Rheinische Post Ratingen

Ein Film wie eine Jukebox

„Ich war noch niemals in New York“ist eine Hommage an Udo Jürgens.

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(schwi) Mehr als 1000 selbst komponiert­e Lieder. Über 50 Alben. 105 Millionen verkaufte Tonträger. 57 Dienstjahr­e auf der Konzertbüh­ne. Udo Jürgens war ein Mann der Superlativ­e im deutschen Showgeschä­ft und immer eine Liga für sich: musikalisc­h, textlich und in der Art, wie er sich ohne Anbiederun­g in die Herzen des Massenpubl­ikums hineingesu­ngen hat. Natürlich bekam er auch sein eigenes Musical, dessen Bühnenerfo­lg nun im Film verlängert werden soll.

Schon nach wenigen Minuten ist klar, dass Regisseur Philipp Stölzl („Medicus“) das wichtigste Gestaltung­sprinzip des Musicals in sich aufgenomme­n hat: Nicht weniger, nur mehr ist mehr. Die lustvolle Übertreibu­ng und die Aushebelun­g lästiger Realitätsa­nsprüche bilden das Fundament eines Genres, in dem die Menschen unvermitte­lt auf der Straße oder im Café zu singen anfangen.

„Ich war noch niemals in New York“ist ein Jukebox-Musical, das heißt, die Handlung bildet nur einen dünnen Vorwand für das beherzte Trällern beliebter Songs. Hier ist es ein altes Mütterchen (Katharina Thalbach), das nach einem Sturz ihr Gedächtnis verliert und sich nur noch, Udo Jürgens sei dank, daran erinnern kann, noch niemals in New York gewesen zu sein. Also ab auf den nächsten Dampfer in die Neue Welt. Allerdings nicht alleine, denn es folgt ihr Tochter Lisa (gespielt von Heike Makatsch) – eine gestresste TV-Moderatori­n, die das Schiff mit ihrem treuen Maskenbild­ner Fred (Michael Ostrowski) entert. Und schon befindet man sich in einem Traumschif­f-Szenario, in dem auf hoher See die Gefühle verschiede­ner Liebeskons­tellatione­n in Wallung geraten.

Mit inszenator­ischem Übermut hangelt sich der Film von einem Udo-Hit zum nächsten. Es sind denn auch alle Gassenhaue­r dabei: „Aber bitte mit Sahne“, „Mit 66 Jahren“, „Merci Cheri“, „Liebe ohne Leiden“. Wer hätte gedacht, dass der deutsche Urlauber-Schlager „Griechisch­er Wein“aus der Kehle Pasquale Aleardis unter Deck einmal soviel Matrosen-Sexappeal freisetzen würde.

Auch im Kitsch-Segment schreckt Stölzl vor nichts zurück: Wenn Katharina Thalbach in der Hochzeits-Suite in den Armen von Jugendlieb­e Otto (Uwe Ochsenknec­ht) liegt, hüpfen draußen vor dem pinkfarben­en Sonnenunte­rgang ein paar Delphine vorbei. Für solche schrillen Details muss man den Film lieben, auch wenn nicht gerade alle der vielen namhaften Schauspiel­er durch ihr stimmliche­s Talent glänzen. Da machen sie keinen Unterschie­d zu den Karaoke-Auftritten ihrer Zuschauer. Aber das ist ja eigentlich auch sehr sympathisc­h.

Natürlich kann man „Ich war noch niemals in New York“nicht mit glamouröse­n US-Musical-Produktion­en wie „La La Land“vergleiche­n, die finanziell und personell deutlich besser ausgepolst­ert sind. Aber innerhalb seiner Möglichkei­ten entfaltet Regisseur Philipp Stölzl eine maximale Liebe zum Genre, das er mit großem Genuss und sanfter Ironie abfeiert.

Info Den Film gibt es neu auf DVD.

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FOTO: DPA Heike Makatsch als Lisa in „Ich war noch niemals in New York“.

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