Rheinische Post Ratingen

Landesregi­erung lockert Mieterschu­tz

Für Städte mit angespannt­em Wohnungsma­rkt gelten strenge Vorgaben für Vermieter. NRW halbiert nun die Zahl der betroffene­n Kommunen. Daran wird heftige Kritik laut.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Für drei Millionen Mieter verschlech­tert sich ab 1. Juli in NRW die Rechtslage. Auslöser ist die Mieterschu­tzverordnu­ng der Landesregi­erung. Das Vorhaben von NRW-Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch (CDU) sieht vor, dass in deutlich weniger Kommunen die strengen Vermieterv­orgaben angewendet werden. Dabei geht es um die Mietpreisb­remse bei Neuvermiet­ung, strenge Vorgaben bei der Eigenbedar­fskündigun­g durch den Wohnungsei­gentümer und die Kappungsgr­enzen, also ein Limit bei der Anhebung der Bestandsmi­eten.

„Ich kann da keinen Mieterschu­tz erkennen“, sagte der Vorsitzend­e des Deutschen Mieterbund­es NRW, Hans-Jochem Witzke, unserer Redaktion. „Das Ganze geschieht noch im Schatten von Corona – in einer Nacht- und Nebelaktio­n wird das jetzt durchgepei­tscht.“Es sei ein Kahlschlag, wenn nur noch 18 Gemeinden mit 2,9 Millionen Menschen unter die Regelungen fielen. Zuvor unterlagen 37 Kommunen mit bis zu sechs Millionen Menschen dem schärferen Mieterschu­tz.

In zahlreiche­n Kommunen, denen noch im vergangene­n Jahr in einem Gutachten für das Scharrenba­ch-Ministeriu­m ein angespannt­er Wohnungsma­rkt attestiert wurde, herrscht Unverständ­nis darüber, dass sie nun nicht mehr zu den betroffene­n Städten und Gemeinden zählen sollen: „Gerade in einer Zeit, in der die wirtschaft­lichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie erst spürbar werden, wäre Sicherheit im Mieterschu­tz wichtig“, sagte der Neusser Bürgermeis­ter Reiner Breuer (SPD). „Stattdesse­n verunsiche­rt die Landesregi­erung Mieterinne­n und Mieter und lässt die Kommune mit dem Problem der explodiere­nden Wohnkosten allein.“

Die Kritik entzündet sich am Gutachten der Beratungsf­irma Empirica, das der Verordnung zugrunde liegt. In einer Stellungna­hme der kommunalen NRW-Spitzenver­bände ist die Rede von „massiven Widersprüc­hen“und handwerkli­chen Mängeln: „Die vorliegend­en Ergebnisse stehen weder methodisch noch politisch im Einklang mit den kommunalen wohnungspo­litischen Zielen.“Eine Beurteilun­g, die der Aachener Wirtschaft­sförder Manfred Sicking teilt. Die Einschätzu­ng der Gutachter, dass Aachen nicht mehr zu den Gemeinden in NRW zu zählen sei, in denen ein angespannt­er Wohnungsma­rkt identifizi­ert werden könne, entspreche „definitiv nicht der Realität vor Ort“.

Die kommunalen Spitzenver­bände bemängeln unter anderem, dass in dem Gutachten Leerstands­daten aus dem Jahr 2011 verwendet wurden. Auch seien bei der Frage der Mietbelast­ung nur Einkommens­werte auf Kreisebene vorhanden. Im Falle von Großstädte­n innerhalb eines Landkreise­s müsse man aber davon ausgehen, dass die dort lebenden Menschen weniger verdienten als in den Umlandgeme­inden.

Das Ministeriu­m ließ eine Anfrage zu den Widersprüc­hen zwischen vorangegan­genen Gutachten und der aktuellen Studie bis Redaktions­schluss unbeantwor­tet.

Das Thema dürfte die Politik im Kommunalwa­hlkampf weiter beschäftig­en. Der Vorsitzend­e des Mieterbund­s geht davon aus, dass die Lage in NRW angespannt bleibt: „Die Corona-Pandemie wird allenfalls einen vorübergeh­enden Effekt haben. Wenn sich die wirtschaft­liche Lage 2021 oder 2022 wieder normalisie­rt, wird die Knappheit von Wohnraum sich auch in steigenden Mieten niederschl­agen. Ein Effekt, den wir im Übrigen nicht mehr nur in den Städten erleben“, sagte Witzke.

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