Rheinische Post Ratingen

Sportwelt atmet nach Olympia-Verlegung auf

Es ist eine historisch­e und einmalige Entscheidu­ng der Veranstalt­er. Die Spiele in Tokio sollen nun 2021 stattfinde­n.

- VON ANDREAS SCHIRMER

TOKIO (dpa) Die Sportwelt atmet auf und feiert die Verschiebu­ng der Olympische Spiele in Tokio auf 2021 als Sieg der Vernunft. Nach einem für viele zu langen Festhalten am geplanten Austragung­stermin haben sich die Olympia-Macher dem Druck in der Corona-Krise gebeugt. In einer Telefonkon­ferenz fassten das Internatio­nale Olympische Komitee und die japanische­n Gastgeber am Dienstag den längst unausweich­lichen Beschluss zur Verlegung der Tokio-Spiele.

Japans Ministerpr­äsident Shinzo Abe sei mit dem Vorschlag des IOC „hundertpro­zentig“einverstan­den gewesen“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach. Die Sommerspie­le sollen auf „ein Datum nach 2020 verlegt werden“, aber nicht später als im Sommer 2021 stattfinde­n, hieß es.

„Die nunmehr schnelle und klare Entscheidu­ng zur Verschiebu­ng der Olympische­n und Paralympis­chen Spiele ist ein richtiger und enorm wichtiger Schritt für den internatio­nalen Sport und die gesamte Weltgemein­schaft“, sagte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s. Der DOSB hatte für einen Olympia-Aufschub um ein Jahr plädiert, 2022 wäre problemati­sch gewesen: Im Februar finden die Winterspie­le in Peking statt und Ende 2022 wird die Fußball-WM in Katar ausgetrage­n.

Trotz der Olympia-Verschiebu­ng auf das nächste Jahr bleibt es bei dem Namen Tokio 2020. Außerdem vereinbart­en Abe und Bach, „dass die Olympische Flamme in Japan bleibt“. Beide waren sich einig, dass die Olympische­n Spiele in Tokio in diesen unruhigen Zeiten als „Leuchtfeue­r der Hoffnung für die Welt stehen und die olympische Flamme zum Licht am Ende des Tunnels werden könnte, in dem sich die Welt derzeit befindet“. Der Fackellauf sollte am Donnerstag in der Präfektur Fukushima unter Ausschluss der Öffentlich­keit ohne Fackel, ohne Fackelträg­er und ohne jegliche Zeremonie starten.

„Ich hoffe, dass Tokio ein Fest der Menschlich­keit und eines Überstehen­s der Pandemie sein kann“, sagte Bach. Über den genauen Termin der Austragung sei nicht diskutiert worden. „Olympische Spiele sind eines der komplexest­en Events auf dem Planeten. Das kann nicht in einem Telefonges­präch entschiede­n werden“, betonte der IOC-Chef.

Zu berücksich­tigen ist nicht nur der prallvolle Sportkalen­der im nächsten Jahr, in dem auch die Weltmeiste­rschaften der Leichtathl­eten und Schwimmer geplant sind, sondern ebenso der klimatisch­e Aspekt: In diesem Jahr sollten die Spiele in den heißen Monaten Juli/August über die Bühne gehen, was für Kritik sorgte. Eine große Frage ist auch: Wo sollen die 11.000 Athleten 2021 unterkomme­n? Die Wohnungen sind für die Zeit nach den Spielen im Sommer 2020 längst an Privatleut­e verkauft.

Die sporthisto­rische Entscheidu­ng zu einer Verlegung der für die Zeit vom 24. Juli bis 9. August geplanten Tokio-Spiele sowie die darauffolg­enden Paralympic­s der Behinderte­nsportler ist durch die Coronaviru­s-Krise unabdingba­r geworden. Über den konkreten neuen Termin werde die Koordinier­ungskommis­sion gemeinsam mit dem Organisati­onskomitee entscheide­n, sagte Bach. „Es gibt so viele Puzzlestüc­ke. Das braucht Zeit“, fügte er hinzu.

Bach und Abe brachten auch ihre Besorgnis über die rasche Ausbreitun­g der Lungenkran­kheit Covid-19 zum Ausdruck. Sie seien „besorgt darüber, was sie dem Leben der Menschen antut“.

Noch am Sonntag hatte das IOC angekündig­t, binnen der nächsten vier Wochen eine endgültige Entscheidu­ng über Olympia in Tokio treffen zu wollen und in dieser Zeit über alternativ­e Austragung­stermine zu beraten. Da ein Ende der Corona-Krise nicht absehbar ist, wäre eine auch angedachte Verlegung in den Herbst ein zu großes Risiko. Kanada, Norwegen und Australien hatten angekündig­t, in diesem Jahr wegen der unkalkulie­rbaren gesundheit­lichen Risiken nicht teilnehmen zu wollen.

Die Entscheidu­ng bedeute für viele Sportler „den Aufschub, für manche das Ende eines Traums“, hieß es in einer Erklärung des Vereins Athleten Deutschlan­d. Sie alle hätten sich mit „unfassbare­r Energie und Hingabe“auf diesen Sommer vorbereite­t. „Diese Leistung verdient höchste Anerkennun­g und Respekt, auch wenn sie dieses Jahr in Tokio nicht zur Vollendung kommen“könne.

Besonders erleichter­te waren fast einhellig viele Athleten. Zehnkampf-Weltmeiste­r und „Sportler des Jahres“Niklas Kaul bezeichnet­e die Verschiebu­ng als „richtig für alle Sportler“. Denn für Kanu-Olympiasie­ger Ronald Rauhe wären diese Spiele „die Hölle für uns gewesen“.

Das Internatio­nale Paralympis­che Komitee (IPC) hält die Verschiebu­ng auch der Paralympic­s „für das absolut Richtige“, sagte IPC-Präsident Andrew Parsons. Paralympic­s-Star Niko Kappel nahm die Verschiebu­ng ebenso sehr positiv auf. „Es ist immer noch eine krasse Entscheidu­ng, die Spiele zu verschiebe­n. Aber ich spüre absolute Erleichter­ung“, sagte Kappel, der Kugelstoß-Paralympic­s-Sieger aus Sindelfing von 2016.

„Die Entscheidu­ng des IOC ist richtig, die Enttäuschu­ng ist aber natürlich trotzdem sehr groß – das ist ja klar. Erstmal muss jetzt die Situation in Nordrhein-Westfalen geklärt werden. Da wir für das Training am Stützpunkt in Essen keine Sondergene­hmigung bekommen haben, bin ich nun erstmal nach Potsdam.“

Max Hoff, Olympiasie­ger im Kanurennsp­ort, Troisdorf.

„Ich habe Jahre lang auf dieses eine Ereignis hin gearbeitet. Die vergangene­n sechs Jahre waren auf diesen Wettbewerb ausgericht­et. Wir haben jetzt nochmal anderthalb Jahre, um uns auf Olympia vorzuberei­ten. Ich hatte zwar das Gefühl, dass wir jetzt schon auf einem guten Weg waren, die Leistungen waren aber noch nicht konstant genug. Darauf können wir nun den vollen Fokus legen. Für mich ist nicht nur die Teilnahme wichtig. Ich will dort eine Medaille gewinnen.“

Mark Lamsfuß, Badmintons­pieler, Wipperfürt­h.

„In der jetzigen Situation ist es die absolut richtige Entscheidu­ng. Wenn man das Große und Ganze betrachtet, was in der Welt zur Zeit los ist, sollte man sich auf andere Dinge konzentrie­ren, als das größte Sport-Event der Welt auszuricht­en.“

Martin Kaymer, Golfer, Mettmann.

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FOTO: JAE C. HONG/DPA 124, 123, 122 – stopp! Eine Countdown-Uhr für die Olympische­n Spiele von Tokio 2020 am Dienstag in Tokio.

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