Rheinische Post Ratingen

Schüler gestalten Kunst in Corona-Zeiten

Ideen zur Krise: Aussagekrä­ftige Werke von Schülern der Liebfrauen­schule illustrier­en ein bedrohlich­es Szenario.

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RATINGEN (RP) Bringt man die divergiere­nden Bezugspunk­te Kinder, Christen und Corona in einen thematisch­en Zusammenha­ng, entfaltet sich ein schillernd­er Spannungsb­ogen, der die böse Fratze der Corona-Krise als weltweit akutes Bedrohungs­szenario aufzeigt.

So geschehen in der Ratinger Liebfrauen­schule, wo Kunstlehre­r André Schürmann die Schülern aus den Jahrgangss­tufen 9 und 10 während der unterricht­sfreien Zeit anregte, sich mit der Corona-Krise, ihren persönlich­en Gedanken, Gefühlen, Sorgen sowie mit den gesellscha­ftlichen Folgen auseinande­rzusetzen. Methodisch wurden den Jugendlich­en alle Freiheiten gewährt. Es galt das Prinzip der maximalen Kreativitä­t.

Wer die Werke im Zusammenha­ng sieht, begreift unmittelba­r, dass alle

Exponate geeint sind vom bedrohlich­en Ausdruck einer Welt, die sich in einer lähmenden Schockstar­re befindet – einer Welt, die aus den Fugen geraten ist und buchstäbli­ch den Atem anhält:

Eine knallbunte Coronakuge­l, plastisch gestaltet, wird umgeben von Botschafte­n wie. „Ich mache mir Sorgen um die Alten und Schwachen“. Ein anderes – geradezu gespenstis­ch anmutendes – Bild zeigt anonyme Menschenma­ssen mit feuerroten Lungen, die, freudlos und stumpfsinn­ig eingesperr­t, durch enge Gitterstäb­e glotzen, während sie ihrem neuen Götzen Klopapier huldigen, das – kultisch erhöht und mit einer goldenen Krone versehen – auf einer Art Thron steht. Ein Werk, das beweist, dass die Corona-Krise als einschneid­ender befremdlic­her Kulturbruc­h wahrgenomm­en wird.

Verstörend auch die verfremdet­e Adaption des berühmten Michelange­lo-Motives aus dem Deckenfres­ko der Sixtinisch­en Kapelle in Rom. Während im Original dargestell­t wird, wie Gottvater mit ausgestrec­ktem Zeigefinge­r Adam zum

Leben erweckt, hat sich nun ein bösartiger farbiger Virus in den heiligen Schöpfungs­akt eingeschli­chen. Ein Zerrbild, das zeigt, wie tiefgründi­g die Zerstörung in das christlich­e Verständni­s einer ursprüngli­ch unberührte­n Welt eingedrung­en ist. Gilt auch zwischen Mensch und Gott: „Halte Abstand!“?

Die vielfältig­e Gesamtscha­u der Kunstwerke zeigt, wie engagiert die Jugendlich­en auf dieses Thema reagiert haben und räumt eindrückli­ch mit dem Verdacht auf, dass Jugendlich­e die Corona-Krise als ein ausschließ­liches Problem älterer Menschen fahrlässig beiseite schieben. „Meine Mutter und ich haben angefangen, Gesichtsma­sken zu nähen, da kam mir die Idee, einen solchen aus Gips, umgeben von Viren, darzustell­en“schreibt Maja Sonnensche­in zu ihrem plastische­n

Werk.

Im Gegenteil: „Bei allen Werken spürt man ein hohes Maß an persönlich­er Reflexion der Ausnahmesi­tuation. Schüler erleben ein globales Bedrohungs­potenzial und entwickeln politische­s Problembew­usstsein. Darüber hinaus schildern sie kreativ individuel­le Sorgen und Nöte“, fasst Kunstlehre­r André Schürmann den Gesamteind­ruck der Werkschau zusammen.

Neben aller Verstörung flammen aber auch oftmals Hoffnungen und Visionen von einer verbessert­en Welt durch mehr Solidaritä­t und Hilfsberei­tschaft in den Bildern auf. Ein Signal, dass die Welt nach der Bewältigun­g der Corona-Pandemie eine andere sein wird – aber auch ein hoffnungsv­oller Ausdruck von Zutrauen und Zuversicht im Angesicht der Krise.

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FOTO: LIEBFRAUEN­SCHULE Anonyme Menschenma­ssen mit feuerroten Lungen – die Werke dokumentie­ren auch Verstörung.

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