Der Gegenspieler der Bundesliga
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer geht auf Konfrontationskurs mit der DFL. Ein Konflikt mit Vorgeschichte.
BREMEN Sportminister-Konferenz und Arbeitsministerium haben bereits ihr Okay gegeben. Am Donnerstag könnten Bundeskanzleramt und die Ministerpräsidenten der Länder bei ihrer Konferenz grünes Licht für Geisterspiele in der Bundesliga geben.
Viel mehr als um Quarantäne und Testkapazitäten geht es dabei aber um Symbolpolitik. Wer einen grundsätzlichen Argwohn gegenüber dem obszönen Multi-Milliarden-Geschäft Fußball hegt, erkennt in dem Vorfahrtszeichen für die Bundesliga ein falsches Signal. Einer der lautesten Stimmen im Chor der Skeptiker ist Bremens Innensenator Ulrich Mäurer.
Mit der Ligenvereinigung DFL verbindet ihn seit Jahren eine innige Abneigung. Einen langwierigen Streit darüber, wer Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen bezahlen soll, hat das Land Bremen durch mehrere Instanzen ausgetragen und schließlich Recht bekommen. Rechnungen über 1,17 Millionen Euro, die der SPD-Politiker vorauseilend mit viel Symbolik frankiert und an die DFL verschickt hatte, mussten im vergangenen Jahr beglichen werden, Werder Bremen blieb vorerst auf den Kosten sitzen.
„Herr Mäurer lässt sich für seinen Pyrrhussieg extrem feiern“, ätzte Werders Sportchef Frank Baumann. Bremen sei ein deutlicher Wettbewerbsnachteil entstanden. Werders Rolle als sozial engagierter Imageund Sympathieträger der Stadt werde dabei sträflich vernachlässigt. Auch Baumanns Vorgänger Klaus Allofs beschreibt im Gespräch mit unserer Redaktion die Besonderheiten im Bremer Umfeld als traditionell nicht unproblematisch. „Es ist nicht so, dass die Politik gegen Werder arbeitet. Man bekennt sich zueinander, alle identifizieren sich mit Werder Bremen, aber die totale Unterstützung, die Werder gerecht werden würde, spiegelt sich nicht so recht wider.“Dabei gehe es nicht in erster Linie um Geld. „Bremen ist als Bundesland in keiner guten Situation, finanziell darf man da nicht so viel erwarten. Auf der anderen Seite ist ein funktionierender Bundesligist für eine Stadt von großer Bedeutung, da verstehe ich schon die Enttäuschung der handelnden Personen“, sagt Allofs. „Ich spreche natürlich viele Leute an, wenn ich sage: Polizeieinsätze müssen von den Vereinen bezahlt werden. Man muss die Angelegenheit aber differenzierter betrachten und auch mit einbeziehen, was Werder für ein Imageträger und Arbeitgeber für die Stadt ist.“
Mäurer ist aber kein ausgewiesener Spezialist für ruhige Zwischentöne, tritt immer mal wieder als Hardliner in Erscheinung. Mit markigen Worten sagte er Gewalttätern am Rande von Fußballspielen den Kampf an, befürwortete Haftstrafen für das Abbrennen von Pyrotechnik. Forderungen, die bei vielen Fans, vor allem im Ultralager, eher auf verhaltene Zustimmung stoßen.
Mäurers innigster Gegner ist jedoch die DFL und deren Chef Christian Seifert. Als der Ligaverband trotz der sich zuspitzenden Corona-Krise zunächst daran festhielt, den Bundesliga-Spieltag am zweiten März-Wochenende durchzuführen, stichelte Mäurer gegen Seifert: „Er hat die gesellschaftliche Verantwortung nicht erkannt. Das überrascht mich nicht, das ist noch nie ein Thema der DFL gewesen.“Ohne einen bundesweiten Beschluss abzuwarten, verfügte Mäurer eine Absage des Geisterspiels gegen Bayer Leverkusen, ehe die Bundesliga wenig später nachzog und den Spielbetrieb einstellte.
Als die ersten Klubs Anfang April wieder unter strengen Auflagen das Training aufnehmen durften, hob Mäurer erneut den Finger und wollte zunächst keine Genehmigung aussprechen. Nicht, ohne noch mal seine Skepsis gegenüber Geisterspielen insgesamt zum Ausdruck zu bringen: Bundesliga-Profis auf dem Trainingsplatz seien kein gutes Signal an die Republik. „Das erinnert mich an die Olympischen Spiele. Auch da hat der Präsident nicht erkannt, dass die Zeit längst abgelaufen war. Das Ende kennen Sie“, sagte Mäurer.
Baumann reagierte nun offen genervt: „Wir sind über die regelmäßigen öffentlichen Auftritte von Herrn Mäurer mit dieser so negativen Haltung gegenüber dem Profifußball irritiert“, sagte der frühere Nationalspieler dem Weser-Kurier. Wieder einmal fürchtete Werder einen Wettbewerbsnachteil. Tags darauf gab der Senat schließlich doch die Erlaubnis für Training in Gruppen, allerdings unter besonders strengen Auflagen.
Vor den möglichen Geisterspielen muss sich der sportlich wie wirtschaftlich ohnehin bedrohte Bundesliga-Standort Bremen erneut auf böigen Gegenwind einstellen. Diesmal dreht der Klub an der Eskalationsspirale. „Wenn es so sein sollte, dass wir nicht in Bremen spielen können, müsste man nach Alternativspielorten Ausschau halten“, sagte Werder-Boss Klaus Filbry bei Radio Bremen. Mäurer sagte schließlich schon das letzte Geisterspiel mit der Begründung ab, dass er Ansammlungen von Fans vor dem Stadion befürchte. Wenngleich es keine ernstzunehmenden Signale der aktiven Fanszene dafür gibt, dürfte sich diese Sorge in der Zwischenzeit kaum verflüchtigt haben. Allofs glaubt nicht daran: „Das will keiner. Werder gehört zu Bremen, das gilt auch für Spiele, die auszutragen wären.“Am Osterdeich jedenfalls wären sie froh, wenn sie den nächsten Zweikampf auf dem Rasen austragen und sich mit Abstiegskampf beschäftigen könnten.