Berlin drohen Mai-Krawalle trotz Corona
Die Gewalt hatte jüngst nachgelassen – nun rüsten Linksradikale wieder zu Ausschreitungen. Die Maskenpflicht kommt ihnen gerade recht.
BERLIN Jahr für Jahr war es zuletzt dasselbe Bild: Friedliebende Berliner und eine stets dazulernende Polizei gewannen an den Abenden des 1. Mai die Straßen Meter für Meter zurück. Der Krawall schien ausgetrocknet. Wo sich zur Jahrtausendwende und in den folgenden Jahren bürgerkriegsähnliche Szenen mit Hunderten Verletzten abgespielt hatten, nahm nun das bunte „Myfest“die zentralen Schauplätze in Kreuzberg in Besitz. Im vergangenen Jahr zog sich die Krawallszene sogar in die Umgebung der besetzten Häuser in Friedrichshain zurück. Doch in Corona-Zeiten rechnet die Polizei mit einem Wiederaufleben der Ausschreitungen und zieht sicherheitshalber rund 5000 Beamte zusammen.
Der selbst ernannten Revolution kommt die Maskenpflicht entgegen. Der besonders gewaltgeneigte „Schwarze Block“ging schließlich stets vermummt ans Werk. Je nach taktischer Aufstellung ließ die Polizei Verstöße gegen das Vermummungsverbot zu oder auch nicht. In Corona-Zeiten müssen sich Vermummte fühlen wie Fische im Wasser.
Bislang ließen die Chaoten über den Tag eine 1.-Mai-Kundgebung nach der anderen verstreichen, bis sie mit Beginn der Dämmerung aus der letzten, der „revolutionären“, Demonstration heraus zur Randale übergingen. Mit massivem Polizeiaufgebot hatten sich die Sicherheitsbehörden bemüht, den Zug von kritischen Bereichen fernzuhalten,
Baustellen mit potenziellem Wurfmaterial abzusperren und gefährdete Objekte besonders zu schützen. Sollte die Randale dann losgehen, waren die meisten möglichen Akteure fixiert.
Das ist an diesem Freitag anders. Es gibt keine zentrale Kundgebung. Es gibt auch kein „Myfest“, das Feiern an die Stelle von Gewalt stellt. Und es gibt keinen Demonstrationszug.
Angekündigt hat die linksradikale Szene tatsächlich eine Art Stadtguerilla-Taktik. Immer wieder würden spontan kleine Proteste stattfinden, schnell verschwinden und gleich darauf an anderer Stelle die „Wut“über die herrschenden Verhältnisse zum Ausdruck bringen. Dazu sollen jeweils Wurfzettel, Transparente, Farbbeutel und Rauchtöpfe eingesetzt werden.
Eventuelle Absperrungen wollen die Aktivisten „zu umgehen, zu umfließen, zu umwuseln“versuchen.
Von Dächern, Balkonen und von der Straße sollen Gesinnungsgenossen das Ganze „begleiten“. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, was darunter zu verstehen ist. Im gesamten Kreuzberger Polizeiabschnitt 36, dem alten Zentrum der linksalternativen Bewegung im Schatten der damaligen Mauer, sollen gegen 20 Uhr Feuerwerkskörper gezündet werden.
Waren es früher aus Sicht des Protestes zumeist ausschließlich die Vertreter der Staatsmacht, die durch ihre Eskalation die Gewalt auslösten, liegen die Schuldzuweisungen unter Corona-Bedingungen ebenfalls bereits auf dem Tisch: „Wir werden verantwortungsvoll handeln. Erst mit dem Einschreiten der Polizei
gibt es ein Ansteckungsrisiko, da sie weder Masken tragen noch Abstände einhalten“, erklären die linksradikalen Organisatoren.
Dagegen warnt Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) davor, die Demonstrationen in Kreuzberg zum „Ischgl von Berlin“zu machen. Der österreichische Ferienort hat mit der Ausbreitung des Coronavirus beim Après-Ski traurige Berühmtheit erlangt. Die Verbote von Versammlungen mit mehr als 20 Menschen und die Vorgaben für den Abstand zwischen Personen will die Polizei aus diesem Grund besonders nachdrücklich durchsetzen. Auch daraus erklärt sich, dass aus zahlreichen Bundesländern Verstärkungen erbeten wurden, um in dem relativ unübersichtlichen Bezirk überall starke Präsenz zeigen zu können. Auch für die Beamten ist es ein gesundheitsgefährdender Einsatz, können sie doch je nach Lage besonders schwer auf Abstand zueinander und zu Randalierern gehen.
Auch die Bundespolitik blickt auf die Entwicklung. „Es steht leider zu befürchten, dass die linksextremistische Szene die Pandemie ausnutzen will und dass es zu Ausschreitungen kommen wird“, sagt Unionsfraktionsvize Thorsten Frei. „Wir dürfen das in keinem Fall zulassen“, mahnt er. Verstöße gegen das Versammlungsrecht müssten „mit aller Konsequenz unterbunden“werden. Und er appelliert: „Den Feinden unserer offenen Gesellschaft muss der Staat auch gerade in Krisen wie der gegenwärtigen Stärke und Handlungsfähigkeit demonstrieren.“