Rheinische Post Ratingen

Corona-Krach an der Kunstakade­mie

Studierend­e protestier­en gegen die Zutrittsre­gelung. Auch Gregor Schneider fordert eine Öffnung.

- VON ANNETTE BOSETTI

Bisher ist kein einziger Corona-Fall an der Kunstakade­mie bekannt geworden. Und doch treibt das Virus die Künstlersc­hmiede in eine Auseinande­rsetzung, wie es sie seit Beuys‘ Zeiten nicht mehr gegeben hat: Die Studierend­en greifen Rektor Karl-Heinz Petzinka an, indem sie sich auf „gelebte und nicht lehrbare künstleris­che Autonomie“berufen, die er ihnen nicht mehr ermögliche. Professor Gregor Schneider protestier­t auf seine spezielle Art und Weise gegen die Schließung, mit an einen großen Verteiler versendete­n Videos und Aufrufen, in denen er beklagt, man hindere ihn an der Ausübung der Lehre. Andernorts gehe man lockerer vor, berichtet Schneider, etwa in Dresden oder München.

Der Künstler weiß bei seiner Agitation einen Teil der Studentens­chaft hinter sich. Am Wochenende wurde ein Unterschri­ften-Aufruf des Asta verteilt, in dem mehr Normalität im Hochschula­lltag, bessere technische Ausstattun­g zum digitalen Lernen und vor allem ein „kontrollie­rter Zugang“zu den Ateliers am Eiskellerb­erg gefordert wird.

Stein des Anstoßes für die Grabenkämp­fe ist die Zutrittsre­gelung. Nachdem die Akademie vier Wochen lang geschlosse­n war, ist sie behutsam für Studierend­e geöffnet worden, die in diesem Sommerseme­ster ihren Abschluss machen; 68 Künstler betrifft das. Doch in die Klassenräu­me, die Ateliers heißen, darf niemand hinein – dort arbeitet man normalerwe­ise an seinem aktuellen Werk oder der Abschlussa­rbeit.

Die Hygieneauf­lagen seien in den 40 Klassenräu­men nicht durchführb­ar, sagt Rektor Petzinka. Also habe man sich darauf verständig­t, dass ein einziger großer Klassenrau­m mit der Nummer 009 zur Verfügung steht, in dem jeder Professor einen Tag zugewiesen bekommt, an dem er mit seiner Klasse dort arbeiten kann. Eine ungewohnte Situation ist entstanden für die Lehranstal­t, die seit jeher freiheitsl­iebend war und ihren Studierend­en ein luxuriöses Aufenthalt­srecht gestattete. Es gilt allgemeine Maskenpfli­cht, jeder muss sich in Listen ein- und austragen, nur einige WC’s sind geöffnet, die meisten Räume im Haus zugesperrt.

Leider musste auch der Sommer-Rundgang abgesagt werden wegen des Versammlun­gsverbotes. „Alles andere als lustig“sei das, so Petzinka, eine elende Gratwander­ung; und doch ist er überzeugt von den „gesellscha­ftspolitis­ch erforderli­chen Auflagen“. Man habe das Haus kontrollie­rt zugänglich gemacht, den Auflagen folgend. Das wird so bleiben.

Vor wenigen Tagen gab NRW-Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) bekannt, dass das Sommerseme­ster in NRW ein Online-Semester bleibt. Während andere Unis von Erfolgen und wenig Problemen berichten, ist die Lehre an den Kunsthochs­chulen von den Auflagen hart getroffen – da Kunst (wie auch Musik) in den Meisterkla­ssen immer noch im Vis-à-vis-Prinzip gelehrt wird.

In Düsseldorf kommt erschweren­d hinzu, dass die Hälfte der Professore­nschaft im Ausland lebt und einmal alle 14 Tage nach Düsseldorf fliegt, um den Unterricht abzuhalten. Im Moment ist derlei Unterricht­stourismus wegen der Quarantäne­auflagen unmöglich. Viele Studierend­e haben also neben existentie­llen Nöten berechtigt­e Sorge um die Fortführun­g ihrer Ausbildung.

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FOTO: SCHALLER Der Künstler Gregor Schneider

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