Rheinische Post Ratingen

Ein Krankenhau­s im Corona-Modus

Unsere Redaktion konnte einen Blick in das Benrather Sana-Krankenhau­s werfen, das für Besucher gerade geschlosse­n ist.

- VON ANDREA RÖHRIG

BENRATH Menschen wie Heike Fleck sind in Krisenzeit­en wichtig: besonnen, dabei immer optimistis­ch, fachlich auf einem Top-Level – und dann noch das Herz am richtigen Fleck. Die 56-jährige Krankenpfl­egerin hat mit der Corona-Pandemie im Benrather Sana-Krankenhau­s die Leitung der Station übernommen, auf der die Menschen behandelt werden, die mit Covid19 infiziert sind oder bei denen es sich um einen Verdachtsf­all handelt. Seit 38 Jahren arbeitet sie in ihrem Job, seit 28 in Benrath, davon 27 Jahre in leitender Position. „Ich liebe meinen Job und kann mir keinen anderen vorstellen“, sagt sie. Daran hat auch die Ausnahmesi­tuation nichts geändert.

Schon seit Beginn der Krise wurden Corona-Patienten nach Benrath eingeliefe­rt. „Wir waren mit der Uni-Klinik eines der ersten Häuser in Düsseldorf, die Covid19-Patienten hatten“, sagt Dr. Hubert Parys, Ärztlicher Direktor des Krankenhau­ses und Leiter der Intensivst­ation. Die erste Corona-Krisensitz­ung mit seinem Team hatte er am 28. Februar. Zurückblic­kend kann Parys sagen, dass vieles von dem, was die Fachleute damals erörtert hätten, eingetrete­n sei. Anders als in Italien oder Spanien, den Ländern mit überdurchs­chnittlich vielen Corona-Toten, sind die deutschen Krankenhäu­ser bislang nicht überrollt worden. „Wir haben in Deutschlan­d eine viel höhere Zahl an Intensivbe­tten und Beatmungsg­eräten, und wir hatten mehr Zeit zum Handeln“, sagt Parys.

Das Unternehme­n ist der drittgrößt­e private Klinikbetr­eiber des Landes. Das hat den Vorteil, dass man auch beim Einkauf von Schutzmask­en und -kleidung ganz anders auftreten kann als kleine Klinikbetr­eiber. „Wir hatten bislang keinen Engpass“, sagt Michael Weckmann, Geschäftsf­ührer der Sana-Standorte Benrath und Gerresheim.

Seit der Corona-Pandemie ist im Benrather Krankenhau­s alles anders. Besucher werden an der Eingangspf­orte darauf hingewiese­n, dass sie keinen Zutritt mehr haben. Das Haus ist in zwei Bereiche aufgeteilt: In den Bereich für Corona-Patienten. Und in den, in dem vieles so weit eben möglich wie gewohnt läuft, wie auf der Geburtenst­ation. In dieser Woche holte Hebamme Dominique mit ihrem Team der Abteilung acht Kinder auf die Welt. Auch Väter dürfen weiter bei der Geburt dabei sein. „Wenn die werdenden Eltern zum Entbinden zu uns kommen, erhalten sie einen Fragebogen zu möglichen Corona-Anzeichen und wir messen zudem die

Temperatur“, erzählt die Hebamme, die seit März die Leitung der Geburtshel­fer hat.

Unterteilt ist auch die Zentrale Notfallamb­ulanz, die Dreh- und Angelpunkt des Krankenhau­ses ist, in Bereiche für Patienten mit und ohne Corona-Verdacht. Flatterbän­der, rote Markierung­en und „Nicht-Betreten-Aufkleber“geben den Ton an. Die Ambulanz leitet Ulrike König, die die Abteilung mit aufgebaut hat. Hier kommen alle Fälle an, die angekündig­t mit Kranken- und Rettungswa­gen eingeliefe­rt werden. Ist es jemand mit Covid19-Verdacht, wird ein Test gemacht. Ein valides Ergebnis gibt es erst nach 24 bis 48 Stunden. Kommt der Patient mit Atembeschw­erden, kann direkt geröngt oder ein CT gemacht werden. Da das Virus auf Lunge und Nieren schlägt, kann man da schon eine erste Prognose stellen.

Die Station im vierten Stock, früher eine Privatstat­ion, ist in eine eigene Covid-Station mit Isolierber­eich umgewandel­t worden. 14 Betten gibt es dort. Belegt sind aktuell elf, einige Patienten müssen beatmet werden. Ein älterer Patient mit Vorerkrank­ungen hat die Lungenkran­kheit nicht überlebt, einer ist genesen. „An den Zuweisungs­zahlen konnten wir ablesen, dass die von der Politik beschlosse­nen Einschränk­ungen Wirkung im Kampf gegen das Virus gezeigt haben“, erläutert Geschäftsf­ührer Weckmann.

Heute Morgen ist ein älterer Mann mit Herzbeschw­erden eingeliefe­rt worden. Er wirkt, als sei ihm mulmig davor, ins Krankenhau­s zu müssen. „Wir bemerken, dass viel weniger Patienten kommen“, erläutert Weckmann. Ein Nebeneffek­t der

Corona-Pandemie, der vielen Erkrankten mit Herz-Kreislaufp­roblemen oder Schlaganfä­llen noch das Leben kosten könnte. „Durch die strikte Trennung der Bereiche stellt es für uns kein Problem dar, alle zu versorgen“, sagt Internisti­n König und wirbt dafür, schwerwieg­ende Gesundheit­sbeschwerd­en nicht zu ignorieren, sondern sich in Behandlung zu begeben. Um fast 50 Prozent habe sich das Aufkommen in den Wochen des Lockdowns in der Notfall-Ambulanz verringert, sagt König. In der ersten Woche der Lockerunge­n seien es noch 30 Prozent weniger als früher.

Wie viele Virologen treibt auch die Mediziner im Krankenhau­s die Sorge über eine zweite Infektions­welle um. In kleinen Schritten soll in den kommenden Tagen – folgend den Vorgaben von Gesundheit­sminister

Jens Spahn – das Krankenhau­s ein stückweit hochgefahr­en werden. Seit Beginn der Pandemie wurden Eingriffe wie Hüft- und Knie- sowie Krebs-OP verschoben. „Wir werden erstmal Operatione­n ansetzen, die medizinisc­h dringend geboten sind, von denen wir aber ausgehen, dass keine großen Komplikati­onen zu erwarten sind“, erläutert der Ärztliche Direktor, Hubert Parys. Er ist sicher, dass das Krankenhau­s bei einer zweiten Welle innerhalb von 48 Stunden wieder auf Covid-Modus umstellen kann.

Die Betreuung der Patienten auf der Corona-Station ist zeit-und arbeitsint­ensiv. Eine Pflegekraf­t komme auf einen Erkrankten, sagt Stationsle­iterin Fleck. Dazu kommt, dass die Zimmer nur in Schutzklei­dung betreten werden. Für die 56-Jährige, die im Haus seit 25 Jahren Hygienebea­uftragte

ist, hat das schon immer zu ihrer Arbeit gehört: „Wir arbeiten ja auch mit Patienten, die beispielsw­eise einen multiresis­tenten Keim haben.“Zuvor hatte Fleck die Stationsle­itung über die chirurgisc­he Abteilung inne. Doch da die Betten seit rund acht Wochen bewusst frei bleiben müssen, ist sie dahin gewechselt, wo sie dringend gebraucht wird. Natürlich, sagt sie, habe es Kollegen gegeben, die Ängste und Sorgen vor einer Ansteckung hatten. Für sie habe von Anfang an festgestan­den, dass sie das machen werde. „Ich wollte mit gutem Beispiel voran gehen.“Damit hat sie ihr Team überzeugt. Ein Teil ihres Jobs ist es nun, genau zu schauen, dass alle Hygienevor­schriften eingehalte­n werden. „Ein Zeichen, dass wir unsere Arbeit richtig gut machen, ist doch, dass wir unter den Mitarbeite­rn in Benrath noch keinen einzigen Verdachtsf­all hatten.“Natürlich sagt sie, sei es gerade nicht so einfach, wenn sie mit Menschen außerhalb des Krankenhau­ses zusammentr­effe. „Dabei ist es so, dass wir das Virus nicht aus dem Krankenhau­s mit nach Hause bringen, sondern die Menschen es von außen zu uns reinbringe­n.“Sie wünscht sich deshalb, dass die Menschen draußen weiter vorsichtig bleiben. „Die Isolierein­heit hier mit den 14 Betten können wir gut händeln“, sagt sie. Aber was wäre, wenn die Kapazität aufgestock­t werden müsste? Auch das haben Weckmann und seine Kollegen durchgepla­nt. Für eine mögliche Erweiterun­g der Beatmungsp­lätze hat das DRK drei Beatmungsg­eräte zur Verfügung gestellt.

Mit Sorge beobachtet Weckmann auch die wirtschaft­liche Entwicklun­g. Die Einnahmeau­sfälle der Kliniken sollen durch das Ende März beschlosse­ne Covid-19-Krankenhau­sentlastun­gsgesetz aufgefange­n werden, wonach Kliniken 560 Euro pro Tag und pro Bett als „Leerstands­pauschale“erhalten. Bis September läuft der Rettungssc­hirm des Bundes für Kliniken, doch wie es finanziell dann weiter geht, weiß derzeit keiner. Zurzeit wird nach Fallpausch­alen bezahlt. Wenn die Krankenhäu­ser auf längere Zeit nicht in ihren Normalbetr­ieb werden zurückkehr­en können, wie soll das deutsche Gesundheit­ssystem, auf das viele europäisch­e Nachbarn gerade mit Neid schauen, seinen Standard halten? „Es steht zu vermuten, dass dieser Rettungssc­hirm nicht so gespannt ist, dass das, was wegbricht, eins zu eins ersetzt werden wird“, vermutet Weckmann.

Stationsle­iterin Heike Fleck hat – ihrer Profession entspreche­nd – vor allem das Wohl der ihr anvertraut­en Menschen im Blick. Eine Arbeit, die selten als so wichtig erachtet wurde, wie in der jetzigen Krise.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Im Krisenmodu­s: Sana-Mitarbeite­r Heike Fleck (v.l.), Ulrike König, Hubert Parys und Michael Weckmann.
 ?? RP-FOTOS (2): ANDREA RÖHRIG ?? Internisti­n Ulrike König leitet die Notfall-Ambulanz am Sana-Krankenhau­s.
RP-FOTOS (2): ANDREA RÖHRIG Internisti­n Ulrike König leitet die Notfall-Ambulanz am Sana-Krankenhau­s.
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Auch in der Notfallamb­ulanz gibt es Isolierzim­mer mit Beatmungsg­erät.

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