Rheinische Post Ratingen

DAF-Gründer Gabi Delgado ist tot

Keimzelle Ratinger Hof: Mit Liedern wie „Der Mussolini“schuf das Duo zu Beginn der 1980er Jahre einen neuen Sound.

- VON SVEN-ANDRÉ DREYER

Es gibt da diese herrliche Szene in Oliver Schwabes Film „Keine Atempause“, in der Gabi Delgado in den ruhigen Vormittags­stunden auf der Ratinger Straße unterwegs ist. In einem schwarzen, glänzenden Anzug, zu dem er eine dunkle Sonnenbril­le trägt, steht er rauchend, schlaksig und ein wenig unsicher tänzelnd vor dem Stone, dem Nachfolger des legendären Ratinger Hofs an der Ratinger Straße 10, und erinnert sich an die späten 1970er Jahre: „Wir waren ja fast noch Kinder und staunten, was hier alles möglich war“, erzählt Delgado in der Interviews­equenz und lächelt. „Es war wie ein Freiraum, und jeder konnte daran teilhaben.“Am Sonntag ist Gabi Delgado in einem Krankenhau­s in Portugal im Alter von 61 Jahren überrasche­nd gestorben, wie sein Manager Olaf Strick in Berlin am

Über die Ratinger Straße sagte er: „Das gehört alles abgerissen“

Dienstag unter Berufung auf die Familie bestätigte.

Seine Erinnerung an die Keimzelle der deutschen Punkbewegu­ng im Herzen der Düsseldorf­er Altstadt fallen zwar warm aus. Insbesonde­re war es Carmen Knoebel und ihrem Talent zu verdanken, die Bedürfniss­e der damals noch jungen Generation Punk sowie Protagonis­ten der internatio­nalen Kunstszene zu aktueller Musik miteinande­r verschmelz­en zu lassen. Doch beschließt Delgado seine verbalen Ausführung­en mit einer vernichten­den Kritik: „Im Prinzip gehört das hier alles abgerissen.“Es ist diese schnörkell­ose Sprache und eine rigorose Sicht auf die Dinge, die dem Musiker schließlic­h zu Beginn der 1980er Jahre zu internatio­nalem Erfolg verhalfen.

Delgado kommt als Gabriel Delgado López 1958 im spanischen Cordoba zur Welt und wächst, bis er mit seiner Familie 1966 nach Deutschlan­d kommt, überwiegen­d bei seiner Großmutter auf. Seinen Vater, so erzählte Delgado in einem Interview, habe er das erste Mal im Alter von acht Jahren kennengele­rnt.

Ihm blieb die Einreise nach Spanien aufgrund der Franco-Diktatur lange Zeit verwehrt.

In Deutschlan­d lebt Delgado zunächst in Remscheid, Wuppertal und Dortmund; als Schulabbre­cher beginnt er schließlic­h eine Lehre als Siebdrucke­r in Moers bis er – fasziniert von der aufkeimend­en Punkbewegu­ng – auch die abbricht und seinen Wohnsitz dann in Düsseldorf nimmt.

Bereits in seiner Wuppertale­r Zeit wird der Gelegenhei­tsjobber als Sänger Bandmitgli­ed der Deutsch Amerikanis­chen Freundscha­ft, kurz DAF, die ursprüngli­ch als Quintett, unter anderem von Produzent und Multiinstr­umentalist Kurt Dahlke sowie Michael Kemner, später Bassist bei den Fehlfarben, gegründet wurde. Zeitweise probt die Band in den Kellerräum­en des Ratinger Hofes, die ihnen Carmen Knoebel zur Verfügung stellte.

Europaweit­en Erfolg erlangte Delgado schließlic­h als Frontmann der Deutsch Amerikanis­chen Freundscha­ft und wird damit zu einer der zentralen Figuren in der Genese deutscher elektronis­cher Musik. Ein Erfolg, der nicht zuletzt auch auf den Produzente­n Conny Plank zurückzufü­hren ist, der zuvor bereits Alben der Bands Kraftwerk, Neu! und Ultravox realisiert hatte.

Er war es, der die 1978 gegründete und bis 1981 zu einem Duo geschrumpf­te Band beriet und produziert­e und mit den beiden Musikern an der musikalisc­hen DNA der Band tüftelte. Delgado, der seine polarisier­enden Texte in deutscher Sprache immer weiter zu Parolen verdichtet­e, schafft mit seinem provoziere­nden Sprechgesa­ng und dem komplexen musikalisc­hen Konstrukt, entwickelt durch den Schlagzeug­er Robert Görl, einen bis dahin unerhörten Sound, der bereits zu Beginn der 1980er Jahre Electronic-Body-Music (EBM) und Strukturen des Techno anlegt.

Die Band, bereinigt um elektrisch­e Gitarren und jegliche Saiteninst­rumente, kondensier­t die hochkonzen­trierte Energie und Idee des Punk zu einem Konglomera­t analoger Sequenzer und einem hochenerge­tisch gespielten Schlagzeug.

Mit dem Album „Die Kleinen und die Bösen“erzielt die zu dieser Zeit

noch als Trio arbeitende Band 1980 internatio­nalen Erfolg. Das 1981 veröffentl­ichte und nur noch als Duo eingespiel­te dritte Album „Alles ist gut“, auf dem sich auch die provokante­n Stücke „Der Mussolini“und „Der Räuber und der Prinz“finden, gerät für DAF auch zum kommerziel­len Durchbruch. Nicht nur musikalisc­h, auch die Auftritte der Band DAF sorgen in dieser Zeit zunehmend für Furore. Zunächst gekleidet in an Uniformen erinnernde­s Bühnenoutf­it, später gehüllt in eng anliegende­s schwarzes Leder – das mit schwuler Ästhetik spielt –, arbeitet DAF auch mit Mitteln der Brüskierun­g.

Nicht alle verstehen die inszeniert­e Provokatio­n: Während die jungen Punks bei einem der ersten Auftritte der Band am Wilhelm-Marx-Haus das militärisc­h geprägte Bühnenoutf­it der Band als Herausford­erung eines kunstvoll geprägten Ansatzes der Punk-Ideologie verstehen, deuten die Fans in London das Auftreten als nationalis­tisch und teutonisch. Dass es sich dabei auch um Satire handelte, übersahen die jungen Briten. Die Bandmitgli­eder, die nur selten persönlich­e Stellungna­hmen zu ihrem kunstvolle­n Gesamtkonz­ept abgegeben haben, verbuchten diese Form der Wahrnehmun­g lediglich als eine mögliche Interpreta­tion ihres Werks.

 ?? FOTO: RICHARD GLEIM ?? Gabi Delgado (hinten) bildete mit seinem Kompagnon Robert Görl das Duo DAF. Hier stehen sie in den frühen 1980er Jahren am Düsseldorf­er Flughafen.
FOTO: RICHARD GLEIM Gabi Delgado (hinten) bildete mit seinem Kompagnon Robert Görl das Duo DAF. Hier stehen sie in den frühen 1980er Jahren am Düsseldorf­er Flughafen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany