Wolfgang Prinz eckt an
Der Künstler aus Unterbach blickt auf sein Leben zurück. Bald wird er 80 und denkt noch lange nicht ans Aufhören.
UNTERBACH Ideen hat Wolfgang Prinz sein Leben lang gehabt. Manchmal verrückte, manchmal absurde, manchmal skurrile, meistens gute. Viele davon streitbar. „Wenn man nicht aneckt, dann spricht keiner über dich“, sagt Prinz. Er beugt sich hinter einen Stuhl, greift nach einem Kabel und schiebt den Stecker in die Steckdose. In der Mitte des Stuhls kreist plötzlich ein Rasierpinsel, drumherum sind auf dem Sitz kleine Stacheln monitert. Über der Lehne des Stuhls hängt ein Damenschlüpfer, auf dem kleine rote Punkte zu sehen sind. Der Stuhl verbindet ein wohlig angenehmes Gefühl mit dem Unangenehmen, Schmerzhaften. Ein streitbares Objekt, das Teil der „Erotic Art“-Ausstellung war, die Wolfgang Prinz gemacht hat. Wolfgang Prinz ist Künstler. Mit seiner Frau lebt er in einem Haus in Unterbach, das nicht nur Haus ist, sondern auch Galerie. Bald wird Prinz 80, und er sagt: „Es war ein super-geiles Leben.“
Wolfgang Prinz wollte Kunst machen, seit er denken kann. Sein Vater aber hatte andere Pläne. „,Lern was Anständiges’, hat er gesagt“, erzählt der 79-Jährige, der eine Ausbildung zum Kaufmann machte. Es waren andere Zeiten, und Prinz arbeitete als Kaufmann. Bis sein Vater starb. „An seinem Todestag habe ich gekündigt“, sagt Prinz, der ein Einrahmungsgeschäft an der Bahnstraße eröffnete. „Ich dachte, so komme ich der Kunst näher“, sagt Prinz, der nie Kunst studiert, nie ein Handwerk gelernt hat. Prinz ist Autodidakt, und am Anfang hat er sich für das, was er machte, geschämt. So sehr, dass er seine Bilder mit dem Pseudonym „Krämer“signierte.
Irgendwann kam der Tag, „als ich entdeckt wurde“, sagt Prinz. Ein Kölner Ehepaar kam in sein Rahmengeschäft, brachte ein Bild mit, das in Ölpapier eingewickelt war. Prinz fragte, ob er das Ölpapier benutzen kann, auf dem der Schöpfer des Werks seinen Pinsel abstrich. Er durfte es haben, auch wenn das Paar wenig Verständnis für die Idee des Unterbachers hatte, bis es gesehen hat, was Prinz mit ein bisschen Farbe und Blattgold aus dem Papier machte. „Der Mann rief bei der Zeitung an, plötzlich standen alle da, die RP, Schöner Wohnen“, sagt Prinz. Bald brauchte er den Krämer nicht mehr, seine Bilder unterschrieb er nun mit v.Wolf. „Ich bin der Wolfgang, die Bilder sind vom Wolf“, sagt der 79-Jährige. Das war 1978, „da war ich ganz oben“.
Wolfgang Prinz wollte seine Kunst zeigen, in einer eigenen Galerie. Erdgeschoss und Keller des Elternhauses seiner Frau baute Prinz um, die Räume hätte er auch vermieten können. „Aber ich wollte niemanden hier wohnen haben“, sagt Prinz, der manchmal auch die Ruhe schätzt. Freunde haben ihn für verrückt erklärt, eine Galerie in einer Wohnsiedlung in Unterbach, da kommt doch keiner hin. Doch die Leute kamen, „die erste Ausstellung 1989 war ein Riesenerfolg“. Prinz lud ein zu „Die weiße Nacht“, alle Gäste mussten in Weiß kommen, um 22 Uhr schaltete Prinz alte Diaprojektoren an und richtete sie auf die Besucher. „Alles war farbig.“Dann lud er ein zu „Die blaue Nacht“, und wer nichts Blaues hatte, der bekam am Eingang eine Mülltüte, in die Löcher für Kopf und Arme geschnitten waren. Sogar blaues Essen gab es an dem Abend. Die Promis gingen ein und aus in der Galerie Eichenwand, die Prinz nach der Straße benannt hat, in der er wohnt. Ingrid Steeger, Elmar Wepper, Monika Peitsch. Zehn, 15 Jahre ging das so, bis die Leute nur noch kamen, um Häppchen zu essen und Sekt zu trinken. „Sie sagten: ,Prinz, ich hab’ doch schon alles von dir’“, sagt der Künstler. Die Kasse blieb leer. Dann ging er raus, in die Stadtteile und die Nachbarstädte. „Da traf ich neue Leute, die in die Galerie kamen und kauften“, sagt Prinz, für den sich Ausstellungen in Schlössern und auf Märkten ausgezahlt haben. „Im Kopf bin ich eben immer noch Kaufmann.“
200 Bilder hängen in Unterbach in Prinz’ Atelier-Haus, viele davon sind in Blautönen gehalten und mit Gold verziert. Blau ist seine Lieblingsfarbe, die Themen nicht ganz so tiefgreifend. „Wenn ich etwas anfange, weiß ich meistens gar nicht, was daraus wird“, sagt Prinz, dem es immer um den Spaß ging, der sich immer ausleben, der aber nie im Vordergrund stehen wollte. „Ich arbeite gerne“, sagt Wolfgang Prinz, der bald 80 wird und nicht ans Aufhören denkt. Ideen sind noch viele da, genauso wie Pinsel und Leinwände, die im Keller stehen. „Mir ist egal, was noch kommt, ich will nur mit einem Bild in den Händen sterben“, sagt der Künstler.