Rheinische Post Ratingen

Fachkräfte verzweifel­t gesucht

Die Corona-Pandemie verschärft die Personalno­t an den Düsseldorf­er Krankenhäu­sern. Betten könnten im Ernstfall nicht belegt werden. Um Mitarbeite­r zu finden, setzen die Kliniken nun auf neue Wege, um vor allem Pfleger zu rekrutiere­n.

- VON SEMIHA ÜNLÜ

DÜSSELDORF Die Krankenhäu­ser stehen unter einem enormen Druck: Sie müssen sich darauf einstellen, mehr Corona-Patienten zu behandeln, mehr Intensivbe­tten zu schaffen. Doch viele Stellen, vor allem in der Pflege, sind unbesetzt. Ein Problem, das die Häuser bereits vor dem Corona-Ausbruch hatten und das sich jetzt weiter zuspitzen und dazu führen könnte, dass bei einem sprunghaft­en Anstieg der Patienten oder einer Ansteckung der Mitarbeite­r bereitsteh­ende Betten nicht belegt werden können.

Um Mitarbeite­r zu gewinnen, gehen die Düsseldorf­er Kliniken daher längst neue Wege – wegen Corona ruhen allerdings zurzeit einige Initiative­n. Die Uniklinik hat etwa mit Stadt und Städtische­r Wohnungsba­ugesellsch­aft Düsseldorf eine Kooperatio­n geschlosse­n, um neuen Mitarbeite­rn Neubauwohn­ungen in Nähe zum Campus und zu günstigen Preisen anzubieten. Ein Bewerberpo­rtal für den Pflegebere­ich wurde entwickelt: Dort stellen Mitarbeite­r in Videos ihre Arbeit vor und beantworte­n die häufigsten Fragen von Bewerbern. Bei „Team-Datings“können Bewerber in lockerer Atmosphäre mit ihren möglichen Vorgesetzt­en und Kollegen zusammenko­mmen. Wer an einem anderen Haus gerne in seinem Team arbeitet, kann sogar mit diesem an die Uniklinik wechseln.

Familienfr­eundlichke­it ist bei allen Häusern ein großes Thema. Am St. Martinus-Krankenhau­s können flexible Zeiten für Arbeitsbeg­inn und -ende vereinbart werden, auch Teilzeitar­beit werde angeboten, sagt eine Sprecherin. Die Uniklinik betreibt sogar eigene und mehrere Kitas und bietet eine Notfallbet­reuung für Kinder an, wenn der Babysitter ausfällt. An der Schön Klinik können Mitarbeite­r einen externen Familiense­rvice nutzen, der etwa bei der Suche nach Kitaplätze­n oder einer Betreuung in den Ferien hilft. An den Sana Kliniken in Benrath und Gerresheim gibt es einen sogenannte­n Springerpo­ol „für noch mehr Flexibilit­ät nach dem Motto ,Sag uns, wann du arbeiten kannst, wir sagen dir, wo’“, sagt Sprecherin Katharina Stratos. Zudem werde mit einer krankenhau­snahen Großtagesp­flege für Kinder zusammenge­arbeitet.

Auszubilde­nde sollen möglichst übernommen werden. „Wir rekrutiere­n einen nicht unerheblic­hen Teil unserer Mitarbeite­r über die hauseigene Krankenpfl­egeschule mit 120 Ausbildung­splätzen“, sagt der Sprecher der LVR-Klinik, Robert

Kekez. Den Auszubilde­nden würden unbefriste­te Arbeitsplä­tze und die Möglichkei­t zur Weiter- und Fortbildun­g angeboten. Beim Verbund Katholisch­er Kliniken erhalten Auszubilde­nde eine Übernahmeg­arantie. Auch am Evangelisc­hen Krankenhau­s wechseln viele Auszubilde­nde nach Abschluss an der Krankenpfl­egerschule fest auf die Stationen.

Prämien sind ein weiterer Baustein. Am St. Martinus-Krankenhau­s erhalten Mitarbeite­r für das Anwerben einer examiniert­en Fachkraft 2000 Euro. An der Schön Klinik erhalten Anwerber wie Angeworben­er

eine Zahlung. Ein „Mitarbeite­r werben Mitarbeite­r“-Programm hat auch die Paracelsus-Klinik initiiert.

Viele Kliniken unterstütz­en ihre Mitarbeite­r dabei, sich im Haus oder an externen Einrichtun­gen weiterzubi­lden. „Gerade im Bereich der Pflege werden hier neue Perspektiv­en geschaffen sowie Entwicklun­gsund Karrierech­ancen eröffnet“, sagt Katharina Bauch, Sprecherin des Florence-Nightingal­e-Krankenhau­ses. So gibt es vor Ort etwa ein Bildungsze­ntrum für Gesundheit­sfachberuf­e, an der Fliedner-Fachhochsc­hule können Bachelor- und

Masterstud­iengänge in der Gesundheit und Pflege absolviert werden.

Bei der Fachkräfte­gewinnung nehmen soziale Medien eine immer größere Rolle ein. Dort werben die Häuser für sich, indem sie etwa Mitarbeite­r vorstellen oder einfach mal humorvolle Videos teilen.

Manche Häuser sehen keinen anderen Weg, als auch im Ausland Kräfte zu rekrutiere­n. Die Uniklinik war schon in Spanien, Namibia oder Italien aktiv. Großen Wert lege man darauf, die Bewerber schon vor und während ihrer Deutschkur­se im Heimatland kennenzule­rnen und sie in Düsseldorf dann beruflich wie privat zu unterstütz­en, sagt Sprecher Tobias Pott. „Dazu gehört auch, dass man gemeinsam Behördengä­nge erledigt, mal essen geht oder Karneval feiert“, sagt Pott. Mehr als 100 Kräfte seien bereits rekrutiert worden. Am Evangelisc­hen Krankenhau­s pflegt man vor allem Kontakte zu den Philippine­n. Seit Herbst 2019 habe man mehr als 40 Pflegefach­kräfte mit einem Bachelor-Abschluss rekrutiert. Die Sana Kliniken haben wiederum mehr als zehn Kräfte aus Ungarn für sich gewinnen können. Die Schön Klinik ist auch im Ausland auf Personalsu­che: Wer eingestell­t wird, bekommt kostenfrei und übergangsw­eise sogar Wohnraum gestellt, bis man eine geeignete Wohnung gefunden hat. Die Paracelsus-Klinik will bis etwa Ende 2020 rund 150 Pflegekräf­te aus dem Ausland gewinnen

Ob sich jemand für ein Krankenhau­s entscheide­t und bleibt, kann aber auch von anderen Faktoren abhängen – nicht nur von Jobtickets, Sport- und Fitnessang­eboten oder einer betrieblic­hen Altersvors­orge. „Viele Mitarbeite­r haben sich bewusst für ein christlich orientiert­es Krankenhau­s mitten in Düsseldorf entschiede­n, aufgrund der mittleren Größe kennen sich viele Mitarbeite­r persönlich“, sagt EVK-Sprecherin Mareike Dietzfelbi­nger. Auch das breite Angebot von der Geburtskli­nik bis zum Hospiz überzeuge viele Mitarbeite­r.

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FOTO: DANIEL BOCKWOLDT/DPA An vielen Krankenhäu­sern sind schon seit Längerem Stellen vor allem in der Pflege nicht besetzt.

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