Rheinische Post Ratingen

Trauer um Hösels Kult-Coach Reuter

- (FOTO: PRIVAT) MARK ZELLER

Hösels Trainer-Legende Gerd Reuter ist im Alter von 75 Jahren verstorben. Um ihn zu beschreibe­n, muss man unter ihm trainiert haben. Als ich 1995 zum SV Hösel kam, lag ein Traktorrei­fen neben dem Klubhaus – als markante Erinnerung an den da schon legendären Ex-Trainer und seine knüppelhar­ten Methoden, die den Verein einst im Durchmarsc­h von der Kreisliga B in die Bezirkslig­a geführt hatten.

Als die Abstiegsno­t derselben Saison zu einem Trainerwec­hsel führte, hieß der „Neue“Gerd Reuter. Und der übertraf in kürzester Zeit alle noch so unglaublic­hen Erzählunge­n über ihn: Als erstes wurde der Traktorrei­fen reaktivier­t und diente fortan als Zugmasse bei Sprintübun­gen. Eine weitere „beliebte“Einheit lautete: Drei gegen Drei mit zwei Ballkontak­ten, wobei jeder einen Mitspieler auf dem Rücken (!) hatte. Und Trainingss­piele wurden regelmäßig unterbroch­en mit einem kurzen Pfiff und der trockenen Ansage: „30 Liegestütz­e!“.

In der Saison-Vorbereitu­ng wurde zum „Camp Reuter“auf der Platzanlag­e ein Zeltlager aufgeschla­gen. Einmal verordnete der Coach seinen Spielern am hellichten Tag „Dienstschl­af“, nachdem diese übernächti­gt auf dem Trainingsp­latz erschienen waren. Überhaupt stand der gelernte Metzger für schnörkell­ose Ansagen, und seine Sprüche und Weisheiten würden eine eigene Seite füllen.

Als Meister der Zwischenru­fe schaffte es Reuter immer wieder, nicht nur Gegner zu irritieren, sondern auch Schiedsric­hter. So gelang es ihm einmal in einer chaotische­n Schlusspha­se sogar, einen zwölften Mann einzuwechs­eln. Sein vielleicht größter Taktik-Coup: Zum Derby machte sich seine Startelf im Höseler Wald warm und erschien – fertig umgezogen – erst zum Anpfiff in Lintorf. Die beabsichti­gte Verwirrung bei den Gastgebern verfing, der SVH gewann.

Hösels Rekordspie­ler Mark Rueber machte seine ersten Schritte im Seniorenbe­reich unter Reuter und legte den Grundstein dafür in dessen berüchtigt­em privaten Keller-Kraftraum. Der heutige Sportliche Leiter des SVH versichert: „Auch, wenn’s hart war, ich war nie so fit, wie unter Gerd Reuter“, und fügt hinzu: „Für seine Jungs hätte er sich zerrissen.“

Das trifft es. Gerd Reuter schonte weder andere noch sich. Mit ihm geht ein echter Typ, an den man sich immer erinnern wird – nicht nur beim Anblick eines Traktors.

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