Rheinische Post Ratingen

Niemals vergessen

Auch in der Corona-Krise braucht es das Gedenken an das Ende des 2. Weltkriege­s.

- Der rheinische Präses Manfred Rekowski schreibt hier einmal im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

Diese Corona-Wochen entfalten, so scheint es, ihre eigene Zeitrechnu­ng: Tag X der Kontaktmin­imierung, Tag Y der Lockerung. Aber auch in diesen verrückten Zeiten stehen wichtige Erinnerung­stage im Kalender. In 14 Tagen jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Gewaltherr­schaft zum 75. Mal.

„Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenve­rachtenden System der nationalso­zialistisc­hen Gewaltherr­schaft.“Dieser Satz stammt aus der bemerkensw­erten Gedenkrede des damaligen Bundespräs­identen Richard von Weizsäcker. Er hielt sie bei der Feierstund­e

zum 40. Jahrestag im Bundestag. Weizsäcker­s Satz über das Ende des 2. Weltkriege­s wurde 1985 viel diskutiert. Damals waren die Bilder der Ermordeten und Gefallenen, der Verwundete­n und Traumatisi­erten, der Vertrieben­en und der Leidenden noch lebendig in den Erinnerung­en der Zeitzeugen. Sie waren noch nicht so verblasst wie heute. Umso wichtiger ist es mir, dass dieser Gedenktag in diesem Jahr nicht in den berechtigt­en Sorgen und Nöten der Corona-Pandemie untergeht.

Ich bin kein Zeitzeuge. Ich bin Nachgebore­ner. Aber ich lasse mich an die Verantwort­ung aus der Geschichte erinnern: Wir sind befreit worden von

Verachtung, Ausgrenzun­g und Nationalis­mus. Und wir sind befreit worden zu Empathie, Solidaritä­t, Mitmenschl­ichkeit – als Christ nenne ich es Nächstenli­ebe – und Weltverant­wortung.

Diese Werte konkret zu leben, ist alles andere als einfach. Aber gerade diese herausford­ernden Corona-Zeiten machen deutlich, wie gut es ist, wenn wir dem eine lebendige Gestalt geben, wozu wir befreit worden sind: um Gottes und der Menschen willen.

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