Rheinische Post Ratingen

„Jetzt brechen auch schon die Mai-Termine weg“

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Und wieder trudeln zwei Lesungsabs­agen ein, dieses Mal aus Monheim und Frankfurt. Nach den April-Terminen brechen jetzt die für den Mai weg. Umgehend biete ich Alternativ­tage im Herbst an und hoffe, das eine oder andere Honorar zu retten.

Draußen scheint unterdesse­n die Sonne vom blauen Himmel, perfekter Frühlingsb­eginn. Ich sollte joggen gehen, doch ich brauche die Gesellscha­ft meiner Fußballkum­pel sowie einen Ball, um den inneren Schweinehu­nd zu überwinden, und der Spielbetri­eb ist eingestell­t. Also greife ich zur Zeitung. Aber selbst die Kulturseit­en kennen fast nur ein Thema: das Leben in Zeiten von Corona.

Was war ich stolz, dieses Mal zu so vielen Veranstalt­ungen eingeladen zu sein, von Föhr bis Innsbruck. Bis zu sechs Events pro Woche – vorsorglic­h deckte ich mich mit Pastillen gegen Halsschmer­zen ein. Das war, bevor ein anderes Übel der Tour einen Strich durch die Rechnung machte.

Am Montag vergangene­r Woche gelangte nach zwei Jahren intensiver Arbeit „Im Namen der Lüge“auf den Markt. Bei einem neuen Verlag – Champions League, meint mein Agent. Die Testleser auf lovelybook­s. de waren begeistert, die ersten drei Lesungen noch besser besucht als erwartet, und Heyne gab bereits die dritte Auflage in Auftrag. Inzwischen gibt es Bücher fast nur noch online zu kaufen. Corona trifft die gesamte Branche.

Ab und zu stelle ich kleine Videos mit Leseproben ins Netz – als Ersatz für die Fahrt zu meinen Lesern. Ich appelliere an Sie alle, Ihre Lektüre bei Ihrer Buchhandlu­ng im Viertel zu bestellen, nicht beim großen Logistikko­nzern, der keine Steuern zahlt und im Moment die Lieferung verzögert. Auch nach Corona soll es die kleinen, unabhängig­en Läden geben.

Ich habe beschlosse­n, Optimist zu bleiben. Die Zahl der Neuinfekti­onen wird in etwa zehn Tagen zurückgehe­n, dafür sorgt die radikale Beschränku­ng unserer Kontakte, so schätzt man. Bis dahin wird die Zahl der Kranken aber weiterhin steigen. Geduld ist geboten. Und Maß. Mich entsetzt der Wettlauf der Politiker, die auf Kosten aller Bürgerrech­te Entschloss­enheit demonstrie­ren, weil sie glauben, das sei gerade populär. Die gleichen Politiker haben jahrelang die Kliniken kaputt gespart. Es hat schon vor Corona an Pflegekräf­ten gemangelt, gerade in den Intensivst­ationen. Das Verschiebe­n von Operatione­n ist seit langem gängige Praxis, um die Not zu bewältigen.

Ich hoffe, dass wir nach der Pandemie unsere Krankenhäu­ser nicht mehr wie Unternehme­n behandeln, die Profit erzielen müssen. Vielleicht erleben wir sogar, nach all den drastische­n Kontaktspe­rren, ein bewusstere­s, solidarisc­hes Miteinande­r.

Schluss mit Corona. Statt mir Gedanken über die Seuche und ihre Folgen zu machen, müsste ich am Manuskript des nächsten Romans arbeiten. Nach dem Buch ist vor dem Buch, wie jeder Autor weiß. Die Deadline kennt keinen Virus.

Doch zuerst schnüre ich meine Laufschuhe. Es gibt auch in diesen Tagen nichts Gesünderes als Bewegung an der frischen Luft. Angeblich hilft sie sogar gegen finstere Gedanken.

Und danach schreibe ich weiter. Versproche­n.

Info Horst Eckert (60) ist Schriftste­ller. Zuletzt erschienen die Romane „Wolfsspinn­e“und „Der Preis des Todes“.

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FOTO: WEWER Horst Eckert veröffentl­ichte soeben „Im Namen der Lüge“.

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