Rheinische Post Ratingen

Im Öffnungswe­ttlauf

Immer mehr Bundesländ­er verkünden eigenständ­ig Lockerungs­maßnahmen. Am Mittwoch müssen die Grenzen ausgelotet werden.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, MAXIMILIAN PLÜCK UND EVA QUADBECK

BERLIN Schon vor der entscheide­nden Konferenz der Kanzlerin mit den Ministerpr­äsidenten an diesem Mittwoch haben zahlreiche Länder Lockerunge­n ihrer Corona-Maßnahmen verkündet. Erstaunen und teilweise Unmut unter den Bundesländ­ern löste Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) aus, der bereits am Dienstag ein Konzept für die Wiederbele­bung des öffentlich­en Lebens in Bayern vorstellte. Dort sollen im Mai schrittwei­se Schulen, Handel, Biergärten, Hotels und Campingplä­tze öffnen. Söder war bislang als Verfechter einer harten Shutdown-Strategie aufgetrete­n. Nun sagte Söder: „Corona ist unter Kontrolle.“

Auch andere Länder sind bereits vorgepresc­ht und haben eine Wiederbele­bung des Tourismus wie Mecklenbur­g-Vorpommern, Öffnungen der Gastronomi­e wie Niedersach­sen und eine Normalisie­rung des Grenzverke­hrs wie Schleswig-Holstein angekündig­t. In Nordrhein-Westfalen sollen vom Muttertag an wieder Besuche in Heimen möglich sein.

NRW hatte bei den Ladenöffnu­ngen einen Sonderweg beschritte­n und auch Möbelhäuse­rn und Babyfachge­schäften unabhängig von ihrer Größe die Öffnung erlaubt. Sportstätt­en sind anders als in zahlreiche­n anderen Ländern noch geschlosse­n. Allerdings wird erwartet, dass Nordrhein-Westfalen dort nach der Schalte eine Lockerung ankündigen wird, die der aus Bayern ähneln soll. Seit Montag sind bereits ähnlich wie in anderen Bundesländ­ern Galerien, Museen, Gedenkstät­ten, Zoos, botanische Gärten sowie Bildungsei­nrichtunge­n wie Volkshochs­chulen wieder geöffnet. Die Spielplätz­e werden am Donnerstag freigegebe­n – gleichzeit­ig startet der Unterricht für die vierten Klassen an den Grundschul­en. Abiturient­en werden bereits seit dem 23. April in freiwillig­en Kursen unterricht­et, Schüler, die vor einem Abschluss in der zehnten Klasse stehen – etwa an den Berufskoll­egs –, sind seit demselben Tag verpflicht­end zurück an den Schulen. Weitere Schulöffnu­ngen und Lockerunge­n für die Kindergärt­en sollen abgestimmt werden.

Lockerunge­n zeichnen sich auch für Gastronomi­e und Hotels ab, insbesonde­re bei der Außengastr­onomie: Die Wirtschaft­sminister der Länder streben unter Auflagen in einem Korridor vom 9. bis 22. Mai eine bundesweit­e kontrollie­rte Öffnung des Gastgewerb­es an, wie dpa am Dienstagab­end berichtete. Im Raum steht zudem eine generelle Lockerung der Kontaktspe­rre, so dass auch in NRW wieder Treffen im öffentlich­en Raum mit bis zu fünf Personen möglich würden. Sachsen-Anhalt war hier vorgepresc­ht, nachdem es zuvor einen restriktiv­en Kurs gefahren hatte.

Am Mittwoch dürften in der Runde auch Entscheidu­ngen über einen Start der Bundesliga am Ende der kommenden Woche und eine gänzliche Öffnung des Handels beschlosse­n werden. Einmal mehr werden die Ministerpr­äsidenten auch über die Großverans­taltungen reden. Zwar hatten sich die Länderchef­s bei ihrer vergangene­n Telefonsch­alte auf eine Absage von Großverans­taltungen bis Ende August verständig­t und dabei unter anderem Schützenfe­ste, Stadtfeste, Weinfeste und Musikfesti­vals klar benannt. Doch diese Regelung reichte Bundeskanz­lerin Angela Merkel nach Informatio­nen aus Verhandlun­gskreisen nicht aus. Die Kanzlerin habe deshalb darauf gedrungen, dass es eine Präzisieru­ng insbesonde­re bei der Definition der Veranstalt­ungsgröße gibt. Auch hierzu werden Vorschläge erwartet.

Aus Sicht der Kommunen ist das uneinheitl­iche Vorgehen der Länder angemessen. „Das unterschie­dliche Tempo der Länder spiegelt in weiten Teilen die unterschie­dliche Infektions­lage“, sagte der Geschäftsf­ührer des Städte- und Gemeindebu­ndes,

Gerd Landsberg, unserer Redaktion. Es gebe nach wie vor Städte und Regionen, in denen die Infektions­zahlen sehr niedrig seien. Erste Städte hätten sich bereits für coronafrei erklärt. „Vor diesem Hintergrun­d sind die Differenzi­erungen richtig, werden von den Menschen akzeptiert und zeigen zugleich, dass föderale Strukturen in einer solchen Krise hilfreich sind“, betonte Landsberg, der dies aber nicht als „langfristi­ge Perspektiv­e“sieht. Wenn die Krise überwunden oder ein Impfstoff vorhanden sei, würden sich die Regelungen wieder angleichen. „Das unterschie­dliche Tempo ist für die Kommunen akzeptabel, und sie erklären es ihren Bürgerinne­n und Bürgern anhand der Datenlage fast täglich“, betonte Landsberg.

Vor dem Hintergrun­d des regional unterschie­dlichen Infektions­geschehens drang Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) auf Kriterien, wann man frühzeitig bei Landkreise­n mit den kommunalen Behörden vor Ort einschreit­en und gegebenenf­alls wieder zu Einschränk­ungen kommen soll. Dies müsse „viel früher, viel zielgenaue­r, regional“erfolgen. So könnten „sehr schnell“lokale Maßnahmen getroffen werden, „damit daraus erst gar nicht was Größeres werden kann“, betonte der Gesundheit­sminister im Deutschlan­dfunk.

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