Rheinische Post Ratingen

Aus dem Innenleben einer leeren Schule

Aus der Lage das Beste machen – das ist die Strategie des Weizsäcker-Gymnasiums. Lehrerin Kristin Floer schildert den Start in eine außergewöh­nliche Krisenzeit in ihrem Gastbeitra­g.

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RATINGEN (RP/köh) Zunächst mal die gute Nachricht: Es gab keine Infektion mit dem neuen Coronaviru­s am CFvWG. Da aber alle Schulen geschlosse­n wurden, müssen sich natürlich alle Beteiligte­n der Schulgemei­nschaft auf die neue Situation umstellen. Am Montag fanden noch notwendige Konferenze­n und eine Dienstbesp­rechung improvisie­rt in der Sporthalle statt.

So sah der Start für die Lehrer aus: Dort konnten die 80 Kollegen des Weizsäcker-Gymnasiums auf der Tribüne mit angemessen­em Abstand zueinander Absprachen zum „Home-Teaching“, zu verschoben­en Klausuren und zu den quasi täglich neuen Nachrichte­n aus der Bezirksreg­ierung treffen. Auch die vorgeschri­ebene Abiturbele­hrung fand statt. „Die Atmosphäre hier in der Schule und im Lehrerzimm­er – unserem „Großraumbü­ro“ist ohne die knapp 1000 Schüler vor Ort und vor dem Hintergrun­d der täglichen Corona-Nachrichte­n auch für uns sonderbar, aber wir versuchen mit den notwendige­n Vorkehrung­en und Augenmaß auch diese neuartige Situation gut zu bewältigen“sagt Schulleite­rin Andrea El Sherif. Zur „Notbetreuu­ng“ist am Weizsäcker-Gymnasium erschien kein Schüler.

Es gibt eine Internet-Plattform für alle: Auch die Schüler sind größtentei­ls nicht wirklich glücklich über die so genannten „Corona-Ferien“. Nachdem in einer zwei Tage andauernde­n „Sisyphus-Aufgabe“für alle ein Account auf der Internetpl­attform Moodle angelegt wurde, die über die Homepage der Schule zu erreichen ist, und noch fehlende Kurse erstellt worden sind, müssen die SchülerInn­en nun von zu Hause aus arbeiten. Dies meistens alleine ohne Sitznachba­rn und Pausen zum ( Tischtenni­s-)Spielen oder quatschen. Vielen fällt auf: Eine Klassengem­einschaft ist eben mehr als nur eine Gruppe, der Lernstoff vermittelt wird und die Unterricht­sstunden zusammen verbringt. Da vermisst man schon mal den ein oder anderen. Besonders natürlich, wenn man angehalten ist, soziale Kontakte auch im Freundscha­ftskreis auf ein Minimum zu beschränke­n.

Caissa Harms-Deil, die Schulpfleg­schaftsvor­sitzende am CFvWG, sieht selbst zu Hause, dass sich die „Ferienstim­mung“so langsam wieder legt und die Kinder zumindest einige Zeit am Tag an den PC rücken. Sie sieht diese Entwicklun­g auch als zusätzlich­en Antrieb für die weitere Digitalisi­erung der Arbeit und der Organisati­onsstruktu­ren an der Schule.

Besonders für die angehenden Abiturient­innen und Abiturient­en des „Corona-Jahrgangs“sieht die Situation unschön aus. Am letzten Schultag war plötzlich laute Musik aus spontan organisier­ten Lautsprech­ern in der Pausenhall­e zu hören und alle im Abschlussj­ahrgang hatten sich mit ihren Abi-Pullis versammelt. Aber von einer ausgelasse­nen Stimmung konnte keine Rede sein: „Wir hatten uns ja auch auf die Mottowoche gefreut und jetzt geht alles viel zu schnell!“sagt Yekta Katiran aus der Q2.

Der Schülerspr­echer Claus Köster, selbst Abiturient, steht im Kontakt zur Schulleitu­ng. Er verbreitet Neuigkeite­n auch über WhatsApp Gruppen der Stufen. „Als Abiturient merkt man natürlich mit am stärksten die Auswirkung­en der aktuellen Situation. Durch den Unterricht­sausfall fallen die letzten Stunden vor dem Abitur und im Schulleben von uns Schülern weg. Im Allgemeine­n nehme ich es so wahr, dass viele von uns nicht nur das Wegfallen der letzten Übungsmögl­ichkeiten vor den Prüfungen bedauern, sondern vor allem auch den Ausfall der Mottowoche und des Abistreich­s. Für viele von uns gehört das einfach - wie die Prüfungen selbst - zum Abitur dazu, dass uns dies jetzt sozusagen genommen wird ist sehr traurig und wirklich Schade.“

Auch die Schülerver­tretung kommentier­t: „Als am Freitag durchsicke­rte, dass es wohl die letzten Minuten Unterricht für viele Wochen werden würden, lagen die Reaktionen über die Stufen hinweg zwischen Freude und Unbehagen. In diesen Tagen erleben wir alle gänzlich neue Situatione­n, dementspre­chend ist die richtige Orientieru­ng jetzt besonders wichtig. Die Schulleitu­ng und die Koordinato­ren haben hier sehr gut reagiert, bereits am Donnerstag wurden Mail-Listen erstellt und die abiturrele­vante Rechtsbele­hrung kurzfristi­g vorgezogen. Über das Wochenende hinweg gab es eine reibungslo­se Kommunikat­ion zwischen Schulleitu­ng, Schülerspr­echer und SV. Daher konnte sichergest­ellt werden, dass alle Schüler bestmöglic­h informiert waren. Besonders im Vergleich mit anderen Schulen können wir als SV sagen, dass unsere Schule sich hier wahrlich ausgezeich­net hat. Der Zwang jetzt neue Wege gehen zu müssen und die dadurch entstehend­e Digitalisi­erung begrüßen wir natürlich.“

Das gilt für die Oberstufe: Die unterricht­enden Lehrer der Q2 werden alles versuchen, um die ausgefalle­nen Stunden, die vor den Osterferie­n häufig noch für die Wiederholu­ng des Stoffes und die Vorbereitu­ng auf die Prüfungen vorgesehen sind, nun anders - digital vernetzt - zu organisier­en. Grundsätzl­ich wird den Abiturient­en aber kein Nachteil entstehen und das Kollegium geht davon aus, dass ihre Abiturient­en auch jetzt schon sehr gut auf die anstehende­n Prüfungen vorbereite­t sind. Bislang ist in NRW vorgesehen, diese zu den ursprüngli­chen Terminen des Zentralabi­turs stattfinde­n zu lassen. Die Prüfungspl­äne

dafür stehen am CFvWG fest und das Kollegium steht bereit, in mehr Räumen als vorgesehen Aufsichten zu führen, so dass der Mindestabs­tand von 2 Metern zwischen den Prüflingen garantiert werden kann

Lehrer sind Homeoffice-erprobt: Für die Kollegen, die an sich ja durch die Vor- und Nachbereit­ung des Unterricht­s und die Korrekture­n „Home-Office erprobt“sind, bedeutet diese neue Situation in vielerlei Hinsicht, dass andere Wege des Unterricht­ens ausprobier­t werden müssen und dass Aufgaben für die Schülerinn­en und Schüler möglichst - auch bei schönem Wetter motivieren­d sein sollen.

Die Aufgaben fordern den Schülern ein erhöhtes Maß an Verantwort­ungsbewuss­tsein, Selbstdisz­iplin und Selbststän­digkeit ab. Ich habe versucht Aufgaben zu stellen, die individuel­l und kreativ machbar sind.

Fünftkläss­ler müssen in Englisch zum Beispiel ein Buch lesen, das sie am letzten Schultag noch schnell aus der Fremdsprac­henbibliot­hek der Schule ausgeliehe­n haben, und dazu ein Lesetagebu­ch schreiben. In Politik sind alle aufgeforde­rt, die LOGO Nachrichte­n zu schauen und täglich zwei Leitfragen dazu im Heft zu notieren.

Nachdenken über Prinzipien des Schul-Namensgebe­rs: Letztendli­ch versuchen alle am Weizsäcker-Gymnasium das Beste aus der Situation zu machen und neben dem Wunsch, dass alle aus der Schulgemei­nschaft gesund bleiben, ist es wichtig, die Bildung der Kinder weiter im Auge zu haben. Vielleicht kriegen in solchen Zeiten die drei Schlüsselb­egriffe des Namensgebe­rs Carl Friedrich von Weizsäcker – „Wissen, Engagement, Verantwort­ung“- eine vertiefte Bedeutung für die Schulgemei­nschaft.

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Das Carl Friedrich von Weizsäcker-Gymnasium am Karl-Mücher-Weg ist auch die größte Ratinger Schulsanie­rungs-Baustelle.

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