden“, sagt der Ministeriumssprecher. Die Gefängnisse trennen dafür Bereiche ab und richten diese entsprechend her.
Die Betreuung der Kranken erfolgt laut Justizministerium nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und in Abstimmung mit den Gesundheitsämtern. Bei schweren Verläufen erfolgt die Verlegung in das Justizvollzugskrankenhaus NRW in Fröndenberg, wo zwei Abteilungen zur Aufnahme von an Covid-19 Erkrankten bereitstehen. Dort ist auch Intensivmedizin möglich.
Katja Grafweg leitet die Justizvollzugsanstalt in Remscheid, wo es einen geschlossenen und einen offenen Vollzug gibt. „Im offenen Vollzug gibt es gemeinschaftliche Toiletten und sanitäre Einrichtungen. Wir haben wegen Corona eigens einen Posten abgestellt, der dort besonders auf die hygienischen Zustände achtet und sauber macht“, sagt sie. Außerdem stünde ausreichend Seife zum Waschen zur Verfügung. Damit die Insassen nicht völlig ohne Kontakt zur Außenwelt sind, werden zehn Skype-Plätze eingerichtet. „So können die Insassen mit Verwandten sprechen und sie auch sehen“, sagt Grafweg.
Die JVA-Leiterin sagt, dass ihre Bediensteten während der Arbeit keine Schutzkleidung tragen – und auch keine speziellen Schutzmasken. Und auch die Inhaftierten würden keinerlei schützende Kleidungsgegenstände haben. Sollte ein Mitarbeiter Erkältungssymptome aufweisen, müsse er vorläufig zu Hause bleiben. „Ein Strafgefangener wird in dem Fall vom Arzt untersucht. Sollte er erkältet sein, erhält er unter anderem eine Gesichtsmaske“, erklärt Grafweg. Noch habe sie in ihrer JVA Vorräte an Schutzkleidung. Aber diese würden im Ernstfall nicht ausreichen, wenn die Anstalt unter Quarantäne gestellt werden müsste.
Der NRW-Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbeamten sagt, in den JVAs gingen langsam die Bestände an Schutzkleidung zur Neige. „In Teilen sind Schutzmasken und Schutzkleidung für das Personal aufgebraucht“, sagt er. Das NRW-Justizministerium betont, noch seien Bestände vorhanden, diese müssten jedoch aufgestockt werden. „Alle Anstalten wurden gebeten, den Bestand an Schutzkleidung deutlich zu erhöhen“, sagt der Sprecher. Bis dahin seien die Bediensteten gebeten worden, ressourcenschonend zu arbeiten und Schutzkleidung nur dann einzusetzen, wenn es nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts sinnvoll sei, so der Sprecher.
Die Situation in den Anstalten ist den Umständen entsprechend noch relativ entspannt, sagt Biermann – sowohl bei den JVA-Mitarbeitern als auch bei den Insassen. Aufstände wie in italienischen Gefängnissen befürchtet er nicht; die Strukturen
in Deutschland seien andere. „Aber die Stimmung ist natürlich nicht gut – so wie in der gesamten Gesellschaft“, so Biermann. Allerdings ärgert er sich über das Verhalten, das JVA-Mitarbeitern aus dem Kreis Heinsberg entgegengebracht wird. „Wenn sie zum Beispiel Vorfahrten bei Gericht machen und dann dort auf die Toilette wollen, wird ihnen gesagt, dass sie das draußen im Gebüsch machen sollen. Das ist eine Sauerei und hat mit Solidarität in dieser Krise nichts zu tun.“
Besuche hinter Gittern sind nicht mehr erlaubt, dafür können die Inhaftierten mit ihren Familien skypen