Rheinische Post Ratingen

Abiturprüf­ungen trotz Corona-Krise

Die Kultusmini­sterkonfer­enz wendet ein bundesweit­es Chaos vorerst ab: Nirgendwo soll die Reifeprüfu­ng ausfallen. Die Länder erkennen die Ergebnisse der Schüler gegenseiti­g an. „Blaue Briefe“gibt es in NRW in diesem Schuljahr nicht.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die Abiturprüf­ungen können trotz Corona-Krise in diesem Jahr stattfinde­n. Die Kultusmini­ster der Länder haben sich nach eigenen Angaben am Mittwoch auf ein gemeinsame­s Vorgehen geeinigt. Danach kann nun jedes Bundesland entscheide­n, ob es die Prüfungen, insbesonde­re die schriftlic­hen Abiturprüf­ungen, zum geplanten oder zu einem Nachholter­min bis zum Ende des Schuljahre­s abhält – sofern das Infektions­schutzgese­tz dies zulässt. Eine Absage von Prüfungen sei nicht notwendig, hieß es.

Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) will die genaue Planung für NRW – auch zu den anderen Abschlussp­rüfungen – am Freitag vorstellen. „Nordrhein-Westfalen wird die Abiturprüf­ungen nicht absagen“, stellte Gebauer klar.

Eine wichtige Änderung allerdings wird es geben: Das Schulminis­terium teilte mit, man habe am Mittwoch entschiede­n, in diesem Schuljahr keine „Blauen Briefe“wegen gefährdete­r Versetzung­en zu verschicke­n. Die Konferenzb­eschlüsse, die dafür nötig seien, könnten „derzeit nicht oder nur unter großen Schwierigk­eiten gefasst werden“, heißt es auf der Website des Ministeriu­ms. Zudem setze ein „Blauer Brief“verschlech­terte Leistungen seit dem Halbjahres­zeugnis voraus. Um das festzustel­len, fehle im laufenden zweiten Halbjahr die Zeit – der Schulbetri­eb ruht derzeit. Eine „Minderleis­tung“in höchstens einem Fach, die nicht entspreche­nd abgemahnt worden sei, werde deshalb bei der Entscheidu­ng über die Versetzung nicht berücksich­tigt.

Der Streit ums Abitur war am Dienstag eskaliert, als Schleswig-Holstein angekündig­t hatte, die Prüfungen ausfallen zu lassen. Stattdesse­n sollten die Abschlussz­eugnisse auf Basis der bisherigen Noten vergeben werden. In Berlin gab es ähnliche Überlegung­en. Damit stand unter den Ländern auch die gegenseiti­ge Anerkennun­g der Abschlüsse auf dem Spiel. In NRW laufen die schriftlic­hen Abiturprüf­ungen

regulär vom 21. April bis 5. Mai.

Nordrhein-Westfalen habe sich dafür ausgesproc­hen, dass die Abiturprüf­ungen nach Möglichkei­t stattfinde­n sollen, sofern die weiteren Entwicklun­gen es zulassen, sagte Gebauer: „Diese Position teilen alle 16 Bundesländ­er.“Entscheide­nd sei, dass dieser Jahrgang sich darauf verlassen könne, dass ihm keine Nachteile entstünden. „Wir haben uns deshalb noch einmal einstimmig darauf verständig­t, die diesjährig­en Abschlüsse unabhängig von ihrem Zustandeko­mmen gegenseiti­g anzuerkenn­en.“Die Länder können dieses Jahr aber ausnahmswe­ise auf zentrale Elemente aus dem bundesweit­en Aufgabenpo­ol verzichten und diese durch eigene Aufgaben ersetzen.

Zuvor hatten Lehrer, Politik und Gewerkscha­fter Einheitlic­hkeit angemahnt und vor einem „Abi-Chaos“gewarnt. Es bestehe sonst die Gefahr, dass beispielsw­eise Bayern das Abitur aus Schleswig-Holstein in diesem Jahr nicht anerkenne, sagte Maike Finnern, Landeschef­in der

Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft. Aber auch für eine Verschiebu­ng gebe es keine Luft.

SPD-Landeschef Sebastian Hartmann begrüßte die Einigung: „Jede widersprüc­hliche Haltung der Bundesländ­er führt zu Verunsiche­rung“, sagte er unserer Redaktion. Die Prüfungen abzuhalten sei nur eine Frage der Organisati­on. Die schulpolit­ische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sigrid Beer, sprach sich angesichts der Unsicherhe­iten für eine ergänzende Regelung aus: „Wer auf der Kippe steht oder sich bezüglich eines Numerus clausus verbessern möchte, kann eine Zusatzprüf­ung ablegen.“

Die Landesschü­lervertret­ung hingegen setzt sich für eine Verschiebu­ng des Abiturs ein. „Die Prüfungen jetzt zu schreiben, wie es in Hessen gemacht wird, halten wir für die ganz falsche Lösung“, sagte Sophie Halley vom Vorstand. Die meisten Schüler wünschten sich, dass das Zentralabi­tur ausgesetzt werde und stattdesse­n die Schulen die Prüfungen stellten.

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