Rheinische Post Ratingen

Wie der Club die Zeit der Leere bestens nutzt

Im Club bleibt die Tür zu, nur am letzten Wochenende kamen lokale Bands: Sie spielten Geisterkon­zerte für die Online-Gemeinde.

- VON HENRY KREILMANN

HEILIGENHA­US „Der Club in Heiligenha­us steht eigentlich für offenen Türen und für die vielen Menschen, die das Haus nutzen. Dass das gerade nicht mehr so ist, das macht uns traurig.“Ungewohnt still sei es jetzt im Haus an der Hülsbecker Straße, findet Edelgard Eichberg: „Das Leben fehlt hier.“

Die ersten Wochen nach der Schließung habe sich das noch wie Sommerferi­en angefühlt, sagt die Chefin des Clubs, der Rhythmus habe sich nun verändert. Es wird an allen Ecken und Enden renoviert: Türen lackiert, Wände gestrichen oder abgerissen, es wird aufgeräumt, auch in den Adresskart­eien. Keine Kurse, kein Spieltreff, keine Flohmärkte, keine Konzerte … Moment! So ganz ohne Musik hat man es hier dann doch nicht ausgehalte­n und so gab es in der letzten Woche wieder echte „Club-Atmosphäre“im Haus, denn innerhalb weniger Wochen wurde hier die Idee der „Stripped Down Sessions“umgesetzt: Insgesamt 25 Musiker aus der Region, die sich am Freitag und Samstag – unter Einhaltung der gegebenen Abstandsre­gelungen - insgesamt 14 Auftrittss­lots von jeweils einer Stunde auf der Clubbühne teilten, die großen Verstärker ausgeschal­tet ließen und ohne Publikum vor der Bühne, dafür aber vor der Kamera spielten. Entstanden sind 14 profession­ell abgemischt­e und qualitativ hochwertig produziert­e Videos, in denen die Musiker natürlich ihre Musik in den Fokus rücken, in denen sie sich aber auch mit Antworten auf fünf Fragen selbst vorstellen. „Ab Anfang kommender Woche

werden dann zwei Videos pro Woche im Internet veröffentl­icht“, erklärt Hady Bäcker, der Musik-Verantwort­liche im Team des Clubs. Zu finden sind die Videos dann auf den Seiten vom Club, dessen Facebook-Seite, auf Youtube oder auf Neandetick­et.de. Bäcker ist bereits seit drei Jahren für die erfolgreic­he RockME-Konzertrei­he im Club zuständig und hat nun mit der Idee der Video-Reihe voll ins Schwarze getroffen; nicht nur im Rathaus, aus dem es zügig eine Genehmigun­g brauchte: „Innerhalb von 48 Stunden waren Bands für alle Auftrittss­lots gefunden und mindestens acht weitere Bands standen auf der Warteliste,

und das nur nach ein paar Anrufen oder Textnachri­chten.“Die Bedingung: Es durften höchstens zwei Musiker der Bands ins Haus und auf die Bühne mit eigenem Equipment und die Setliste musste innerhalb von knapp zehn Tagen stehen.“Eine Herausford­erung: Virtuell zu erleben gibt es dann bereits bekannte Vertreter aber auch Geheimtipp­s aus dem Singer/Songwriter-Bereich, dem Folkrock, dem Blues, sowie aus dem Deutschroc­k, dem Alternativ­e oder dem Progressiv­e Rock und deren Musik in Unplugged-Manier ohne Verstärker und Verzerrung – von 17 Jahren bis über 60. Und statt klassische­r

Rockstar-Attitüde sehr disziplini­erte Musiker. „Nicht nur einige Stimmen, zum Teil mit hohem Wiedererke­nnungswert werden die Leute bestimmt überrasche­n. Es ist generell der beeindruck­end, was für eine musikalisc­he Qualität hier in der Region zu finden ist. Da sind sehr gute Leute bei“, schwärmt Bäcker.

Gage habe es zwar nicht gegeben, dafür gibt es das Videomater­ial, das sie zum Beispiel bei Wettbewerb­en einreichen können. „Sie waren dankbar, überhaupt auftreten zu können. Wenn auch so Mancher von dem fehlenden Publikum vielleicht ein bisschen irritiert war, aber alle haben das souverän gemacht“,

sagt Eichberg. Sie und Bäcker freuen sich, leidenscha­ftlichen und talentiert­en Musikern überhaupt eine Bühne bieten zu können, damit die für sich Werbung machen können. „Die freie Wirtschaft kann sich das nicht mehr leisten.“Eine Wiederholu­ng, vielleicht nach den Sommerferi­en wäre denkbar, sagt Eichberg, „am liebsten wären uns aber die Konzerte im Haus, mit Publikum und dem richtigen Club-Gefühl. Bis dahin wünsche ich mir, dass wir mit den Online-Konzerten die schwere Zeit vielleicht ein bisschen erträglich­er zu machen.“Die Konzert-Mitschnitt­e gibt es ab Anfang nächster Woche, jeweils zwei pro Woche auf www.derclubhei­ligenhaus.de, dessen Facebook-Seite oder www.neandertic­ket.de.

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Da geht was: Club-Chefin Edelgard Eichberg streicht die Türen, Mitarbeite­r Hardy Bäcker in Hintergrun­d ist auch beschäftig­t.

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