„So viele haben noch nie mitgefeiert“
Eigentlich wollten die Schützen in Wesel-Bislich am Wochenende ihr Schützenfest feiern. Wegen des Coronavirus mussten sie absagen – doch der Vorstand fand eine kreative Lösung: Virtuell feierten Tausende Menschen mit.
WESEL Das Dorf Bislich bei Wesel am Niederrhein hat 2800 Einwohner, es schmiegt sich gegenüber von Xanten an den Rhein und galt fürwahr bisher nicht als digitaler Hotspot im Land. Dank der dort örtlichen Schützengemeinschaft ist aber Bislich nun der Ort, der auf besondere Art dem Coronavirus trotzt: Die Bislicher, deren Schützenfest eines der ersten im Brauchtumskalender des Landes NRW ist, haben am Wochenende ihr Fest digital gefeiert.
Um den Mitgliedern eine gewisse Festroutine zu geben, hat der Vorstand zu bestimmten Uhrzeiten Videos von Schützenfestschauplätzen ins Internet gestellt. Der Zuspruch, den der Vorstand um Andreas Michelbrink für diese Idee geerntet hat, ist immens: Die örtliche Schützengemeinschaft kommt auf 500 Mitglieder, die Videos seien aber teilweise von bis zu 6000 Menschen geschaut worden, berichtet Schützensprecher Tobias Engels (39). „Mit so vielen Menschen haben wir im Dorf noch nie gefeiert. Wir sind überwältigt. Bei mir steht das Telefon nicht mehr still.“Er glaubt, dass die Bislicher Art zu feiern in der Corona-Pandemie auch für andere Schützenvereine ein Vorbild sein könnte.
„Hinter uns liegen schwierige Wochen“, sagt Tobias Engels. Schon im März, als die Kontaktverbote noch nicht galten, habe man im Vorstand zusammengesessen und überlegt, wie man mit dem Coronavirus umgehen könne. „Schon früh war uns klar, dass es ein normales Schützenfest wohl nicht geben wird.“Engels und sein Präsident Andreas Michelbrink suchten Kontakt zum Zeltverleiher, zu den Schaustellern und den Bands. „Wir haben uns mit denen geeinigt und uns wurde zugesagt, dass wir nicht für Kosten aufkommen müssen, wenn das Schützenfest abgesagt wird.“Tausende Euro standen auf dem Spiel. So gab es für die Bislicher schnell Gewissheit, dass es kein normales Schützenfest geben wird und dass eine Alternativplanung beginnen kann.
Die Idee, Videos von den einzelnen Schauplätzen des Festes zu drehen, sei im Vorstand entstanden, berichtet Engels. Er kontaktierte die Kompanieführer und Spielleute, die danach einzelne Videobeiträge einsendeten. „Zehn Filme waren schnell beisammen“, sagt Engels. Der Vorstand moderierte diese Videos jeweils an. Zu festen Uhrzeiten
werden sie seit Freitag und noch bis Montag bei Facebook hochgeladen und zirkulieren bei Whatsapp.
Den Anfang machte die „Regierungserklärung“von Präsident Andreas Michelbrink, der sich in einem schützenfestlich dekorierten Büro im Stile der Kanzlerin an die „Mitschützen und Mitschützinnen“wendet. „Kreative Köpfe gibt es nicht nur in Berlin, sondern nur in unserem Dorf“, kündigt Michelbrink an. Ein „virtuelles Schützenfest“solle man feiern, appelliert er an die Dorfgemeinschaft. Nach der Ansprache öffnet er ein Bier, nimmt einen kräftigen Schluck und übergibt an den König Markus Gerwers. Der erklärt seinem Schützenvolk die Corona-Challenge: Jeder Schütze solle zur Desinfektion zunächst einen Underberg, danach eine Flasche Bier als Longdrink in einem Zug und dann einen Absacker zum Nachspülen trinken. Seit Samstag nominieren sich die Schützen in kleinen Videos. So entsteht trotz Kontaktverboten eine Gemeinschaft.
Diese ist auch im echten Leben spürbar: Wer durch das Dorf fährt, nimmt trotz Corona eine besondere Stimmung wahr. Vor den Häusern stehen Flaggen, und zwar nicht nicht auf halbmast. Ein wenig melancholisch sei die Stimmung aber schon, sagt Tobias Engels. So sei in einem Video zu sehen, wie das Schützenfest in einem Baggerloch zu Grabe getragen wird, zu der Uhrzeit, zu der sonst der Kranz niedergelegt wird. „Natürlich sind wir alle wehmütig, aber die Gesundheit der Menschen geht vor. Wir halten uns an alle Regeln, aber auf das Feiern wollen wir dennoch nicht verzichten“, sagt Engels. Das Corona-Schützenfest von Bislich könne er anderen Vereinen nur empfehlen. „Aber eins steht fest: 2021 möchte ich am liebsten wieder ein normales Fest feiern.“