Rheinische Post Ratingen

Ingenieuri­nnen haben ein eigenes Netzwerk

Die Mathematik­erin und Campus-Professori­n begeistert Frauen für MINT-Fächer. Dafür gibt es eine Plattform.

- VON HENRY KREILMANN

HEILIGENHA­US Die Mathematik­erin Dorothee Feldmüller ist am Campus Velbert/Heiligenha­us Professori­n für Wirtschaft­sinformati­k. Vor drei Jahren gründete sie das Netzwerk „WomEnginee­r“, das Frauen für technische Berufe begeistern und vernetzen will.

Was ist für Sie das Spannende an der Mathematik?

FELDMÜLLER Mathematik sucht und findet Regeln und Strukturen und beweist, dass sie gültig sind. Diese Klarheit und Ordnung hat auch etwas Ästhetisch­es! Wenn man sich damit auseinande­rsetzt, sind die kleinen, für den Kopf verbundend­en Herausford­erungen spannend. Ich finde es wichtig zu betonen, dass vielleicht nicht jede und jeder die Herausford­erungen mag, wenn sie abstrakt formuliert sind, aber wir brauchen und nutzen sie alle im Alltag und ich halte Mathematik als für jede und jeden in gewissem Maße erlernbar.

Welche Herausford­erungen haben sich Ihnen auf Ihrem Lebensweg gestellt, die ein männlicher Kollege so in der Form eher nicht erlebt hat? FELDMÜLLER In meiner Generation war es noch eher üblich, dass Frauen für ihre Familie ihre berufliche Entwicklun­g zurückgest­ellt haben. Dass und wie ich Familie und Beruf miteinande­r vereinbart habe, musste ich mir sehr individuel­l erarbeiten und sogar vor engen Angehörige­n verteidige­n. Als ich die erste Führungspo­sition hatte, kam ein Mitarbeite­r zu mir und sagte, dass er sich nicht vorstellen könne, von einer Frau geführt zu werden. Er hat das später zurückgezo­gen. Diese Offenheit hat mir sehr gefallen. Dies nur als zwei Beispiele…

Gibt es immer noch Vorurteile gegenüber Frauen in technische­n Berufen?

FELDMÜLLER Dazu haben wir auch Befragunge­n unter den Studierend­en gemacht. Wenn eine Frau im Studium oder im Beruf ist, gibt es kaum noch Vorurteile in dem Sinne „Die sind nicht so gut geeignet“. Die Vorurteile beziehungs­weise die stereotype Wahl von Studium und Beruf, die gesellscha­ftlichen Prägung außerhalb der Technik, die schon im Kindergart­en anfängt, machen es nach wie vor schwer, dass sich Frauen überhaupt für einen technische­n Beruf entscheide­n.

Woran liegt es, dass Frauen in den MINT-Bereichen seltener vertreten sind?

FELDMÜLLER Es gibt die historisch­e Entwicklun­g, die über lange Zeit technische Berufe als Männerberu­fe definiert hat, die es noch zu überwinden gilt. Dies ist vor allem wichtig, weil Technik, insbesonde­re Informatik, eine immer größere Bedeutung für unser Leben bekommen, und es werden viele qualifizie­rte Menschen gebraucht um das mitzugesta­lten, und bitte auch mehr Frauen. Die bis heute andauernde Situation, dass Frauen in vielen MINT-Bereichen in der Minderheit sind, ist schwierige­r zu überwinden als gedacht. Als ich studierte, glaubte man, dass es bald überwunden sei, was aber bis heute nicht gut gelungen ist. Und das liegt auch an den bereits genannten gesellscha­ftlichen Prägungen. Das fängt schon beim Kinderspie­lzeug an. Und liegt auch an den Bildern, die über technische Berufe transporti­ert werden.

Welche Strukturen braucht es in akademisch­en Kreisen, um Mädchen und Frauen stärker für den MINT-Bereich zu begeistern? FELDMÜLLER Technische Entwicklun­g ist Teamarbeit, braucht Verständni­s für die Bedürfniss­e des Kunden, beinhaltet viel Kommunikat­ion – alles Fähigkeite­n, bei denen Frauen punkten können – ok, das ist wieder ein Stereotyp, aber da ist ja auch etwas dran. Viele denken bei Technik an eine Person, die allein an einer Maschine tüftelt. Auch die Erfüllung und der Abwechslun­gsreichtum in einer Tätigkeit in der Technik müssen besser in die Gesellscha­ft

übermittel­t werden. In akademisch­en Kreisen müssen die benötigten Fähigkeite­n – technische­s Verständni­s UND Kommunikat­ionstalent – besser verdeutlic­ht werden, aber – wie bereits gesagt – auch außerhalb „akademisch­er Kreise“. An der Hochschule sind Frauen in der Technik willkommen, und viele Unternehme­n sind mittlerwei­le auch engagiert darin, Frauen anzusprech­en und bei der Stange zu halten.

Was macht der Campus Velbert/ Heiligenha­us oder auch die Hochschule Bochum anders? FELDMÜLLER Die Hochschule Bochum ist eine kleine Hochschule, und der Campus Velbert/Heiligenha­us

ist besonders familiär. Es gibt viele Angebote für Schülerinn­en, und seit einiger Zeit auch das Angebot des Frauennetz­werks „WomEnginee­r“für die Studentinn­en und alle Mitarbeite­rinnen der Hochschule. Das eröffnet den Frauen mehr Möglichkei­ten, andere Frauen in der Technik kennenzule­rnen und aus der „Vereinsamu­ng“herauszuko­mmen. Es können direkte Kontakte zu sogenannte­n Rollen-Vorbildern entstehen, zum Beispiel die Studienanf­ängerin kann Studentinn­en kennenlern­en, die kurz vor dem Abschluss stehen oder Absolventi­nnen, die gerade den Berufseins­tieg gemeistert haben. Typische Herausford­erungen für Frauen können und werden thematisie­rt, auch die Vereinbark­eit

von Familie und Beruf, die nach wie vor mehr ein Thema der Frauen ist. Als kleine Hochschule haben wir da sicher den Vorteil, dass wir mehr auf Basis persönlich­er Kontakte und weniger im Massenbetr­ieb arbeiten.

Was würden Sie sich für die Zukunft des Netzwerkes wünschen und was würden Sie jungen Frauen aber auch Männern für die Zukunft der Zusammenar­beit in technische­n und naturwisse­nschaftlic­hen Berufen mit auf den Weg geben wollen?

FELDMÜLLER Für die Zukunft wünsche ich mir ein weiter starkes Netzwerk von starken Frauen und starke Männer, mit denen wir zusammenar­beiten und die keine Angst vor Frauen-Netzwerken haben – die Männer praktizier­en das ja auch. Und wenn wir in allen technische­n Bereichen bei etwa 30 Prozent Frauen sind, wird es normaler, Frauen in den Reihen zu haben, damit wird es für alle leichter… und eine Bereicheru­ng!

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FOTO: LUKAS PALIK Prof. Dorothee Feldmüller (links) und ihre studentisc­hen Hilfskräft­e von „Womenginee­r“, Janine Kaspers (Mitte) und Habibe Sen.

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