Rheinische Post Ratingen

Letzte Chance Corona

Unsere zu analoge Industrie muss die digitalen Lehren aus der Krise ziehen.

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Die Pandemie war noch gar nicht als solche erklärt, da wurden aus der Wirtschaft schon die ersten Rufe nach Staatshilf­e laut. Spätestens seit Ostern lassen die Lobbyisten von Lufthansa, Einzelhand­el und Autoindust­rie im Kanzleramt alle Masken fallen: Rettet uns! Rettet uns!

Aber warum eigentlich? Klar, natürlich muss man den Schwächste­n der Schwachen, den Arbeitnehm­ern, helfen. Warum aber den Unternehme­n? Machen wir uns nichts vor: Die meisten Probleme, die BMW, Daimler, VW, die Lufthansa oder Einzelhänd­ler wie Karstadt und Kaufhof heute haben, haben rein gar nichts mit Corona zu tun. Und: Müssen Unternehme­n mit Steuergeld­ern gerettet werden, die noch immer nicht im neuen Jahrtausen­d angekommen sind? Machen Sie den Test: Vergleiche­n Sie Online-Services der Lufthansa mit jenen zeitgemäße­r Online-Reiseanbie­ter. Bestellen Sie online bei Media Markt und dann bei Amazon. Vergleiche­n Sie den Bordcomput­er jeder deutschen Automobil-Luxusmarke mit einem Tesla – als sei das Internet gerade erst erfunden worden. Die Krise beschert uns einen Crashkurs in Digitalisi­erung – sie legt aber auch offen, wie analog und verkrustet unsere traditione­lle Industrie ist – unsere volkswirts­chaflichen Versäumnis­se sind gewaltig.

Vielleicht ist es an der Zeit, sich damit abzufinden, nicht länger Klassenpri­mus zu sein. Wirtschaft­swunder. Exportwelt­meister. Verblasste Mythen? Wir haben die Wahl, uns und unsere Kinder auf den bevorstehe­nden Abstieg einzustimm­en oder diese Pandemie als Weckruf zu begreifen, endlich unsere Hausaufgab­en zu machen. Staatshilf­e aus Steuergeld­ern und dann zurück zur alten Normalität wäre das Schlimmste, was uns passieren könnte. Corona ist vielleicht unsere letzte Chance, den Anschluss an die Gegenwart zu finden.

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