Abiturprüfungen trotz Corona-Krise
Die Kultusministerkonferenz wendet ein bundesweites Chaos vorerst ab: Nirgendwo soll die Reifeprüfung ausfallen. Die Länder erkennen die Ergebnisse der Schüler gegenseitig an. „Blaue Briefe“gibt es in NRW in diesem Schuljahr nicht.
DÜSSELDORF Die Abiturprüfungen können trotz Corona-Krise in diesem Jahr stattfinden. Die Kultusminister der Länder haben sich nach eigenen Angaben am Mittwoch auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. Danach kann nun jedes Bundesland entscheiden, ob es die Prüfungen, insbesondere die schriftlichen Abiturprüfungen, zum geplanten oder zu einem Nachholtermin bis zum Ende des Schuljahres abhält – sofern das Infektionsschutzgesetz dies zulässt. Eine Absage von Prüfungen sei nicht notwendig, hieß es.
Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) will die genaue Planung für NRW – auch zu den anderen Abschlussprüfungen – am Freitag vorstellen. „Nordrhein-Westfalen wird die Abiturprüfungen nicht absagen“, stellte Gebauer klar.
Eine wichtige Änderung allerdings wird es geben: Das Schulministerium teilte mit, man habe am Mittwoch entschieden, in diesem Schuljahr keine „Blauen Briefe“wegen gefährdeter Versetzungen zu verschicken. Die Konferenzbeschlüsse, die dafür nötig seien, könnten „derzeit nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten gefasst werden“, heißt es auf der Website des Ministeriums. Zudem setze ein „Blauer Brief“verschlechterte Leistungen seit dem Halbjahreszeugnis voraus. Um das festzustellen, fehle im laufenden zweiten Halbjahr die Zeit – der Schulbetrieb ruht derzeit. Eine „Minderleistung“in höchstens einem Fach, die nicht entsprechend abgemahnt worden sei, werde deshalb bei der Entscheidung über die Versetzung nicht berücksichtigt.
Der Streit ums Abitur war am Dienstag eskaliert, als Schleswig-Holstein angekündigt hatte, die Prüfungen ausfallen zu lassen. Stattdessen sollten die Abschlusszeugnisse auf Basis der bisherigen Noten vergeben werden. In Berlin gab es ähnliche Überlegungen. Damit stand unter den Ländern auch die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse auf dem Spiel. In NRW laufen die schriftlichen Abiturprüfungen
regulär vom 21. April bis 5. Mai.
Nordrhein-Westfalen habe sich dafür ausgesprochen, dass die Abiturprüfungen nach Möglichkeit stattfinden sollen, sofern die weiteren Entwicklungen es zulassen, sagte Gebauer: „Diese Position teilen alle 16 Bundesländer.“Entscheidend sei, dass dieser Jahrgang sich darauf verlassen könne, dass ihm keine Nachteile entstünden. „Wir haben uns deshalb noch einmal einstimmig darauf verständigt, die diesjährigen Abschlüsse unabhängig von ihrem Zustandekommen gegenseitig anzuerkennen.“Die Länder können dieses Jahr aber ausnahmsweise auf zentrale Elemente aus dem bundesweiten Aufgabenpool verzichten und diese durch eigene Aufgaben ersetzen.
Zuvor hatten Lehrer, Politik und Gewerkschafter Einheitlichkeit angemahnt und vor einem „Abi-Chaos“gewarnt. Es bestehe sonst die Gefahr, dass beispielsweise Bayern das Abitur aus Schleswig-Holstein in diesem Jahr nicht anerkenne, sagte Maike Finnern, Landeschefin der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Aber auch für eine Verschiebung gebe es keine Luft.
SPD-Landeschef Sebastian Hartmann begrüßte die Einigung: „Jede widersprüchliche Haltung der Bundesländer führt zu Verunsicherung“, sagte er unserer Redaktion. Die Prüfungen abzuhalten sei nur eine Frage der Organisation. Die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sigrid Beer, sprach sich angesichts der Unsicherheiten für eine ergänzende Regelung aus: „Wer auf der Kippe steht oder sich bezüglich eines Numerus clausus verbessern möchte, kann eine Zusatzprüfung ablegen.“
Die Landesschülervertretung hingegen setzt sich für eine Verschiebung des Abiturs ein. „Die Prüfungen jetzt zu schreiben, wie es in Hessen gemacht wird, halten wir für die ganz falsche Lösung“, sagte Sophie Halley vom Vorstand. Die meisten Schüler wünschten sich, dass das Zentralabitur ausgesetzt werde und stattdessen die Schulen die Prüfungen stellten.