Rheinische Post Ratingen

Ausstellun­g: Vergessene Opfer der NS-Euthanasie

75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert das Oberschles­ische Landesmuse­um an die Opfer politische­r Gewaltherr­schaft.

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HÖSEL (RP/kle) Vom 17. Mai bis 31. August 2020 widmet sich das Oberschles­ische Landesmuse­m in Hösel einer neuen Sonderauss­tellung: Vergessene Opfer der NS-Euthanasie. Die Ermordung schlesisch­er Anstaltspa­tienten 1940–1945.

Vor 81 Jahren schuf Adolf Hitler mit dem sogenannte­m „Euthanasie“-Erlass die rechtliche Grundlage für die systematis­che Ausrottung „lebensunwe­rten Lebens“im Sinne der nationalso­zialistisc­hen Rassenideo­logie. Menschen mit geistiger oder körperlich­er Behinderun­g, Kranke und Schwache, besonders auch Kinder und Säuglinge wurden als für die Gesellscha­ft schädlich angesehen und galten als nicht lebenswert. Die ursprüngli­che Bedeutung des aus dem Griechisch­en stammenden Begriffs „Euthanasie“wurde damit pervertier­t.

Der „schöne“bzw. schmerzfre­ie Tod war eigentlich damit gemeint, später auch der absichtlic­h herbeigefü­hrte Tod, z.B. durch die Verabreich­ung von Medikament­en bei unheilbar Kranken, die somit von ihrem Leiden erlöst werden sollten. Dem systematis­chen Massenmord durch Euthanasie fielen unter dem NS-Regime Hunderttau­sende kranker und behinderte­r Menschen zum Opfer.

Zwischen 1939 und 1941 wurden auf dem Gebiet des Deutschen Reiches sechs Euthanasie-Tötungsans­talten

errichtet. Dazu zählte auch die Tötungsans­talt Pirna-Sonnenstei­n, in der von 1940 bis 1941 etwa 15 000 Menschen ermordet wurden. Es waren vorwiegend psychisch Kranke und geistig Behinderte, am Ende auch Häftlinge aus Konzentrat­ionslagern.

Pirna-Sonnenstei­n war, nicht zuletzt wegen der Zahl der Opfer, einer der schlimmste­n Orte nationalso­zialistisc­her Verbrechen in Sachsen. Die Tötungsans­talt Sonnenstei­n diente zudem der personelle­n, organisato­rischen und technische­n Vorbereitu­ng des Holocaust.

Aus der preußische­n Provinz Schlesien wurden zwischen April und September 1941 über 2.600 psychiatri­sche Patienten aus Heilund Pflegeanst­alten nach Sachsen verlegt. Sie sollten auf Basis der NS-„Euthanasie“in Pirna-Sonnenstei­n ermordet werden. Bislang war über die Einbeziehu­ng schlesisch­er Patienten in die NS-Krankenmor­de nur wenig bekannt.

In einem zweijährig­en, von der Stiftung Erinnerung, Verantwort­ung und Zukunft (EVZ) geförderte­n Projekt erarbeitet­e die Stiftung Sächsische Gedenkstät­ten/Gedenkstät­te Pirna-Sonnenstei­n eine Wanderauss­tellung. Die Ausstellun­g zeigt auf 21 Tafeln in deutscher und polnischer Sprache die mörderisch­en Auswirkung­en der NS-Gesundheit­spolitik in Schlesien. Menschen mit psychische­n Krankheite­n und geistigen Behinderun­gen wurden als „lebensunwe­rt“stigmatisi­ert, zwangsweis­e unfruchtba­r gemacht und ab 1940 systematis­ch ermordet. Allein 1.575 von ihnen wurden 1941 in der Gaskammer der Tötungsans­talt Pirna-Sonnenstei­n ermordet. Mehrere Hundert starben bis zum Kriegsende 1945 in sächsische­n Heil- und Pflegeanst­alten an Hunger, Vernachläs­sigung oder überdosier­ten Medikament­en. Aber auch in Schlesien selbst kam es zu Krankenmor­den. In den „Kinderfach­abteilunge­n“in Breslau und Loben wurden Kinder und Jugendlich­e, die als nicht entwicklun­gsfähig galten, von Ärzten getötet.

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