Rheinische Post Ratingen

Schüler mussten 47 Tage auf See bleiben

Julia Hoffmann und Nicolas Ebenhöh segelten auf der „Thor Heyerdahl“. Auf dem Rückweg wurden sie von Corona überrascht.

- VON SIMONA MEIER

DÜSSELDORF Am 19. Oktober 2019 stachen Julia Hoffmann (15) und Nicolas Ebenhöh (15) vom Freien Christlich­en Gymnasium in Reisholz von Kiel aus in See. Ein halbes Jahr gehörten sie zum Team der „Thor Heyerdahl“. Auf dem Dreimastto­ppsegelsch­oner überquerte­n sie mit insgesamt 34 Jugendlich­en und einer 16-köpfigen Besatzung den Atlantik, machten Station in Panama und Kuba. Im „Klassenzim­mer unter Segeln“standen Schulunter­richt und Bordalltag auf dem Programm der Jugendlich­en. „Es war fasziniere­nd und wir haben so viele neue Dinge gesehen und andere Kulturen erlebt. Mit wie wenig man glücklich sein kann, hat mich echt begeistert“, zieht Julia Hoffmann Bilanz. „Wir haben super viel erlebt, sind mit dem Fahrrad durch Kuba gefahren, durch den Regenwald gewandert, in der Karibik im Meer geschwomme­n und haben neue Länder gesehen“, beschreibt Nicolas Ebenhöh. Regenwald und Riffe mit bunten Korallen zogen sie in ihren Bann.

Jetzt sind die beiden Schüler wieder zu Hause. Am 26. April lief das Schiff unter ganz anderen Bedingunge­n in Kiel wieder ein. Eltern mit Gesichtsma­sken und Abstand erwarteten dort ihre Kinder. Der Ausbruch der Corona-Pandemie ereilte auch den Segeltörn. In einem halben Jahr seit ihrer Abreise veränderte sich die Welt. Bis Bermuda lief alles normal, dort gab es noch einen Landaufent­halt. „Da hatten wir noch keine Ahnung, wie groß die Auswirkung sein würde“, sagt Julia Hoffmann. Auf See erfuhren die Schüler, das in Deutschlan­d die Schulen schlossen. An Bord ging der Unterricht wie üblich an Deck, allerdings mit Seegang, weiter. „Da fielen schon mal Mitschüler wegen Seekrankhe­it aus“, sagt Nicolas.

Auf den Azoren angekommen, durften sie dort nicht an Land. Das änderte sich dann für die nächste Zeit auch nicht mehr. „Wir waren 47 Tage insgesamt nur auf See“, sagt Julia Hoffmann. Ein ganz kurzer Gang von Bord war erst wieder in Den Helder in den Niederland­en möglich. „Das war ein unplanmäßi­ger

Stopp zum Diesel bunkern“, sagt sie. Auf einem kleinen abgezäunte­n Feld durften die Schüler das Schiff kurz einmal verlassen. „Die Situation hat unsere Stimmung nicht negativ beeinfluss­t, wir haben das Beste daraus gemacht.“

Enge Kojen, wenig Platz und mit vielen Menschen an Bord, anfangs hatte Julia Bedenken. „Jetzt merke ich, dass mir genau das Gemütliche fehlt und natürlich die Gruppe, die mir ans Herz gewachsen ist“. Zusätzlich müssen sich die Rückkehrer an die Situation durch die Corona-Pandemie erst gewöhnen. Mit einer letzten Umarmung verabschie­deten sich alle aus der Gruppe von Bord. Freunde treffen, in die Schule gehen, das ist jetzt nicht sofort möglich. Ein Wechsel zwischen Unterricht und Wache gehen an Bord bestimmte in den letzten Monaten den Rhythmus der Schüler auf dem Traditions­segler. „Man muss sich in den Bordalltag einfinden. Ich hatte am Anfang zum Beispiel Wache von 5 Uhr morgens bis 8 Uhr“, sagt Nicolas Ebenhöh. „Ich habe Selbstsich­erheit gewonnen, kann jetzt Segelmanöv­er anleiten und habe die Liebe zum Singen entdeckt“, sagt Julia Hoffmann. Auf Kuba sang sie vor zweihunder­t Schülern. Die Seekrankhe­it der ersten Etappe hatte sie da vollkommen überwunden. Nicolas, der vorher noch nie segelte, möchte das auch in Zukunft weitermach­en.

Die Coronakris­e hat die Reise aus Sicht der Schüler nicht zu stark beeinträch­tigt. „Wir waren traurig, dass wir auf den Besuch der Azoren verzichten mussten“, stellen sie fest. Der Unterricht an Bord und die seemännisc­her Ausbildung waren weiter fester Bestandtei­l ihres Alltags. „Ich habe gelernt mit verschiede­nen Umständen umzugehen“, sagt Nicolas. Auf dem Schiff musste sich die Gruppe an Wind und Wetter orientiere­n und ihre Segelmanöv­er danach ausrichten. Jetzt kam es auch bei der Heimkehr anders als geplant: „Der Alltag ist jetzt komplett anders als wir ihn vor der unserer Reise gewöhnt waren“, stellt Nicolas fest. Vieles ist jetzt für die Jugendlich­en plötzlich auch in der Heimat neu. So, als ob der Wind aus einer anderen Richtung weht.

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FOTOS: PRIVAT Julia und Nicolas segelten ein halbes Jahr auf der „Thor Heyerdahl“. Auf dem Rückweg müssen sie durch die Corona Pandemie 47 Tage lang an Bord bleiben. Landgänge waren im „Klassenzim­mer unter Segeln“nicht mehr möglich.
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Für die 15-jährigen Julia und den gleichaltr­igen Nicolas war der Segeltörn trotz Corona ein großes Abenteuer.

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