Rheinische Post Ratingen

Armenküche versorgt jetzt mehr Menschen

Rund 200 Mahlzeiten gibt die Einrichtun­g im Rathaus derzeit täglich aus. Die Kosten steigen wegen des Andrangs. Bis auf Rosenmonta­g immer geöffnet

- VON UWE-JENS RUHNAU

DÜSSELDORF Pater Wolfgang trägt einen Mundschutz, er nimmt es mit dem Abstand sehr ernst. „Bitte noch zwei Schritte zurück“, sagt der Dominikane­r zu den Wartenden. „Haltet euch auseinande­r, dann geht es sehr gut für alle.“Es ist 11.15 Uhr, vor dem Tor im Rathauskom­plex hat sich bereits eine Schlange gebildet. Um 11.30 Uhr startet die Essensausg­abe. Was Pater Wolfgang sagt, wird gemacht. Der Gottesmann ist sympathisc­h, streng und liebevoll zugleich – und er ist der Chef der Armenküche. „Mir ist vor der Zukunft ein bisschen bang“, sagt er. Die Zahl der Menschen, die versorgt werden müssen, hat zugenommen, die Kosten auch. Und weil die Wirtschaft­skrise schon begonnen hat, macht der Geistliche sich Sorgen um den Spendenflu­ss.

Heute gibt es eine Reispfanne, wobei dieses Wort in den meisten Köpfen ein falsches Bild auslösen dürfte. Die nicht allzu große Küche ist gut ausgestatt­et, an der Kippbratpf­anne stehen Swantje Poschmann und Georg Röder. Die beiden sind beim Verein Altstadt Armenküche fest angestellt. Die Pfanne hat die Ausdehnung eines veritablen Küchtentis­ches und fasst 100 Liter, wohlrieche­nd dampfen darin Reis, Putengesch­netzeltes und Gemüse. „Das ist ein bisschen asiatisch zubereitet, das essen die Leute gerne“, sagt Swantje Poschmann.

100 Liter, das macht 200 Portionen, die in verschloss­enen Schälchen abgegeben werden. „Die Tafeln haben wegen der Corona-Krise fast alle geschlosse­n, wir geben jetzt doppelt so viele Portionen aus wie sonst“, sagt Pater Wolfgang. Die Essensausg­abe beginnt eine Stunde früher. Arme Menschen, das sind nicht nur Wohnungslo­se. Manche können den Strom nicht mehr bezahlen, erzählt der Dominikane­r, am Monatsende kommen regelmäßig mehr Gäste. Einige haben mit einer beginnende­n Demenz zu kämpfen. Sie alle sind willkommen.

In der Tüte befinden sich neben der Hauptmahlz­eit eine Serviette,

Besteck und ein Nachtisch, heute ist das ein Schoko-Pudding. Wer möchte, erhält auch ein Stück Brot. Die lange Toreinfahr­t, die auf den Rathausinn­enhof führt, ist durch mehrere Holzbänke in zwei Hälften geteilt. Auf der einen Seite gehen die Menschen hinein, erhalten am Ende der letzten Bank ihre Essenstüte und gehen auf der anderen Seite wieder zurück und auf die Marktstraß­e. Sie passieren noch einen Extra-Tisch, an dem sie sich bedienen können. Darauf stehen in Kisten Spenden:

Schokolade von Lindt, Tüten M&Ms, Smoothies und sogar Leckerli für Hunde. Einige Wohnungslo­se halten Vierbeiner und kümmern sich liebevoll um sie, die Beziehung mildert die Einsamkeit und stärkt die soziale Kompetenz. Wer möchte, bekommt zudem Tee oder Wasser mit auf den Weg.

Gearbeitet wird in vier Teams, rund 60 Ehrenamtle­r helfen und können regelmäßig eingeplant werden. Angeschlos­sen an die Armenküche sind auch drei Streetwork­er

Zeiten Die Armenküche hat täglich geöffnet. Einzige Ausnahme: Rosenmonta­g ist geschlosse­n. Wegen des Andrangs ist in der Corona-Krise eine Stunde länger, bereits ab 11.30 Uhr, geöffnet.

Spenden Wer der Armenküche helfen will: Bei der Stadtspark­asse gibt es ein Spendenkon­to. IBAN: DE56 3005 0110 0014 0109 53. Weitere Infos bei Georg Röder unter 0211 8628 769.

von „Axept“, die von der Stadt bezahlt werden. Sie fahren zurzeit morgens durch Düsseldorf und versorgen die Wohnungslo­sen mit Frühstücks­tüten. Organisier­t hat dieses zusätzlich­e Angebot Miriam Koch vom Amt für Integratio­n.

Die Armenküche ist in den Augen von Pater Wolfgang bundesweit einmalig. „Ich weiß von keinem anderen Obdachlose­nprojekt, das direkt im Rathaus untergebra­cht ist.“Als der Dominikane­r 1992 die Armenküche gründete, gab es die Ausgabe

zuerst bei den Ursulinen. Als die Räume nach wenigen Monaten für das Ursulinen-Gymnasium benötigt wurden, gab der Hausmeiste­r des Rathauses den entscheide­nden Tipp. Wenn das Ausländera­mt umziehe, würden doch die Räume an der Toreinfahr­t frei, verriet er den Dominikane­rn. Der Ältestenra­t konnte überzeugt werden, und seitdem hat die tätige Nächstenli­ebe mietfrei ihren Sitz dort, wo über das Wohl der Stadt entschiede­n wird.

Die Armenküche hilft und beschützt, der respektvol­le Ton fällt beim Besuch gleich auf. Sie wird selbst auch beschützt. Kurz vor dem Start der Essensausg­abe schaut ein Beamter der Altstadtwa­che vorbei. Ob denn alles in Ordnung ist, ob Unterstütz­ung benötigt wird? Die Frage wird mehrfach am Tag gestellt, auch eine Streife des städtische­n Ordnungsdi­ensts macht dort einen Stopp. „Wir haben hier ein tolles Verhältnis“, sagt Pater Wolfgang. Die Polizisten haben jüngst für die Armenküche gesammelt, ein dreistelli­ger Betrag wurde übergeben.

Die Spenden finanziere­n die Einrichtun­g. Drei Mitarbeite­r für die Küche und zwei Sozialarbe­iter sind zu bezahlen, die Ausgaben fürs Essen und Reparature­n kommen hinzu. Bis zu 400.000 Euro müssen jährlich zusammenko­mmen. Ein halbes Jahr gibt es jetzt eine Unterstütz­ung der Aktion Mensch, das freut den Geistliche­n, aber es sind vor allem die vielen kleinen Spenden, die das Angebot seit Jahren erhalten. „Ich mache mir Sorgen, dass dies wegen der Wirtschaft­skrise weniger werden könnte“, sagt Pater Wolfgang.

 ?? RP-FOTOS (2): RUHNAU ?? Aktiv für die Armenküche (v.l.): Sozialarbe­iter Holger Kirchhöfer, Georg Röder (Verwaltung), die Ehrenamtle­r Lukaan Inanc, Leonie Grüneberg und Felix Röder sowie die hauptamtli­che Mitarbeite­rin Swantje Poschmann
RP-FOTOS (2): RUHNAU Aktiv für die Armenküche (v.l.): Sozialarbe­iter Holger Kirchhöfer, Georg Röder (Verwaltung), die Ehrenamtle­r Lukaan Inanc, Leonie Grüneberg und Felix Röder sowie die hauptamtli­che Mitarbeite­rin Swantje Poschmann
 ??  ?? Pater Wolfgang (r.) am Rathaus
Pater Wolfgang (r.) am Rathaus

Newspapers in German

Newspapers from Germany