Rheinische Post Ratingen

Gefangene können auch hinter Gittern in Quarantäne

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Die gegenwärti­ge Corona-Pandemie macht auch vor Gefängnism­auern nicht Halt. „Für alle Mitarbeite­r und Gefangenen gilt, dass grundsätzl­ich ein Abstand von zwei Metern, häufiges Händewasch­en und die Nies- und Hustenetik­ette einzuhalte­n sind“, erklärt ein Sprecher des NRW-Justizmini­steriums. Besuche und vollzugsöf­fnende Maßnahmen bei Gefangenen und Untergebra­chten seien ausgesetzt. „Darüberhin­aus soll der

Kontakt der Justizvoll­zugsanstal­ten mit externen Personen auf ein notwendige­s Minimum reduziert werden.“

Bislang hat es in den 36 Justizvoll­zugsanstal­ten des Landes noch keinen bestätigte­n Coronafall gegeben. „Aber wir haben ein bis zwei Verdachtsf­älle“, sagt Ulrich Biermann, NRW-Vorsitzend­er des Bundes der Strafvollz­ugsbediens­teten (BSBD). Wie in der übrigen Gesellscha­ft auch dürfte es in den Gefängniss­en nur eine Frage der Zeit sein, bis der erste Inhaftiert­e positiv auf das Virus getestet wird. „Sobald eine Infektion mit SARS-CoV-2 bei den Gefangenen auftritt, können sie in den Justizvoll­zugsanstal­ten in Quarantäne genommen werden“, sagt der Ministeriu­mssprecher. Die Gefängniss­e trennen dafür Bereiche ab und richten diese entspreche­nd her.

Die Betreuung der Kranken erfolgt laut Justizmini­sterium nach den Empfehlung­en des Robert-Koch-Instituts und in Abstimmung mit den Gesundheit­sämtern. Bei schweren Verläufen erfolgt die Verlegung in das Justizvoll­zugskranke­nhaus NRW in Fröndenber­g, wo zwei Abteilunge­n zur Aufnahme von an Covid-19 Erkrankten bereitsteh­en. Dort ist auch Intensivme­dizin möglich.

Katja Grafweg leitet die Justizvoll­zugsanstal­t in Remscheid, wo es einen geschlosse­nen und einen offenen Vollzug gibt. „Im offenen Vollzug gibt es gemeinscha­ftliche Toiletten und sanitäre Einrichtun­gen. Wir haben wegen Corona eigens einen Posten abgestellt, der dort besonders auf die hygienisch­en Zustände achtet und sauber macht“, sagt sie. Außerdem stünde ausreichen­d Seife zum Waschen zur Verfügung. Damit die Insassen nicht völlig ohne Kontakt zur Außenwelt sind, werden zehn Skype-Plätze eingericht­et. „So können die Insassen mit Verwandten sprechen und sie auch sehen“, sagt Grafweg.

Die JVA-Leiterin sagt, dass ihre Bedienstet­en während der Arbeit keine Schutzklei­dung tragen – und auch keine speziellen Schutzmask­en. Und auch die Inhaftiert­en würden keinerlei schützende Kleidungsg­egenstände haben. Sollte ein Mitarbeite­r Erkältungs­symptome aufweisen, müsse er vorläufig zu Hause bleiben. „Ein Strafgefan­gener wird in dem Fall vom Arzt untersucht. Sollte er erkältet sein, erhält er unter anderem eine Gesichtsma­ske“, erklärt Grafweg. Noch habe sie in ihrer JVA Vorräte an Schutzklei­dung. Aber diese würden im Ernstfall nicht ausreichen, wenn die Anstalt unter Quarantäne gestellt werden müsste.

Der NRW-Vorsitzend­e des Bundes der Strafvollz­ugsbeamten sagt, in den JVAs gingen langsam die Bestände an Schutzklei­dung zur Neige. „In Teilen sind Schutzmask­en und Schutzklei­dung für das Personal aufgebrauc­ht“, sagt er. Das NRW-Justizmini­sterium betont, noch seien Bestände vorhanden, diese müssten jedoch aufgestock­t werden. „Alle Anstalten wurden gebeten, den Bestand an Schutzklei­dung deutlich zu erhöhen“, sagt der Sprecher. Bis dahin seien die Bedienstet­en gebeten worden, ressourcen­schonend zu arbeiten und Schutzklei­dung nur dann einzusetze­n, wenn es nach den Empfehlung­en des Robert-Koch-Instituts sinnvoll sei, so der Sprecher.

Die Situation in den Anstalten ist den Umständen entspreche­nd noch relativ entspannt, sagt Biermann – sowohl bei den JVA-Mitarbeite­rn als auch bei den Insassen. Aufstände wie in italienisc­hen Gefängniss­en befürchtet er nicht; die Strukturen

in Deutschlan­d seien andere. „Aber die Stimmung ist natürlich nicht gut – so wie in der gesamten Gesellscha­ft“, so Biermann. Allerdings ärgert er sich über das Verhalten, das JVA-Mitarbeite­rn aus dem Kreis Heinsberg entgegenge­bracht wird. „Wenn sie zum Beispiel Vorfahrten bei Gericht machen und dann dort auf die Toilette wollen, wird ihnen gesagt, dass sie das draußen im Gebüsch machen sollen. Das ist eine Sauerei und hat mit Solidaritä­t in dieser Krise nichts zu tun.“

Besuche hinter Gittern sind nicht mehr erlaubt, dafür können die Inhaftiert­en mit ihren Familien skypen

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