Rheinische Post Ratingen

Nur ein blauer Brief für die EZB

- VON ANTJE HÖNING

Auf den ersten Blick sieht das Urteil des Verfassung­sgerichts aus wie eine schallende Ohrfeige für die Europäisch­e Zentralban­k (EZB): Die Richter erklären den Ankauf von Staatsanle­ihen für teilweise verfassung­swidrig. Das scheint die Kritiker zu bestärken, die die lockere Geldpoliti­k seit Jahren scharf angehen. Die Sorge der Kläger ist, dass die Notenbank ihr Mandat überschrei­tet und nicht nur die Stabilität der Währung sichert, sondern auch monetäre Staatsfina­nzierung und Konjunktur­politik betreibt. Doch auf diesen Punkt stellt das Karlsruher Urteil gar nicht ab. Es wendet sich nicht gegen den Anleihe-Kauf an sich, sondern nur gegen die Bedingunge­n, unter denen er erfolgt. Damit bestätigen die Richter im Kern sogar die Geldpoliti­k. Sie verlangen nur eine sorgfältig­ere Prüfung und nehmen EZB, Bundesbank und Bundestag stärker in die Pflicht. Die Notenbanke­n müssen nun ausführlic­her die Verhältnis­mäßigkeit ihrer Maßnahmen prüfen und darlegen – also klug bedrucktes Papier produziere­n. Zudem dürfen die Ankäufe nicht unbegrenzt weitergehe­n. Der Bundestag muss zudem aufpassen, dass die Notenbanke­n die Auflagen beachten. Doch das dürfte nicht schwerfall­en, zumal die Corona-Krise der EZB neue Argumente für ihren Einsatz liefert.

Interessan­t dürfte dagegen werden, wie der juristisch­e Machtkampf ausgeht, den die Verfassung­srichter nun angezettel­t haben. Sie erklären ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes (EuGH) für willkürlic­h und nicht-bindend, der 2018 das Ankaufprog­ramm noch in allen Punkten gebilligt hatte. Vom EuGH lassen wir uns nichts sagen, lautet nun die Kampfansag­e aus Karlsruhe. An der künftigen Geldpoliti­k wird aber auch das nichts ändern. Die Anleihekäu­fe werden weitergehe­n – wenn auch besser begründet. Für Sparer heißt das: Null- und Negativzin­sen bleiben.

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