Ein Krankenhaus im Corona-Modus
Unsere Redaktion konnte einen Blick in das Benrather Sana-Krankenhaus werfen, das für Besucher gerade geschlossen ist.
BENRATH Menschen wie Heike Fleck sind in Krisenzeiten wichtig: besonnen, dabei immer optimistisch, fachlich auf einem Top-Level – und dann noch das Herz am richtigen Fleck. Die 56-jährige Krankenpflegerin hat mit der Corona-Pandemie im Benrather Sana-Krankenhaus die Leitung der Station übernommen, auf der die Menschen behandelt werden, die mit Covid19 infiziert sind oder bei denen es sich um einen Verdachtsfall handelt. Seit 38 Jahren arbeitet sie in ihrem Job, seit 28 in Benrath, davon 27 Jahre in leitender Position. „Ich liebe meinen Job und kann mir keinen anderen vorstellen“, sagt sie. Daran hat auch die Ausnahmesituation nichts geändert.
Schon seit Beginn der Krise wurden Corona-Patienten nach Benrath eingeliefert. „Wir waren mit der Uni-Klinik eines der ersten Häuser in Düsseldorf, die Covid19-Patienten hatten“, sagt Dr. Hubert Parys, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses und Leiter der Intensivstation. Die erste Corona-Krisensitzung mit seinem Team hatte er am 28. Februar. Zurückblickend kann Parys sagen, dass vieles von dem, was die Fachleute damals erörtert hätten, eingetreten sei. Anders als in Italien oder Spanien, den Ländern mit überdurchschnittlich vielen Corona-Toten, sind die deutschen Krankenhäuser bislang nicht überrollt worden. „Wir haben in Deutschland eine viel höhere Zahl an Intensivbetten und Beatmungsgeräten, und wir hatten mehr Zeit zum Handeln“, sagt Parys.
Das Unternehmen ist der drittgrößte private Klinikbetreiber des Landes. Das hat den Vorteil, dass man auch beim Einkauf von Schutzmasken und -kleidung ganz anders auftreten kann als kleine Klinikbetreiber. „Wir hatten bislang keinen Engpass“, sagt Michael Weckmann, Geschäftsführer der Sana-Standorte Benrath und Gerresheim.
Seit der Corona-Pandemie ist im Benrather Krankenhaus alles anders. Besucher werden an der Eingangspforte darauf hingewiesen, dass sie keinen Zutritt mehr haben. Das Haus ist in zwei Bereiche aufgeteilt: In den Bereich für Corona-Patienten. Und in den, in dem vieles so weit eben möglich wie gewohnt läuft, wie auf der Geburtenstation. In dieser Woche holte Hebamme Dominique mit ihrem Team der Abteilung acht Kinder auf die Welt. Auch Väter dürfen weiter bei der Geburt dabei sein. „Wenn die werdenden Eltern zum Entbinden zu uns kommen, erhalten sie einen Fragebogen zu möglichen Corona-Anzeichen und wir messen zudem die
Temperatur“, erzählt die Hebamme, die seit März die Leitung der Geburtshelfer hat.
Unterteilt ist auch die Zentrale Notfallambulanz, die Dreh- und Angelpunkt des Krankenhauses ist, in Bereiche für Patienten mit und ohne Corona-Verdacht. Flatterbänder, rote Markierungen und „Nicht-Betreten-Aufkleber“geben den Ton an. Die Ambulanz leitet Ulrike König, die die Abteilung mit aufgebaut hat. Hier kommen alle Fälle an, die angekündigt mit Kranken- und Rettungswagen eingeliefert werden. Ist es jemand mit Covid19-Verdacht, wird ein Test gemacht. Ein valides Ergebnis gibt es erst nach 24 bis 48 Stunden. Kommt der Patient mit Atembeschwerden, kann direkt geröngt oder ein CT gemacht werden. Da das Virus auf Lunge und Nieren schlägt, kann man da schon eine erste Prognose stellen.
Die Station im vierten Stock, früher eine Privatstation, ist in eine eigene Covid-Station mit Isolierbereich umgewandelt worden. 14 Betten gibt es dort. Belegt sind aktuell elf, einige Patienten müssen beatmet werden. Ein älterer Patient mit Vorerkrankungen hat die Lungenkrankheit nicht überlebt, einer ist genesen. „An den Zuweisungszahlen konnten wir ablesen, dass die von der Politik beschlossenen Einschränkungen Wirkung im Kampf gegen das Virus gezeigt haben“, erläutert Geschäftsführer Weckmann.
Heute Morgen ist ein älterer Mann mit Herzbeschwerden eingeliefert worden. Er wirkt, als sei ihm mulmig davor, ins Krankenhaus zu müssen. „Wir bemerken, dass viel weniger Patienten kommen“, erläutert Weckmann. Ein Nebeneffekt der
Corona-Pandemie, der vielen Erkrankten mit Herz-Kreislaufproblemen oder Schlaganfällen noch das Leben kosten könnte. „Durch die strikte Trennung der Bereiche stellt es für uns kein Problem dar, alle zu versorgen“, sagt Internistin König und wirbt dafür, schwerwiegende Gesundheitsbeschwerden nicht zu ignorieren, sondern sich in Behandlung zu begeben. Um fast 50 Prozent habe sich das Aufkommen in den Wochen des Lockdowns in der Notfall-Ambulanz verringert, sagt König. In der ersten Woche der Lockerungen seien es noch 30 Prozent weniger als früher.
Wie viele Virologen treibt auch die Mediziner im Krankenhaus die Sorge über eine zweite Infektionswelle um. In kleinen Schritten soll in den kommenden Tagen – folgend den Vorgaben von Gesundheitsminister
Jens Spahn – das Krankenhaus ein stückweit hochgefahren werden. Seit Beginn der Pandemie wurden Eingriffe wie Hüft- und Knie- sowie Krebs-OP verschoben. „Wir werden erstmal Operationen ansetzen, die medizinisch dringend geboten sind, von denen wir aber ausgehen, dass keine großen Komplikationen zu erwarten sind“, erläutert der Ärztliche Direktor, Hubert Parys. Er ist sicher, dass das Krankenhaus bei einer zweiten Welle innerhalb von 48 Stunden wieder auf Covid-Modus umstellen kann.
Die Betreuung der Patienten auf der Corona-Station ist zeit-und arbeitsintensiv. Eine Pflegekraft komme auf einen Erkrankten, sagt Stationsleiterin Fleck. Dazu kommt, dass die Zimmer nur in Schutzkleidung betreten werden. Für die 56-Jährige, die im Haus seit 25 Jahren Hygienebeauftragte
ist, hat das schon immer zu ihrer Arbeit gehört: „Wir arbeiten ja auch mit Patienten, die beispielsweise einen multiresistenten Keim haben.“Zuvor hatte Fleck die Stationsleitung über die chirurgische Abteilung inne. Doch da die Betten seit rund acht Wochen bewusst frei bleiben müssen, ist sie dahin gewechselt, wo sie dringend gebraucht wird. Natürlich, sagt sie, habe es Kollegen gegeben, die Ängste und Sorgen vor einer Ansteckung hatten. Für sie habe von Anfang an festgestanden, dass sie das machen werde. „Ich wollte mit gutem Beispiel voran gehen.“Damit hat sie ihr Team überzeugt. Ein Teil ihres Jobs ist es nun, genau zu schauen, dass alle Hygienevorschriften eingehalten werden. „Ein Zeichen, dass wir unsere Arbeit richtig gut machen, ist doch, dass wir unter den Mitarbeitern in Benrath noch keinen einzigen Verdachtsfall hatten.“Natürlich sagt sie, sei es gerade nicht so einfach, wenn sie mit Menschen außerhalb des Krankenhauses zusammentreffe. „Dabei ist es so, dass wir das Virus nicht aus dem Krankenhaus mit nach Hause bringen, sondern die Menschen es von außen zu uns reinbringen.“Sie wünscht sich deshalb, dass die Menschen draußen weiter vorsichtig bleiben. „Die Isoliereinheit hier mit den 14 Betten können wir gut händeln“, sagt sie. Aber was wäre, wenn die Kapazität aufgestockt werden müsste? Auch das haben Weckmann und seine Kollegen durchgeplant. Für eine mögliche Erweiterung der Beatmungsplätze hat das DRK drei Beatmungsgeräte zur Verfügung gestellt.
Mit Sorge beobachtet Weckmann auch die wirtschaftliche Entwicklung. Die Einnahmeausfälle der Kliniken sollen durch das Ende März beschlossene Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz aufgefangen werden, wonach Kliniken 560 Euro pro Tag und pro Bett als „Leerstandspauschale“erhalten. Bis September läuft der Rettungsschirm des Bundes für Kliniken, doch wie es finanziell dann weiter geht, weiß derzeit keiner. Zurzeit wird nach Fallpauschalen bezahlt. Wenn die Krankenhäuser auf längere Zeit nicht in ihren Normalbetrieb werden zurückkehren können, wie soll das deutsche Gesundheitssystem, auf das viele europäische Nachbarn gerade mit Neid schauen, seinen Standard halten? „Es steht zu vermuten, dass dieser Rettungsschirm nicht so gespannt ist, dass das, was wegbricht, eins zu eins ersetzt werden wird“, vermutet Weckmann.
Stationsleiterin Heike Fleck hat – ihrer Profession entsprechend – vor allem das Wohl der ihr anvertrauten Menschen im Blick. Eine Arbeit, die selten als so wichtig erachtet wurde, wie in der jetzigen Krise.