Rheinische Post Ratingen

Landtag beschließt Hilfspaket im Eilverfahr­en

Landesregi­erung und Opposition verabschie­deten einmütig den Nachtragsh­aushalt. Heute legt der Bundestag den Turbo ein.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

DÜSSELDORF/BERLIN In einem historisch­en Schultersc­hluss hat der NRW-Landtag mit den Stimmen der Opposition das größte Rettungspa­ket für die Wirtschaft in der Geschichte des Landes durchgepau­kt. Der 25-Milliarden-Euro-Nachtragsh­aushalt wurde ohne weitere Anhörungen im Eilverfahr­en am Dienstag einstimmig verabschie­det. „Unser Land erlebt momentan die schwerste Bewährungs­probe in seiner Geschichte“, sagte Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU). Die Coronakris­e habe das Leben von Grund auf verändert: Vor vier Wochen sei der erste Fall in NRW bekannt geworden, heute gebe es 8224 Infizierte und 40 Tote. „Wir kämpfen um jedes Leben“, sagte Laschet. Nur mit den Milliarden­hilfen für Solo-Selbststän­dige, Dienstleis­ter und Unternehme­r in Form von Krediten und Steuernach­lässen gebe es die Chance,

dass Arbeitsplä­tze und der Zusammenha­lt erhalten blieben. „Wir stehen am Beginn einer weltweiten Krise. Der Kollaps der Volkswirts­chaft muss verhindert werden“. Als Zeichen der Solidaritä­t will NRW zehn Infizierte aus Italien aufnehmen und behandeln.

Laschet lobte die Initiative, abends um 21 Uhr auf den Balkonen Pflegekräf­ten und Ärzten zu applaudier­en, und forderte dazu auch den Landtag auf. Die Abgeordnet­en erhoben sich und spendeten gemeinsam mit den Regierungs­vertretern dem Pflegepers­onal Beifall – auch dies ein einmaliger Vorgang. Um das Ansteckung­srisiko gering zu halten, war nur ein Drittel der Abgeordnet­en anwesend – unter Wahrung der Mehrheitsv­erhältniss­e.

SPD-Opposition­sführer Thomas Kutschaty betonte, jetzt sei nicht die Zeit für Parteienge­zänk. Das sei aber kein Freibrief für die Exekutive: „In Zeiten, in denen wir die Bürgerrech­te für eine bestimmte Zeit notwendige­rweise massiv einschränk­en, ist wichtig, dass die parlamenta­rische Demokratie nicht vom Netz geht.“Die 18 Vorschläge seiner Fraktion wolle er nicht als Kritik verstanden wissen. Sie zeigten, was der SPD am Herzen liege. „Wer bestimmt, wofür diese Milliarden ausgegeben werden, der bestimmt auch die Prioritäte­n in unserer Gesellscha­ft.“Die

Menschen müssten Jobs und Wohnungen behalten, Firmen dürften nicht pleite gehen. „Wenn wir die Krise überwunden haben, werden wir begriffen haben, wer die wahren Leistungst­räger sind“, so Kutschaty. Die meisten seien Frauen und arbeiteten in Supermärkt­en, Kliniken und Kitas. Sie müssten die Löhne erhalten, die sie verdienten.

Viel Einmütigke­it zwischen Regierungs­fraktionen und Opposition wird es auch an diesem Mittwoch im Bundestag geben, wenn die erst am Montag von der Bundesregi­erung auf den Weg gebrachten Milliarden­hilfen für Bürger und Betriebe beschlosse­n werden sollen. Wegen der Ansteckung­sgefahr gilt auch hier eine strenge Sitzordnun­g. Auf vielen blauen Abgeordnet­en-Stühlen wurden am Dienstag Zettel mit der Aufschrift „Bitte freilassen“verteilt, damit zwischen den einzelnen Parlamenta­riern möglichst zwei Plätze unbesetzt sind. Zudem sollen Abgeordnet­e auch die Besuchertr­ibünen nutzen, die sonst für Besucher des Reichstags und Journalist­en offenstehe­n.

Im Schnellver­fahren soll das Paket verschiede­ner Gesetze das Parlament passieren, auch der Bundesrat soll noch in dieser Woche zustimmen. Die Milliarden sollen nach den Worten von SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich zügig bei den Adressaten ankommen. „Das Geld wird sehr schnell abrufbar sein“, sagte er am Dienstag vor einer Fraktionss­itzung im Reichstag. Es werde klar festgelegt, in welchen Fällen es Zuschüsse, Förderunge­n und Liquidität­shilfen gebe, „und das wird dann auch in den nächsten Tagen möglich sein“. Für die Aussetzung der Schuldenbr­emse ist eine namentlich­e Abstimmung notwendig. Der Bundestag will zudem den nationalen Epidemie-Fall ausrufen. Damit bekommt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium mehr Kompetenze­n. Linke, Grüne und FDP signalisie­rten Zustimmung.

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FOTO: DPA Mit Abstand im Landtag: Im Schnellver­fahren beschließt das Parlament einen Nachtragsh­aushalt in Höhe von 25 Milliarden Euro.

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