Ein halbes Jahrhundert Kant-Gymnasium
Im Jahr 1970 ziehen Gymnasiasten in die ersten fertig gestellten Gebäudeteile des damals noch namenlosen Heiligenhauser Gymnasiums an die Herzogstraße. Die Architektur – mit zwischenzeitlich modifizierter Fassade – ist bis heute ein Blickfang.
HEILIGENHAUS Bis in die späten 60er Jahre mussten Heiligenhauser Schüler, die das Abitur vor Augen hatten, in Nachbarstädte pendeln, nach Velbert oder Essen.
Erst 1965 kommt Bewegung in die Errichtung einer Bildungseinrichtung, in der man die Hochschulreife auch in Heiligenhaus erlangen kann: Der Kultusminister sagt seine Unterstützung zu und die Stadt findet ein passendes Grundstück. An der Herzogstraße soll das Haus entstehen, das in den Planungen und noch für eine Weile den Namen „Städtisches Neusprachiges Gymnasium für Mädchen und Jungen“tragen wird; zu Beginn sogar noch mit dem eher kryptisch klingenden „I. E.“als Zusatz, „Im Entstehen“. Mit dem Architekten Heinz Ruhl übernimmt ein Essener die Planung des Schulgebäudes. Er hatte bereits in den 50er Jahren, als damals 22-Jähriger, den Neubau des Bochumer Hauptbahnhofes im Stil der Nachkriegsmoderne entworfen und sollte auch in Heiligenhaus ein architektonisch präsentes Gebäudeensemble schaffen, das durchaus zur zweiten Welle der nachkriegsmodernen Architektur gezählt werden kann. Während der Schulbetrieb in Heiligenhaus mit einer feierlichen Eröffnung am 9. August 1968 in den Räumen der ehemaligen Berufsschule am Südring provisorisch beginnt und eine die Erwartungen übertreffende Schülerzahl von 135 ins Schuljahr startet, entsteht an der Herzogstraße
75 ein vergleichsweise doch recht ungewöhnliches Gebäudeensemble in der Gemeinde.
Die Gebäude werden sich durch klare Formen auszeichnen. Einzelne Trakte für die jeweiligen Klassenstufen sind vom Architekten in Teilen halbgeschossig gegeneinander angeordnet, sie trennen damit die einzelnen Schulbereiche und verbinden sie über Wegbeziehungen, die damit städtebauliche Strukturen vermitteln sollen. Bis die ersten Schüler hier jedoch durch stromern, wird es noch dauern: 1969 zieht die Schülerschaft und das siebenköpfige Lehrerkollegium unter Schulleiter Alois Guthardt (Schulleiter von 1968 bis 1991) noch einmal in ein Provisorium an der Schulstraße. Doch am 7. September 1970 erfolgt die Schlüsselübergabe
für den ersten Bauabschnitt durch den Architekten Ruhl an den stellvertretenden Bürgermeister August-Wilhelm Meysenburg und einen Tag später ziehen die jüngsten Gymnasiasten am ersten Schultag in das nagelneue Schulgebäude ein. Das nun fertige „Mittelstufenhaus“wird von den Klassen 7 und 8 am 7. Januar 1972 erobert. Im August des gleichen Jahres wird das Hauptgebäude und im Dezember die Sporthalle für den Schulbetrieb eröffnet. Und 1973 der letzte große Bauabschnitt beendet: Die Einweihung der Aula ist am 2. Juni.
Eine Besonderheit des Komplexes: Die Fassade bekleideten die Bauherren damals mit einer für die damalige Zeit avantgardistischen hinterlüfteten Cortenstahlfassade, die gewollt eine Rostschicht entwickelte. Massive Schäden an der Aufhängung waren Anfang der 2000er Jahre dann Anlass zur Sanierung einer insgesamt 2500 Quadratmeter großen Fassadenfläche. In zwei Bauabschnitten übernahm das die Kölner Architektin Ute Piroeth, die bereits die Neugestaltung der Rathaus-Fassade abgewickelt hatte und derzeit auch für die Planungen der Sanierung des Familienzentrums in der Oberilp verantwortlich ist. Für die Gymnasiumsfassade entschied sie sich für ein Mosaik, das die vom
Architekten Ruhl entworfenen Räume der Fachbereiche mit jeweils eigenen Farbabstufungen wieder aufgreife, sich aber grundsätzlich vom Baukörper selbst absetzen soll. Wie Piroeth erklärte, sei die Ziegelfassade vielmehr als „Tapete“vorgehängt, aber trotzdem Spiegel des Inneren, damit nehme sie die Strukturen der Vielfalt des Lebens an einem Gymnasium wieder auf.
Im nächsten Teil geht es um die Frage, was den 31. März 1925 in Heiligenhaus zu einem besonderen Tag machte.