Die Fragen der Reisenden in der Corona-Krise
Seit Beginn der Pandemie erreichen Reiserechtler Sven von Below viele Anfragen, jetzt gibt er Tipps auf einer speziellen Internetseite.
DÜSSELDORF Rechtsanwalt Sven von Below ist einer von nur wenigen in Düsseldorf ansässigen Reiserechts-Spezialisten. Seit Beginn der Corona-Krise landen täglich Dutzende von Anfragen bei ihm. Mit dem Flughafen Düsseldorf hat er den drittgrößten Airport Deutschlands und das wichtigste internationale Drehkreuz NRWs direkt vor der Tür. Vor wenigen Tagen schaltete er eine neue Reiserechtswebseite frei: www.flug-reise-recht.eu. Der 48-Jährige, der auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht ist, konzipierte sie für alle Probleme rund um das Reiserecht, einen Schwerpunkt bildet aufgrund der aktuellen Entwicklungen das Thema Reiseabbruch bei Corona.
Gesamtlage Corona ist das zentrale Thema. „Keiner redet im Moment über Verspätungen oder Annullierungen,“sagt er. Die ersten zehn Tage nach dem Shutdown waren die Düsseldorfer in der Schockstarre, dann ging es los. „Ich dachte, Flüge und Urlaube bucht eh niemand mehr, aber ganz anders.“Es geht auch um viele Reisen, die die Düsseldorfer in den Wirren des Shutdowns noch rasch gebucht haben.
Beispiele Wenn ein Kunde etwa direkt bei einem italienischen Hauseigentümer buchte, wird es laut von Below schwierig. Ein Düsseldorfer Mandant machte in der Toskana für 4000 Euro für eine Woche ein Haus klar. „Die Chancen, die Anzahlung zurückzubekommen, sind sehr gering.“An den Eigentümer in der Toskana komme man als deutscher Reiserechtler nur sehr schwer ran.
Ein anderer Düsseldorfer Kunde wollte nach Südafrika, laut Auswärtigem
Amt gibt es aber eine Reisewarnung. Der Flug wurde storniert und erstattet, aber auf den Kosten für die Lodges, die er direkt anzahlte, bleibt er sitzen, denn die Lodges haben geöffnet. Von Below: „So nach dem Motto: Pech gehabt, jeder kann ja kommen, wenn er will.“
Ein weiterer Fall aus der Landeshauptstadt: Noch mal Südafrika, ein großes Radrennen. Nach einem Tag Urlaub wird die Reise abgebrochen, aber drei Wochen waren gebucht und das Geld voll bezahlt. „Mein Klient soll einen hohen Anteil zurückerhalten.“
Abwicklung Eine Reise wurde beispielsweise bei einem Reiseveranstalter gebucht, der zahlt das Geld nicht zurück, sondern gibt Gutscheine aus. Die Kunden wollen aber das Geld zurück, außerdem sind die Gutscheine nicht abgesichert. „Es gibt hier eine ganz klare Gesetzeslage, und so lange das so ist, will ich für meine Klienten das Geld haben.“In Deutschland sind die Gutscheine noch nicht insolvenzabgesichert. Es war im Gespräch, ob Reiseveranstalter und Fluggesellschaften die gesetzliche Rückerstattungspflicht in Gutscheine oder
Vouchers umwandeln dürfen. Der Reiserechts-Experte fürchtet, dass einige Reiseveranstalter oder Fluggesellschaften die Erstattungen aufgrund bevorstehender Insolvenzen nicht mehr werden leisten können.
Zeitfenster Die Möglichkeit eines kostenfreien Stornos besteht. Das ist abhängig davon, ob die Reise zum Reisezeitpunkt beeinträchtigt ist. Die aktuelle Warnung des Auswärtigen Amtes bezieht sich auf einschließlich 14. Juni, und genau bis zu diesem Tag können die Kunden alles kostenfrei stornieren. Interessant
ist auch die Hauptreisezeit im Juli und August. Sven von Below meint, dass auch diese Reisen jetzt schon storniert werden können. Sein Hauptargument lautet: Es reicht die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht stattfinden. Der Bund der Verbraucherschützer beauftragte gerade einen Juraprofessor, diesen Punkt zu prüfen.
Erstattung So lange die Airlines fliegen, müssen auch viele Düsseldorfer häufig um ihr Geld kämpfen. Wenn die Airlines ihre Flüge selbst stornieren, kommt in der Regel das Geld anstatt ein Umbuchungs-Angebot.
Pauschalreisen Wenn es sich um einen deutschen Reiseveranstalter handelt, dann ist das schon mal gut, im schlimmsten Fall können Juristen hier vollstrecken lassen. Die Kunden haben die realistische Aussicht, dass ihnen ihre abgeblasene Reise voll erstattet wird.
Kostenfreie Stornierung durch den Verbraucher Pauschalreisen können dann kostenfrei storniert werden, wenn am Urlaubsort oder in dessen unmittelbarer Nähe „unvermeidbare außergewöhnliche Umstände“auftreten, die die Durchführung der Reise oder die Anreise erheblich beeinträchtigen. Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes ist dafür ein Indiz, aber nicht notgedrungen erforderlich. Auch aus Medienberichten kann sich dies beispielsweise ergeben.
Stornierte Reisen durch den Veranstalter Wenn die Reise wegen des Coronavirus storniert wurde oder man sogar aus dem Urlaub zurückgeholt werden musste, steht dem Kunden eine Erstattung des
Reisepreises zu. Weitergehenden Schadensersatz oder nutzlos aufgewendete Urlaubszeit („vertane Urlaubszeit“) dürfte es jedoch bei solchen Abbrüchen nicht geben.
Neubuchungen Ein beliebtes Reiseziel für viele Düsseldorfer ist zum Beispiel Mallorca. Natürlich ist es möglich, nun schon Reisen dorthin zu buchen, bei der Anzahlung ist die sogenannte Unsicherheitseinrede sicher ein gutes Vehikel. Das heißt: Erst das Geld zahlen, wenn ganz sicher ist, dass die Reise angetreten werden kann.
Ausblick Die großen Pauschalreisen mit den klassischen Chartermaschinen sind momentan nicht auf dem Markt, wie von Below beobachtet. Neubuchungen für 2020 finden so gut wie nicht statt. Volle Strände werde es nicht geben. Nur einzelne Reisen werden seiner Einschätzung nach punktuell möglich sein wie etwa nach Österreich oder in die Niederlande. Seine Prognose: Die Leute bleiben im eigenen Land, die Deutschen buchen in Deutschland, die Niederländer in ihrer Heimat. Typisch wird sein, dass ein Düsseldorfer in Hamburg oder im Schwarzwald Urlaub macht. „Wenn wir in Europa bleiben: Nach Polen, Spanien oder Italien wird es sehr wahrscheinlich nicht gehen.“Mit einem Ende der durch Corona bedingten Reiserücktritte rechnet er frühestens für September.
Stimmung Sven von Below findet, dass wieder ein Spin reinkommen muss. Das Vertrauen in Veranstalter, in die Reisebranche ist bei vielen Düsseldorfern stark erschüttert. „Die Kleinen werden zerrissen, die Großen wie Lufthansa – da springt der Saat ein.“