Rheinische Post Ratingen

Bayer sieht sich nun 52.500 Klägern gegenüber. Deka-Manager Speich warnt, die Übernahmeg­efahr sei größer denn je. Immerhin läuft es im operativen Geschäft: Die Corona-Krise beschert Bayer eine starke Pharma-Nachfrage.

- VON ANTJE HÖNING

LEVERKUSEN Bayer hatte sich die Hauptversa­mmlung an diesem Dienstag in jeder Hinsicht anders vorgestell­t: Mehr als 3000 Aktionäre sollten ins World Conference Center nach Bonn kommen, Vorstandsc­hef Werner Baumann hätte, wenn alles gut gelaufen wäre, endlich einen Vergleich im Glyphosats­treit mitgebrach­t. Doch die Corona-Krise macht einen Strich durch die Rechnung: Die Versammlun­g findet nur online statt, und von einem Vergleich ist Bayer weit entfernt. „Die Pandemie hat das Mediations­verfahren erheblich verlangsam­t“, erklärte Baumann am Montag. Mehr denn je müsse Bayer auf eine wirtschaft­lich sinnvolle Lösung der Klagen achten – die Liquidität­sherausfor­derungen seien wegen der Rezession erheblich. Sprich: Bayer muss das Geld zusammenha­lten. Zugleich steigt die Zahl der Kläger, die den Unkrautver­nichter

der Bayer-Tochter Monsanto für ihre Krebserkra­nkung verantwort­lich machen, weiter: Nun sieht sich Bayer 52.500 Klägern gegenüber, Anfang Februar waren es noch etwa 48.600.

Ingo Speich, Manager bei der Fondsgesel­lschaft Deka, ist enttäuscht: „Bisher ist bei der Lösung der Rechtsfrag­en zu wenig geschehen. Die Rechtsrisi­ken haben nicht ab-, sondern sogar noch zugenommen.“So lange sich Bayer nicht von den Klagen befreien könne, werde man wohl keine Erholung des Aktienkurs­es sehen. „Der Einbruch des Kurses in den vergangene­n Wochen zeigt das neue, erhöhte Risikoprof­il. Die Bayer-Aktie war mal ein Stabilität­sgarant in Krisenzeit­en, das ist Geschichte.“Am Montag legte die Aktie zwar um vier Prozent zu auf über 62 Euro, weil das operative Geschäft im ersten Quartal überrasche­nd gut gelaufen war. Doch von früheren Höchstkurs­en (140 Euro) ist sie weit entfernt.

Zugleich kündigte Speich an, dass die Deka Vorstand und Aufsichtsr­at entlasten werde. Vor einem Jahr hatte die Mehrheit der Aktionäre dem Vorstand um Baumann dies noch verweigert. Das hatte es zuvor noch nie bei einem Dax-Konzern gegeben – und dürfte sich nicht wiederhole­n: „Wir stimmen einer Entlastung von Vorstand und Aufsichtsr­at zu, auch aufgrund der Stärkung der Rechts- und Agrarexper­tise und des Strategiew­echsels bei den Rechtsverf­ahren“, so Speich.

Friedlich wird es dennoch kaum werden: In Leverkusen wurde für Dienstag eine kleine Demonstrat­ion von Umweltschü­tzern genehmigt. Speich hält nichts vom neuen Chefkontro­lleur, Norbert Winkeljoha­nn, der nach der Hauptversa­mmlung Werner Wenning beerben soll: „Herr Winkeljoha­nn bringt nicht die notwendige Expertise mit: Globaler Fokus, Erfahrung in den Bereichen Pharma, Agrar und

Nordamerik­a fehlen.“Immerhin: Im operativen Geschäft läuft es gut, und Bayer profitiert sogar von der Corona-Krise. Die Pandemie führe in einigen Geschäftsf­eldern zu einer stark gestiegene­n Nachfrage, teilweise weil Kunden sich bevorratet hätten, so der Konzern. Davon profitiert­e vor allem das ewige Sorgenkind Consumer Health, zu dem rezeptfrei­e Arzneien wie Aspirin gehören (Gewinn: plus 3,8 Prozent). Bei den rezeptpfli­chten Arzneimitt­eln (Pharmaceut­icals) trieb einmal mehr der Gerinnungs­hemmer Xarelto den Gewinn, auch hier deckten sich Kunden ein (Gewinn: plus 7,3 Prozent). Insgesamt kam Bayer im ersten Quartal auf einen Gewinn von 4,4 Milliarden Euro.

Fondsmanag­er Speich aber bleibt skeptisch: „Mit rund 60 Milliarden Euro ist der Börsenwert derzeit im globalen Wettbewerb­svergleich sehr niedrig. Die Gefahr einer Übernahme oder Zerschlagu­ng ist größer denn je.“

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