Die Ostersaison fiel aus, doch für den Sommer hofft die Reisebranche auf etwas Geschäft. Inlandsziele und Ferienhäuser haben Chancen.
DÜSSELDORF So etwas hat Deutschland noch nie gesehen: Mehr als 200.000 Urlauber wurden per Luftbrücke in die Heimat geholt. Es gibt eine Reisewarnung für jedes Land. Innerdeutscher Tourismus ist unerwünscht. Die Ostersaison 2020 fand nicht statt. Die große Frage ist nun, wie es im Sommer und Herbst weitergeht. „Die Bürger haben eine große Urlaubssehnsucht, darum könnte es schon bald wieder einige Reisen geben“, sagt Martin Lohmann, Tourismusforscher aus Kiel. „Wir sehen ein hohes Interesse gerade an Urlaub im Herbst“, sagt ein Tui-Manager, „die Leute schauen sich unsere Online-Seiten intensiv an.“Viele Buchungen kommen aber nicht rein. „Die Leute sind sehr vorsichtig“, sagt Ute Dallmeier, Geschäftsführerin des First-Reisebüros in Mönchengladbach. „Keiner will sich auf ein Ziel festlegen, wohin er am Ende doch nicht fahren darf.“Ihr Rat: „Abwarten, alles hängt vom Verlauf der Corona-Krise ab.“
Wohin könnte es dieses Jahr noch in den Urlaub gehen? „Grundsätzlich werden Auslandsziele schwerer zu erreichen sein als Inlandsziele“, sagt Lohmann. „Für Juli und August kann niemand verlässliche Vorhersagen machen“, sagt EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Die Skepsis teilt Außenminister Heiko Maas: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann man keine Prognose darüber treffen, wie lange die Reisewarnung
aufrechterhalten wird. Solange es Ausgangssperren gibt in vielen Ländern, wird dort auch kein Urlaub zu machen sein.“Und er sagte der „Bild“: Sollten Bürger trotz der aktuellen Reisewarnung ihren Urlaub im Ausland antreten, würden sie im Ernstfall nicht erneut durch die Regierung zurückgeholt werden.
Dennoch hat die Reisebranche noch nicht aufgegeben. „Jetzt bereits die gesamte Sommersaison verloren zu geben, das würde ich für übertrieben halten“, sagt Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz. Aktuell sind Besuche an Nord- und Ostsee zwar unerwünscht, doch auf Dauer sind Touristen wieder willkommen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gibt sich bei Kontaktverboten wegen Corona zwar härter als andere, aber ein Ende des Tourismus im Freistaat will er keineswegs: „Wenn man das Infektionsgeschehen anderer Länder anschaut, ist der Urlaub
wohl besser in Deutschland zu machen.“Es gäbe „wundervolle Ziele“. Die Bayern Marketing GmbH erklärt: „Wir haben die Hoffnung, dass in der zweiten Jahreshälfte der Tourismus wieder an Fahrt gewinnt.“
Unternehmen und Länder versuchen Wege zu finden, um bei einer Entspannung der Lage einige Reisende anzulocken. In Spanien, dem populärsten Reiseland der Teutonen, schlägt die Tourismusministerin vor, am Strand nur mit zwei Metern Sicherheitsabstand zu liegen. Mallorca glaubt im August an eine Rückkehr des Tourismus, wie der balearische Tourismusminister Iago Negueruela laut „Mallorca Zeitung“sagte. Die Zentralregierung lehnt eine schnelle Lockerung aber ab. In Italien wird erwogen, Acrylglaswände zwischen Urlaubergruppen am Strand aufzustellen. Für ein ungetrübtes Erlebnis führt der Tourismusverband Kufsteinerland (Tirol) ab sofort eine Umbuchungsgarantie für Anreisen bis 15. November 2020 ein. Sollte die Reise doch nicht angetreten werden können, kann man bis eine Woche vor dem Urlaub kostenlos zurücktreten und erhält einen Gutschein über die Anzahlung. Dieser kann im gleichen Betrieb für eine neue Buchung genutzt werden.
Ähnlich gehen Lufthansa, Eurowings
oder Tuifly vor: Wer jetzt einen Flug bucht, kann später kostenlos oder zu niedrigen Kosten auf einen anderen Termin umbuchen. „Damit nehmen wir den Kunden die Sorge, sie könnten sich nicht mehr umentscheiden“, sagt ein Sprecher von Eurowings. Faktisch ist dieses Angebot eine Preissenkung, weil Kunden ein Discountticket etwa für den Spätsommer oder Herbst in Südspanien oder Griechenland buchen können, doch sie können zu diesem Ziel so frei umbuchen, als ob sie ein viel teureres Ticket gekauft hätten.
Auch jetzt gebuchte Pauschalreisen sind immer häufiger flexibel umzubuchen. Die Branche hatte sich selbst beschädigt, als sie darauf drängte, geplatzte Pauschalreisen zu Ostern unbedingt mit Gutscheinen entschädigen zu wollen. Nun bieten die Firmen im Notfall zwar doch Bargeld als Erstattung an, doch die Kunden halten sich sehr zurück.
Wegen leerer Hotels und Flugzeuge ist nun mit vielen Schnäppchen zu rechnen, falls wichtige Reiseländer wie Italien, Türkei oder Spanien doch wieder öffnen. „Viele Hotels werden in den nächsten Monaten ihre Preise herabsetzen, damit potentielle Kunden zu ihnen und nicht ins Nachbarhotel gehen“, prognostiziert Marek Andryszak, Chef von Tui Deutschland. Das Unternehmen spricht mit Regierungen und Hotels im Mittelmeerraum über den Neustart im Sommer. Da hält Andryszak es für gut möglich, in den Hotelrestaurants auf Büffets zu verzichten, In den ohnehin unausgelasteten Jets könne man erst mal nur die Fenster und Gangplätze besetzen. Ob das alles klappt, ist keineswegs sicher. Familienvater Andryszak hat über seinen Arbeitgeber für den Sommer nun ein Ferienhaus in seiner Heimat Polen gebucht. Tourismusforscher Lohmann sagt: „Ferienwohnungen und Häuser, die per Auto erreichbar sind,werden dieses Jahr sicher besonders begehrt sein.“