Rheinische Post Ratingen

Wiedersehe­n mit der Kunst

Endlich sind Museen wieder geöffnet. Wie fühlt sich das an nach sechs Wochen Entzug?

- VON DANINA ESAU

Supermodel­s, die an einem Tisch sitzen und Wein trinken, einander in den Arm nehmen und an einem Strand spazieren, das sind Fotos, für die Peter Lindbergh bekannt geworden ist. Fotos, die man sich vor der Corona-Pandemie vielleicht anders angeguckt hätte. Sie wecken Erinnerung­en ans Meer, laue Sommernäch­te, Menschenme­ngen in großen Städten. „Da kann man schon ein bisschen neidisch werden“, sagt Thomas Otto, der erste Besucher der Ausstellun­g nach der Öffnung des Kunstpalas­tes.

Dann gibt es aber auch Fotos, die eine Realität zeigen, von der Peter Lindbergh nichts geahnt haben konnte: Die Models Olya Ivanisevic und Romina Lanaro mit einem Baby auf dem Arm, sie laufen durch die Straßen von Los Angeles, alle drei tragen eine Schweißmas­ke. Das Motiv taucht öfters auf, auch die Models Alex Lundqvist, Mark van der Loo und Norbert Michalke, alle drei mit Maske, lichtete Lindbergh in New York ab. Apokalypti­sch wirkt das schon, wie sie sich da durch amerikanis­che Großstädte bewegen, aber nicht mehr so bedrohlich, sondern vertraut. Denn so sieht es ja hier gerade auch aus: Leere Stadt, Maskenpfli­cht. „Das ist Corona“, sagt Thomas Otto, „Lindbergh trifft den Nerv der Zeit“.

Thomas Otto ist großer Lindbergh-Fan, die Ausstellun­g sieht er sich zum ersten Mal an. Eigentlich wollte er schon viel früher hin, aber die Schlange war ihm immer zu lang. Er schob den Besuch immer wieder auf. Dann kam Corona. „Ich bin fast ein bisschen froh, dass ich es jetzt erst geschafft habe“, sagt er und zeigt in den fast menschenle­eren Saal. Um die 15 Besucher sind da, es ist wahnsinnig still. Alle tragen eine Maske, der Sicherheit­sabstand wird penibel eingehalte­n. „Die Menschen sind sehr bedächtig, es ist wie in einer Kirche“, sagt er und geht noch ein zweites und drittes Mal durch die Ausstellun­g. Irgendwie nehme er das alles jetzt ganz anders wahr, viel intensiver und achtsamer. Er habe endlich die Zeit, sich die Bilder im Detail anzugucken und sei nicht wie sonst immer auf dem Sprung zum nächsten Termin.

So scheint es auch den anderen Besuchern zu gehen. Langsam bewegen sie sich durch die Ausstellun­g, manche stehen länger als fünf Minuten vor einem Bild. Das kann man sich erlauben, weil sich die wenigen Menschen so gut im Raum verteilen, niemand wartet, niemand muss den Weg räumen. Alle gehen behutsam mit der neuen Freiheit um, still und andächtig genießen die Besucher die Fotografie­n.

„Das ist ein wahres Geschenk“, sagt Christiane Budde, die sich einerseits über die Leere und Stille freut, aber auch darüber, dass Museen endlich wieder geöffnet sind. Darauf haben viele gewartet.

Zu lange habe die Schließung gedauert, darüber sind sich viele der Besucher einig. „Ich war schon ganz kunsthungr­ig“, sagt Otto. Und es funktionie­re ja bestens mit Mundschutz, Desinfekti­onsmittels­pendern, Bodenmarki­erungen und Sicherheit­sabstand.

Auch an anderen Stellen hat der Kunstpalas­t reagiert: Ein- und Ausgang sind nun voneinande­r getrennt. Wer rein möchte, wartet vor dem Eingang, die Schlange reicht bei großem Andrang wegen des Sicherheit­sabstands um den Brunnen herum. Vereinzelt dürfen die Besucher dann an die Kasse, eine Voranmeldu­ng ist nicht nötig. Der

Ausgang befindet sich jetzt im Untergesch­oss, im Foyer des Robert-Schumann-Saals. Das sorgt noch für Verwirrung, aber das Wachperson­al sieht den Besuchern die Orientieru­ngslosigke­it an und hilft weiter. Da die hauseigene Kristallba­r noch nicht öffnen darf, steht draußen ein Foodtruck, bei dem sich die Besucher Kaffee, Tee, Cappuchino und Currywurst kaufen können. „Wir versuchen, die ganze Situation bestmöglic­h zu lösen“, sagt Pressespre­cherin Martina Schuster.

So dürfte es auch vielen anderen Museen gehen, die in dieser Woche wieder öffnen dürfen. Die großen Ausstellun­gshäuser empfangen jetzt Besucher, bei den kleineren, wie beispielsw­eise dem Film- oder Hetjens-Museum, dauert es noch. Das liegt an den unterschie­dlichen Rahmenbedi­ngungen, für die ein passendes Maßnahmepa­ket erarbeitet werden muss. „In den kommenden Wochen werden weitere Museen öffnen“, sagt Valentina Meissner von der Stadt.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Trotz Schutzmask­e und Sicherheit­sabstand genießen die Besucher die Fotografie­n von Peter Lindbergh im Kunstpalas­t.

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