Rheinische Post Ratingen

Beim Abitur hat die Vernunft gesiegt

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Der Wert des Föderalism­us wird zurzeit oft beschworen. Die Bildungspo­litik allerdings war dafür zuletzt kein gutes Beispiel. Erst preschte Bayern vor und verlegte die Abiturprüf­ungen nach hinten. Dann wollte Schleswig-Holstein sie gleich ganz ausfallen lassen. In Rheinland-Pfalz und Hessen hingegen laufen die Prüfungen bereits. Nordrhein-Westfalen wartete erst einmal ab. Und die Kultusmini­sterkonfer­enz musste nun Ordnung in das Chaos bringen.

Gut, dass dies den Schulminis­tern der Länder am Mittwoch weitgehend gelungen ist. Das Wichtigste: Die Länder untereinan­der verpflicht­en sich, die Abschlüsse gegenseiti­g anzuerkenn­en. Prüfungen sollen nicht ausfallen, sondern allenfalls verschoben werden – sofern das Infektions­schutzgese­tz das zulässt. Mit diesem Nachsatz allerdings bleibt eine gewisse Unsicherhe­it bestehen.

Der Streit der Bundesländ­er um das Abitur in Corona-Zeiten war von vornherein so unverständ­lich wie überflüssi­g. In den meisten Ländern fehlen den Abiturient­en wegen der Schulschli­eßungen nur wenige Wochen bis zu den Osterferie­n, in NRW ganze drei. Dann wäre ihre Unterricht­szeit ohnehin beendet gewesen. Und die Prüfungssi­tuation kann so organisier­t werden, dass die Schüler größtmögli­chen Abstand wahren. Schließlic­h stehen die Schulen leer. Am Aufsichtsp­ersonal dürfte es auch nicht scheitern – Lehrer, die nicht unterricht­en, können diese Aufgabe übernehmen. Hätten sich die Länder nicht geeinigt, wären die Abiturient­en zu den Leidtragen­den geworden. Schlimmste­nfalls hätten sie sich nur noch an den Universitä­ten ihres eigenen Bundesland­es einschreib­en können. Dann wäre der föderale Flickentep­pich perfekt. Das alles hat der Beschluss vom Mittwoch verhindert – die Vernunft hat gesiegt.

BERICHT ABITURPRÜF­UNGEN TROTZ CORONA-KRISE, TITELSEITE

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