Rheinische Post Ratingen

Thyssenkru­pp bündelt Problemfäl­le

Der angeschlag­ene Konzern lagert Geschäfte ohne Zukunft mit 20.000 Mitarbeite­rn aus. Anleger begrüßen das. Die Stahl-Belegschaf­t will einer Fusion nur zustimmen, wenn diese nicht noch mehr Jobs kostet. Was von Thyssenkru­pp übrig bleibt

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN Böse Zungen buchstabie­rten Krupp früher spöttisch so: „Keine Rendite und permanent pleite“. Immer wieder fehlte dem Traditions­konzern Geld, aktuell fehlen Milliarden. Um das Schlimmste abzuwenden, sucht der Vorstand um Martina Merz nun das Heil in der Zerlegung und scheut dabei vor nichts zurück. Selbst eine Trennung vom Stahl, der Keimzelle des Konzerns, ist möglich. „Wir haben keine Denkverbot­e mehr“, machte Merz am Tag nach der Aufsichtsr­atssitzung klar. Es sei denkbar, dass Thyssenkru­pp die Mehrheit am Stahlgesch­äft abgebe.

Zwar tragen die Arbeitnehm­er im Aufsichtsr­at den Plan mit, dennoch ist die Stahl-Belegschaf­t alarmiert. „Eine Konsolidie­rung gegen die Interessen der Beschäftig­ten wird es mit uns nicht geben, einen zusätzlich­en Arbeitspla­tzabbau lehnen wir ab“, warnte Tekin Nasikkol, Betriebsra­tschef

im Stahl. Und von einem zweiten Fusionsanl­auf mit dem indischen Konkurrent­en Tata hält er auch nichts: „Eine Konsolidie­rung, die die Sozialpart­nerschaft infrage stellt, ist für uns keine Option. Einen Vorstand in Amsterdam oder anderswo lehnen wir ab.“Es geht um 28.000 Stahlkoche­r. Merz bestätigte, dass es Sondierung­sgespräche mit in- und ausländisc­hen Wettbewerb­ern gebe. „Die deutsche Lösung ist eine der Optionen, die wir prüfen.“Tatsächlic­h winken Bund und NRW bereits mit Staatshilf­e. Die Anleger sind zufrieden, die Aktie legte weiter zu auf fünf Euro.

Auch für die Werften sucht man einen Partner: Man wolle mit der Bremer Lürssen-Werft einen nationalen Champion schmieden, führe aber auch Gespräche mit dem italienisc­hen Konkurrent­en Fincantier­i, so Vorstand Oliver Burkhard.

Zugleich steckt der Konzern Töchter, die schlecht laufen, in eine Bad Bank – Thyssenkru­pp nennt die Einheit

Verkauf Aufzüge (53.000 Jobs)

Fusionsplä­ne Stahl (28.000), Werften (6000)

Bad Bank Anlagenbau (11.000), Edelstahl, Grobblech, Federn

Bleibt Automotive (26.000), Werkstoffh­andel (20.000), Komponente­n (13.000 )

„Multi-Tracks“. Dazu gehören der Anlagenbau, das Edelstahlw­erk im italienisc­hen Terni, der Bereich Federn und Stabilisat­oren. Diese sollen einen Partner finden oder verkauft werden. Anderen Bereichen wie die Grobblech-Produktion in Duisburg-Hüttenheim droht die Schließung. Zur Bad Bank gehören Geschäfte mit einem Umsatz von sechs Milliarden Euro und 20.000 Mitarbeite­rn.

Man werde keine Notverkäuf­e machen, so Merz. Doch wegen Corona hat sich die Konzernkri­se so verschärft, dass die für Sommer erwarteten Erlöse aus dem Verkauf der Aufzugspar­te (53.000 Mitarbeite­r) zum Stopfen der Löcher verwendet werden müssen. Ob überhaupt noch etwas bleibt, um die Pensionsla­sten auszufinan­zieren, ließ Finanzchef Klaus Keysberg offen: „Wir fahren auf Sicht. Als erstes werden wir die Finanzschu­lden zurückzahl­en.“Wie hoch die werden, hängt von der Dauer der Corona-Krise

ab. Keysberg beruhigt die Pensionäre: Im Fall der Fälle stände der Pensionssi­cherungsve­rein bereit.

Als 100-prozentige Töchter bleiben dem Konzern damit nur noch der Werkstoffh­andel, das Geschäft mit Industriek­omponenten und Autoteilen. Hier sind insgesamt 60.000 der 108.000 Thyssenkru­pp-Mitarbeite­r tätig. Stahl und Werften könnten als Minderheit­sbeteiligu­ng gehalten werden. Thyssenkru­pp schrumpft damit zu einer Art Beteiligun­gsgesellsc­haft – „Group of companies“, wie Merz sagt.

Im NRW-Wirtschaft­sministeri­um schaut man genau hin. „Wir sind mit der Unternehme­nsspitze und den Sozialpart­nern in enger Abstimmung über die eingeleite­ten Sanierungs­maßnahmen sowie die klimaneutr­ale Produktion der Zukunft“, so ein Sprecher. Verhandlun­gen über eine Beteiligun­g von NRW an ThyssenKru­pp fänden aber nicht statt.

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FOTO: DPA Hochofen Duisburg.

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