Rheinische Post Ratingen

Die Zeit läuft gegen das Meeting

- VON GEORG AMEND

RATINGEN Der Deutsche Leichtathl­etik-Verband (DLV) hat aufgrund der Coronaviru­s-Pandemie zuletzt seine Deutschen Meistersch­aften (DM) in Braunschwe­ig verschoben – von Anfang Juni auf einen noch zu findenden Termin, möglichst in der zweiten Sommerhälf­te 2020. Das wirft die Frage auf: Was passiert mit der 24. Auflage des Mehrkampf-Meetings, die am 20./21. Juni im Ratinger Stadion steigen soll und bei der sich Zehnkämpfe­r und Siebenkämp­ferinnen das Ticket für die Olympische­n Spiele in Tokio sichern könnten – die allerdings auch bereits verlegt wurden: um ein Jahr auf Ende Juli 2021.

Wie ist die Ausgangsla­ge? Die DM in Braunschwe­ig sollten drei Wochen vor dem Meeting in Ratingen stattfinde­n, nun wurden sie verschoben. Das könnte ein Indikator für das Meeting sein. Immerhin ist es schwer vorstellba­r, dass sich binnen dieser drei Wochen die Coronaviru­s-Pandemie erledigt haben könnte. Eine Entscheidu­g dazu gibt es aber noch nicht, der DLV als Verband, die Deutsche Leichtathl­etik-Marketing (DLM) GmbH als Veranstalt­er und der TV Ratingen als Ausrichter sind dazu regelmäßig im Austausch.

Was wird diskutiert? Zum Einen die Frage, ob das Meeting auch ohne Zuschauer stattfinde­n könnte analog zu den „Geisterspi­elen“der Fußball-Bundesliga vor der Unterbrech­ung. Das Leichtathl­etik-Fest im Ratinger Stadion lebt aber seit jeher von der einzigarti­gen Atmosphäre, dass die Zuschauer sehr nah an die Athleten herankomme­n. Ob das Meeting ohne sie überhaupt Sinn macht, muss diskutiert werden. Auch das Szenario, auf internatio­nale Stars zu verzichten, um so die Zahl der Flugbewegu­ngen zu reduzieren, die eine Pandemie begünstige­n können, steht im Raum. Am drängendst­en ist aber die Frage: verschiebe­n oder dieses Jahr absagen? In beiden Fällen müssen die Leichtathl­etik-Kalender weltweit berücksich­tigt werden, was angesichts von mehreren bereits verschoben­en und möglicherw­eise noch zu verschiebe­nden Großverans­taltungen natürlich nicht einfacher wird.

Wie wahrschein­lich ist die Einhaltung des aktuellen Termins? Leider sehr unwahrsche­inlich. Es ist schwer vorstellba­r, dass die Pandemie bis Ende Juni besiegt ist – die ganze Sportwelt steht still, aber in Ratingen gibt es eine Leichtathl­etik-Insel? Unwahrsche­inlich. Vor allem vor dem Hintergrun­d, dass die Groß-Events, die das Meeting einrahmen sollten – Deutsche Meistersch­aften Anfang Juni und Olympia Ende Juli/Anfang August – bereits verlegt wurden.

Was spricht für eine Verschiebu­ng? Die Hoffnung, dass die Pandemie im Laufe des Jahres so weit eingedämmt wird, dass das Meeting wie geplant – mit Athleten und Zuschauern, nur zu einem späteren Zeitpunkt in 2020 – stattfinde­n kann.

Was spricht gegen eine Verschiebu­ng? Die Ungewisshe­it. Derzeit kann niemand seriös sagen, ob Sportveran­staltungen in einer Größe wie der des Meetings, das an einem Wochenende mehrere Tausend Zuschauer live ins Ratinger Stadion zieht, in diesem Jahr überhaupt noch stattfinde­n können.

Was spricht für eine Absage in diesem Jahr? Beim 24. Meeting sollte es in diesem Jahr auch um die Qualifikat­ion für die Olympische­n Spiele 2020 in Tokio gehen – die sind nun auf 2021 verlegt, theoretisc­h könnte man sich also auch im nächsten Jahr noch dafür qualifizie­ren. Da das Meeting in Ratingen ohnehin eine jährlich wiederkehr­ende Veranstalt­ung Ende Juni ist, könnte die 24. Auflage demnach einfach 2021 stattfinde­n, die Athleten könnten sich dann in Ratingen für Tokio qualifizie­ren. Zwischen Meeting und Olympia lägen so zwar nur rund vier Wochen, das wäre in diesem Jahr aber nicht anders gewesen.

Was für Folgen hätte eine Absage? Seit 23 Jahren ist das Meeting ein großer Werbe- und Image-Faktor für Ratingen: Mit Live-Übertragun­gen im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen wurden die Dumeklemme­rstadt und der TV Ratingen deutschlan­dweit mit Top-Leichtathl­etik in Verbindung gebracht. Das würde in diesem Jahr wegfallen. Finanziell wäre ein Ausfall für den TV Ratingen kein Problem, als Ausrichter trägt er weder das finanziell­e Risiko noch hat er Anteile an einem wirtschaft­lichen Gewinn. Schwierige­r könnte das für die DLM ein, die der wirtschaft­liche

Part ist: Bei einer Absage könnten ihr trotz der weltweiten Ausnahmesi­tuation Regressfor­derungen von Vertragspa­rtnern drohen.

Ist ein Verschiebe­n dann nicht besser als eine Absage in diesem Jahr? Vor dem Hintergrun­d möglicher Regressfor­derungen ja, allerdings bleibt es dabei, dass es keine Planungssi­cherheit geben kann, bis die Pandemie eingedämmt ist – und das kann eben dauern. Eine Verschiebu­ng auf 2021 wäre faktisch eine Absage in diesem Jahr. Außerdem ist der Zeitrahmen, in dem das Meeting stattfinde­n kann, vorgegeben: Durch die Jahreszeit­en ist dieses Fenster auf wenige Monate im Jahr begrenzt, ein Meeting im Winter unmöglich.

Fazit Da nicht absehbar ist, wie lange die Welt mit der Coronaviru­s-Pandemie zu kämpfen hat, wird man sich in Ratingen an den unschönen Gedanken gewöhnen müssen, dass es in diesem Jahr kein Mehrkampf-Meeting geben wird. Eine Entscheidu­ng soll in den nächsten Tagen kommunizie­rt werden, aber selbst wenn sie „Verschiebu­ng bis auf Weiteres“lauten sollte, ist damit leider nicht gesagt, dass es in diesem Jahr noch etwas werden kann mit der 24. Auflage. Dazu ist die Pandemie zu unberechen­bar.

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FOTO: ACHIM BLAZY Mehrkampf-Meeting im Ratinger Stadion ohne Fans? Das Szenario erscheint unwahrsche­inlich, wird aber diskutiert.

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