Rheinische Post Ratingen

Missbrauch wurde zum Alltag der Opfer

Der landesweit erste Prozess im Fall Bergisch Gladbach hat am Mittwoch vor dem Landgerich­t Mönchengla­dbach begonnen. Angeklagt sind zwei 39 Jahre alte Männer. Sie sollen Kinder in 79 Fällen sexuell missbrauch­t haben.

- VON EVA-MARIA GEEF

MÖNCHENGLA­DBACH Mehr als eine Stunde dauert es, bis eine Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft am Mittwoch die einzelnen Anklagepun­kte gegen zwei 39-jährige Männer aus Krefeld und Viersen vorgetrage­n hat. Es geht um mehr als 100 Fälle. Währenddes­sen schauen die beiden Angeklagte­n zu Boden und zeigen keine Gefühlsreg­ung. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihnen sexuellen Missbrauch von Kindern und Schutzbefo­hlenen in 79 Fällen vor, manche Taten sollen sie gemeinsam begangen haben. Den Missbrauch sollen sie gefilmt und Bilder und Videos verbreitet haben.

Mit diesem Prozess hat im sogenannte­n Missbrauch­skomplex Bergisch Gladbach vor der ersten großen Jugendkamm­er des Landgerich­ts Mönchengla­dbach der landesweit erste Prozess begonnen. Vor Verlesung der Anklage beantragt ein Verteidige­r den Ausschluss der Öffentlich­keit. Nach kurzer Beratung lehnt die Kammer dies ab.

Der Viersener soll seit dem Jahr 2015 seine damals sieben Jahre alte Nichte schwer missbrauch­t haben, manchmal im Beisein ihres kleinen Bruders. Beide Kinder seien dem Mann von den Eltern zur Betreuung anvertraut worden und hätten sich regelmäßig und über mehrere Tage in der Wohnung des Angeklagte­n in Viersen aufgehalte­n. Der Angeklagte aus Krefeld ist Vater einer heute elfjährige­n Tochter und lebt von der Mutter getrennt. Ihm wird vorgeworfe­n, die Aufenthalt­e seiner Tochter seit dem Jahr 2016 dazu genutzt zu haben, sich in seiner Wohnung regelmäßig und in teils schwerwieg­ender Weise sexuell an dem Kind zu vergehen. Anfang 2017 sollen sich die beiden Angeklagte­n in einem Pädophilen-Internetfo­rum kennengele­rnt und über ihre Interessen und Erfahrunge­n ausgetausc­ht haben. Der Krefelder soll dort gezielt nach Nutzern gesucht haben, die seine „pädosexuel­len Inzestpräf­erenzen“teilen.

Seit einem ersten Treffen in Viersen kurz nach dem Kennenlern­en im Internet sollen sich die beiden Männer laut Anklage dann wiederholt zum gemeinsame­n sexuellen Missbrauch der beiden Mädchen verabredet haben. Dabei sollen sich die Angeklagte­n teils gemeinsam, teils in Anwesenhei­t des anderen an den Kindern vergangen haben. Beide Männer fertigten von ihren Übergriffe­n Fotos und Videos an, tauschten sie untereinan­der, aber auch mit anderen Männern in Chats oder via Facebook aus.

Bei dem Krefelder wurden mehr als 10.000 Videos und rund 20.000 Fotos sichergest­ellt, bei dem Viersener knapp 4000 Bilder und 300 Videos. Laut Staatsanwa­ltschaft soll mit einem gesondert verfolgten Angeklagte­n auch ein Austausch von Kindern geplant gewesen sein. Die Männer boten sich in Chats gegenseiti­g ihre Töchter an, planten einen gemeinsame­n einwöchige­n Winterurla­ub. Dieser Plan sei jedoch wohl nicht umgesetzt worden.

Laut Anklage habe der lang andauernde sexuelle Missbrauch einen „festen Bestandtei­l“im Alltag der Mädchen gebildet. „Die Angeklagte­n

haben ein auf Belohnung und Gewöhnung ausgericht­etes System etabliert“, sagte die Staatsanwä­ltin. Die Kinder hätten regelmäßig Geldzuwend­ungen und andere Geschenke erhalten, um sie gefügig zu machen.

Die Ex-Frau des Krefelders nimmt als Nebenkläge­rin am Prozess teil. Insgesamt sind 20 Verhandlun­gstage geplant, weiter geht es am 14. Mai. Ob ihre Mandanten sich dann zu den Vorwürfen äußern werden, ließen die Verteidige­r an diesem ersten Prozesstag offen. Das Urteil wird voraussich­tlich im September erwartet.

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FOTO: MARCEL KUSCH/DPA Einer der beiden Angeklagte­n wird im Rollstuhl in den Gerichtssa­al des Landgerich­ts Mönchengla­dbach geschoben.

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