„Wir können Kurzarbeit nicht ausschließen“
In der Krise denkt der Covestro-Chef auch über bislang in der Chemie-Branche völlig unübliche Maßnahmen nach.
LEVERKUSEN Sieben Wochen war Covestro-Chef Markus Steilemann im Homeoffice. Nun ist er zurück in seinem Büro am Hauptsitz des Kunststoffherstellers, der allein hier in Leverkusen sowie in Uerdingen und Dormagen rund 6000 Beschäftigte hat. Wir erreichen ihn telefonisch.
Wie schlimm war das erste Quartal? STEILEMANN Es war wie erwartet herausfordernd. Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen natürlich auch uns. So sank die abgesetzte Menge im ersten Quartal um vier Prozent, der Umsatz um zwölf Prozent. Vor allem in China haben wir die massiv zurückgegangene Nachfrage gespürt. Trotzdem lag unser Gewinn von 254 Millionen Euro absolut im Rahmen der Erwartungen. Und natürlich waren wir nicht unvorbereitet.
Das ist ein Gewinnrückgang um 43 Prozent. Wie steuern Sie gegen?
STEILEMANN Neben der Beschleunigung unseres bereits im Oktober 2018 gestarteten Effizienzprogramms senken wir unsere Sachkosten kurzfristig um weitere 100 Millionen. Zudem fahren wir unsere Investitionen um 200 Millionen auf 700 Millionen Euro zurück. An der Sicherheit und Instandhaltung der Werke wird aber auf keinen Fall gespart.
Was macht Covestro stärker zu schaffen – der Nachfragerückgang oder gerissene Lieferketten? Zu Jahresanfang fehlten Fässer ... STEILEMANN Die Logistikprobleme konnten wir lösen, eine Meisterleistung der Kollegen vor Ort. Wir haben wieder ausreichend Fässer und Paletten zur Verfügung, um alle Kunden beliefern zu können. Auf der Nachfrageseite haben wir natürlich einen deutlichen Rückgang vor allem in China verzeichnet. Er kam vor allem aus der Auto-, Bau- und
Möbelindustrie. Es gibt aber auch Lichtblicke.
Welche?
STEILEMANN Polycarbonate sind als Vorprodukte für Hartplastik gerade sehr gefragt, das man etwa für Medizinprodukte benötigt. Hier verspüren wir eine steigende Nachfrage.
Adidas und Lufthansa verhandeln über Staatshilfe. Was macht der Dax-Konzern Covestro? STEILEMANN Wir brauchen keine Staatshilfe, wir haben uns früh vorbereitet und steuern mit Kostensenkungen dagegen.
Viele Dax-Konzerne melden Kurzarbeit in der Krise an. Wie sieht es bei Covestro aus?
STEILEMANN Bislang mussten wir noch keinen Beschäftigten in Kurzarbeit schicken und planen dies auch aktuell nicht. Aber wir spielen natürlich regelmäßig alle Szenarien
durch und können Kurzarbeit für die Zukunft auch nicht kategorisch ausschließen.
Welche Standorte wären betroffen? STEILEMANN Kurzarbeit wäre grundsätzlich ein Instrument für die deutschen Standorte. Diese arbeiten integriert, das heißt hier werden jeweils viele verschiedene Produkte hergestellt. Welcher Bereich an welchem Standort dann gegebenenfalls betroffen wäre, kann man heute nicht seriös abschätzen.
Schon vor Corona hatten Sie den Abbau von 900 der über 17.000 Stellen angekündigt. Kommen Sie damit aus? STEILEMANN
Nach jetzigen Stand kommen wir damit aus und es wird über den bereits seit 2018 geplanten Abbau hinaus keine weiteren Stellenstreichungen geben. Das heißt: Wir bauen wie geplant bis Ende 2021 weltweit 900 Stellen ab, davon 400 sozialverträglich in Deutschland. Außerdem werden wir unser Effizienzprogramm „Perspective“zur Reduzierung von Sachkosten beschleunigen und so schon in diesem Jahr einen größeren Teil der Kosten einsparen.
Sind Kündigungen ausgeschlossen? STEILEMANN Wir haben in Deutschland eine Beschäftigungssicherung bis 2025 vereinbart.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?
STEILEMANN Wir gehen davon aus, dass sich die Corona-Auswirkungen im zweiten Quartal noch stärker in unseren Zahlen niederschlagen werden. Ab dem dritten Quartal erwarten wir dann eine erste Erholung.
Und wie sieht der Arbeitsalltag im Konzern aus?
STEILEMANN Wir kehren schrittweise zur Normalität zurück. Seit Montag arbeiten in Deutschland rund 650 weitere Mitarbeiter wieder in den Betrieben, zusätzlich zu den bisherigen 2000, die in Schichten tätig sind. Allerdings sind auch über 3000 Mitarbeiter weiterhin im Homeoffice tätig. Zum Glück gab es bei uns bisher nur sehr wenige Corona-Infizierte, und vor allem keine schweren Verläufe.