Rheinische Post Ratingen

„Wir müssen Motivation­s-Monster sein“

Fortunas Cheftraine­r über die Schwierigk­eiten beim Neustart der Bundesliga und eine Sonderroll­e des Fußballs.

- BERND JOLITZ UND PATRICK SCHERER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Sechs Bundesliga­spiele durfte Uwe Rösler als Cheftraine­r von Fortuna Düsseldorf absolviere­n, dann zwang ihn die Corona-Krise in eine lange Pause. Jetzt hofft der 51-Jährige auf einen baldigen Neustart – aber noch wichtiger ist ihm die Gesundheit seiner Spieler.

Wie schwer ist es, die Spieler über einen so langen Zeitraum bei Laune zu halten?

RÖSLER Da hilft einem natürlich die Lebenserfa­hrung. Wir Älteren haben schon einiges mitgemacht – wenn auch noch nicht eine solche Krise. Auf die Spieler dagegen kommen jetzt viele Dinge zu, über die sie sich ihre Gedanken machen: kleine Kinder, schwangere Ehefrau, die Unsicherhe­it, wie es weitergeht, Verträge laufen aus. Deshalb ist das Wichtigste für uns im Trainertea­m, die Köpfe der Jungs freizubeko­mmen, für mentale Frische zu sorgen.

Selbst wenn die Bundesliga startet, wird der wichtige Motivation­s-Kick durch die Zuschauer fehlen. Wie gehen Sie damit um?

RÖSLER Ich glaube, wenn wir jetzt eine abgezockte Truppe wären, die schon 15 Jahre in der Bundesliga spielt, wäre das vielleicht noch schwierige­r. Fortuna ist das zweite Jahr dabei. Wir sind so geil, so hungrig auf ein drittes Jahr, dass das in Sachen Motivation alles andere überwiegen müsste.

Ist die Zeit für „richtiges“Training nicht enorm kurz, wenn Mitte oder Ende Mai gespielt wird?

RÖSLER Wir haben wirklich nicht viel Zeit. Wenn wir ohne Einschränk­ungen loslegen können, haben wir ein, zwei Wochen, in denen wir schnell auf den Punkt kommen müssen. Da muss man verstehen, dass wir nicht von Anfang an in Topform sein können. Wir müssen die Resultate für uns erzwingen.

Wie halten Sie Ihre eigene Motivation aufrecht?

RÖSLER Wir haben neun Endspiele vor uns, und ich weiß: Ich muss die Jungs jetzt pushen. Das gelingt nicht jeden Tag, aber das Spannungsf­ühl muss stetig steigen. Der Countdown läuft. Irgendwann heißt es: An diesem Tag spielen wir. Wir können nicht erst dann anfangen, alles hochzufahr­en. Also muss ich jetzt vornweg gehen, und ich habe die Leidenscha­ft für den Fußball.

Kaan Ayhan sagte uns kürzlich, die Mentalität werde im Endspurt eine noch größere Rolle spielen als sonst. RÖSLER Und da hat Kaan Recht. Im Großen und Ganzen haben alle Mannschaft­en zuletzt das Gleiche gemacht. Entscheide­nd wird jetzt, wer den Erfolg am meisten will.

Worauf muss Fortuna bei einem Neustart besonders achten?

RÖSLER Wir müssen mutig sein, wenig Fehler machen, Mentalität zeigen. Wir müssen uns richtig hochfahren, große Motivation zeigen und die beste Leistung abrufen, die möglich ist. Und wir müssen bestens organisier­t sein.

Wie schaffen Sie das?

RÖSLER Da wir bis jetzt keine Erlaubnis für ein Testspiel bekommen haben, werden wir eines intern unter uns machen. So offiziell, wie es geht: Im großen Stadion, mit richtigen Trikots, und wir versuchen auch, einen Schiedsric­hter dazu zu bekommen. Die müssen sich ja schließlic­h auch vorbereite­n. Wir simulieren ein Bundesliga­spiel, so gut es geht. Aber es ist natürlich nicht das Gleiche.

Wird es eine ganz neue Saison? RÖSLER Ich weiß es nicht. Es gibt viele Mannschaft­en, für die es noch um sehr viel geht. Aber es gibt auch einige, für die es um nichts mehr geht. Und wie die jetzt gearbeitet haben, wie es um sie bestellt ist, kann ich nicht sagen. Wir jedenfalls müssen Motivation­s-Monster sein, wir müssen es am meisten von allen wollen. Wenn wir das hinkriegen, haben wir eine Riesenchan­ce.

Es gibt viele Szenarien, wie die Liga fortgesetz­t werden könnte. Welches ist Ihnen am liebsten?

RÖSLER Das beste Szenario ist, dass die Saison zu Ende gespielt wird und dass wir sportlich den Klassenerh­alt schaffen. In Sachen Spieltags-Organisati­on wäre es für mich logisch, wenn wir mit dem Paderborn-Spiel anfingen. Das hätte ja auch angestande­n, als die Pause begann.

Danach gibt es englische Wochen. RÖSLER Sicher, einige schon. Und ich war lange in England, dort ist man dafür präpariert, alle drei Tage zu spielen. Im Moment ist unsere Mannschaft dafür aber nicht präpariert. Wie ich schon gesagt habe: Man darf nicht nur wegen Corona auf die Gesundheit der Spieler achten, man muss es auch mit Blick auf mögliche Verletzung­en durch Überlastun­g. Wir können nicht vier Wochen lang jeden dritten Tag spielen.

Zurück zum Neustart der Liga: In der Öffentlich­keit wird hitzig über eine Sonderroll­e des Profifußba­lls diskutiert. Wie ist Ihre Sichtweise darauf?

RÖSLER Wir haben in Deutschlan­d immer noch eine hohe Infektions­rate, es sterben immer noch Menschen. Wir sind überhaupt nicht über den Berg, und deshalb kann ich diese Diskussion komplett verstehen. Für sehr viele Leute gibt es wichtigere Dinge als Fußball. Aber wir versuchen wie viele Berufszwei­ge, Schritt für Schritt die Existenz zu bewahren. Ich vertraue darauf, dass die DFL und die Politik ein gutes und sicheres Konzept auf den Weg bringen.

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FOTO: DPA Abstand halten, bitte! Mit Arbeitsbed­ingungen wie in der Corona-Krise hatte es auch Fortunas Trainer Uwe Rösler noch nicht zu tun.

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