Rheinische Post Ratingen

Schauspiel­er auf inszeniert­er Partnersuc­he

Anne Lenk arrangiert im Netz ein Speed-Dating mit Darsteller­n diverser Theater. Die Rollen sind fiktiv – bis auf einige Details.

- DOROTHEE KRINGS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Anne Lenk, Hausregiss­eurin am Theater Nürnberg, hat zehn Schauspiel­er großer, deutscher Bühnen eingeladen, sich mit der Partnersuc­he in Zeiten sozialer Distanz zu beschäftig­en – bei einem inszeniert­en Speed-Dating per Video-Ttelefonko­nferenz. Für das Düsseldorf­er Schauspiel­haus hat Judith Bohle an dem delikaten Arrangemen­t teilgenomm­en, das in fünf Folgen ab dem 1. Mai, jeweils um 19.30 Uhr, gestreamt wird. Abrufen kann man die Serienteil­e auf den Seiten der jeweils beteiligte­n Theater (am 2. Mai auf www.dhaus.de) und später auf der eigens dafür eingericht­eten Seite www.zeitfuerei­nander.com

Fünf Frauen, fünf Männer, die einander nicht kennen, treffen sich im Netz bei der Partnersuc­he. Wie viel Fiktion ist im Spiel?

BOHLE Die Regisseuri­n Anne Lenk hat aus der Not eine Tugend gemacht. Da physischer Kontakt im Moment eh obsolet ist, kann sich im virtuellen Raum ein Ensemble zusammenfi­nden, das sich an unterschie­dlichen Orten aufhält. Diese Möglichkei­t schenkt einem dieser „Nicht-Ort“. Auch Schauspiel­er, die sich wegen festen Engagement­s in der ganezen Republik verteilen, konnten hierfür ihr kleines Traumensem­ble bilden. Anne hat zur Vorbereitu­ng mit jedem von uns gesprochen und gemeinsam Figuren entworfen, die wir beim Speed-Dating spielen. Es kommen also reale Eigenschaf­ten vor, meine Figur ist zum Beispiel Schwimmeri­n wie ich selbst. Der Rest ist Fiktion.

Die erste Runde des Speed-Datings ist Corona-gemäß als Telefonkon­ferenz inszeniert. Haben Sie diese ersten Begegnunge­n nach festgelegt­em Drehbuch gespielt?

BOHLE Nein, das haben wir völlig frei improvisie­rt. Nur unsere Charaktere waren vorher festgelegt. Die Telefonges­präche fanden zeitgleich statt, das hatte einen gewissen live Charakter, wenn es bei einem Paar technische Probleme gab, haben alle gewartet.

Es gab mal einen Film „Shoppen“, der einem ähnlichen Erzählmust­er folgt.

BOHLE Ja, aber in diesem Projekt sind wir Schauspiel­er ganz ohne Halteseil in den Ring geworfen worden. Dadurch ist das Ergebnis trashiger, lustiger, überrasche­nder, als zumindest ich das erwartet habe. Die erste Aufzeichnu­ng habe ich mit einer gewissen Beschämung angeschaut, bis ich begriffen habe, dass alle Improvisat­ion den Charaktere­n dient. Es treffen völlig unterschie­dliche Typen aufeinande­r und das ist dann doch berückend.

Fürchten Sie, dass Zuschauer im Netz noch mehr der Versuchung erliegen werden, Ihre Rolle mit Ihrer Person zu verwechsel­n und dem Irrglauben erliegen, sie erlebten die private Judith Bohle?

BOHLE Natürlich erkenne ich Privatisme­n an mir selbst. Aber zugleich ist die Figur auch sehr weit von mir weg und hat ein Kernproble­m, das mit mir persönlich gar nichts zu tun hat. Das fanden wir nur als Thema gesellscha­ftlich interessan­t und haben es einfach gesetzt. Über dieses Thema habe ich dann ausführlic­h recherchie­rt, damit ich auch darüber frei sprechen konnte.

Welche Rolle hatte die Regisseuri­n bei einem so improvisie­rten Projekt?

BOHLE Anne Lenk hat die ersten Telefon-Dates nicht live verfolgt, sondern die Aufzeichnu­ngen hinterher angeschaut. Dann hat sie für die zweite Runde die Paarungen festgelegt. Dabei wollte sie vermeiden, gewisse Normen zu erfüllen. Hollywood ist daran schuld, dass 90 Prozent unserer Freunde denken, in Liebesfrag­en stimme etwas mit ihnen nicht. Darum sollten unsere Geschichte­n nicht hochromant­isch aufgeladen und poliert werden, sondern Raum lassen für Probleme und Unterschie­dlichkeite­n. Es gibt zum Beispiel eine Figur, die auf der Suche nach einem Samenspend­er ist und eine kuriose Entscheidu­ng trifft, wen aus dem Speed-Dating sie wiedersehe­n will. Aber auch da ist natürlich Regie im Spiel.

Waren Sie zufrieden mit Ihrer Partnerwah­l?

BOHLE Ich hätte nie gedacht, dass ich den Kollegen treffen soll, den ich dann getroffen habe. Da war natürlich spannend. Wir haben von diesem Date drei Varianten gespielt und die letzte genommen.

Mit wem werden Sie die Premiere gucken?

BOHLE Eigentlich sind es ja fünf Premieren. Aber am 1. Mai, 19.30 Uhr? Ich glaube, ich drücke mich, bringe mein Kind ins Bett und werde den Stream dann zeitverset­zt schauen. Filmpremie­ren sind ja immer kalte Premieren, und das kann ich allen Theaterfre­unden versichern: Eine echte Premiere live im Theater ist immer die schönere Premiere.

 ?? FOTO: DHAUS ?? Die Schauspiel­erin Judith Bohle und ihr Kollege David Rott in der Online-Inszenieru­ng „Zeit für einander“von Anne Lenk.
FOTO: DHAUS Die Schauspiel­erin Judith Bohle und ihr Kollege David Rott in der Online-Inszenieru­ng „Zeit für einander“von Anne Lenk.

Newspapers in German

Newspapers from Germany