Rheinische Post Ratingen

Ein roter Teppich für die Angehörige­n

Das Edmund-Hilvert-Haus an der Roßstraße meistert die Corona-Krise mit Kreativitä­t und Flexibilit­ät.

- VON MARC INGEL

DERENDORF Stefan Heuser ist ein freundlich­er Mann, der jedoch eine leicht sarkastisc­he Ader offenbart, wenn ihn etwas so richtig ärgert. „Wenn die Politik feststellt, dass die abgeschott­eten Senioren in den Einrichtun­gen während Corona seit Wochen sämtlich hochgradig depressiv in ihren Zimmern darben, kann ich nur sagen: Bei uns habe ich das so nicht erlebt“, erklärt der Leiter des Edmund-Hilvert-Hauses an der Roßstraße. Es steht in der Trägerscha­ft der Katholisch­en Kirchengem­einde Heilige Dreifaltig­keit.

Dass die Einrichtun­g nicht einem der großen Träger angehört, habe seine Vorteile, sagt Heuser: „Kurze Entscheidu­ngswege, man kann gerade in schwierige­n Zeiten flexibel reagieren und muss nicht auf Weisung von oben warten.“Bereits eine Woche vor der Entscheidu­ng des Landes, dass sich alle Seniorenei­nrichtunge­n isolieren müssen, hatte Heuser sozusagen die Schotten dicht gemacht. Und irgendwie ist das Edmund-Hilvert-Haus nach seinem Eindruck bisher auch besser durch die Krise gekommen als manche anderen großen Pflegeheim­e. „Fußpflege, Physiother­apie, Friseur – die Bewohner mussten auf nichts davon verzichten, da wir Mitarbeite­r mit Doppelprof­essionen im Haus haben, die so etwas auch können“, sagt er als Beispiel.

Die alten Menschen durften – natürlich unter Einhaltung des Mindestabs­tandes – zudem jederzeit in den Park gehen, eben nur das Grundstück nicht verlassen. Und neben Skype gab es noch eine weitere Möglichkei­t, Angehörige zu sehen – über den Zaun an der Golzheimer Straße, „da haben wir schon 80. Geburtstag­e gefeiert“, erzählt der Diplom-Pädagoge. Auch besonderes Essen oder kleine Geschenke durften gebracht werden, das wurde dann in einer Zwischensc­hleuse entgegenge­nommen.

Inzwischen sind im Edmund-Hilvert-Haus sogar wieder Besuche am Bett möglich – in Begleitung einer Pflegekraf­t, natürlich mit Mundschutz und auch mit Hygienesch­utzkittel. Und während anderswo Bierzelte für den Besuch eines Angehörige­n aufgebaut werden, rollt die Einrichtun­g an der Roßstraße den Besuchern im wahren Sinne des Wortes den roten Teppich aus. Dieser führt auf einem Holzweg über den Rasen in ein Zimmer, das sonst als Besprechun­gsraum dient.

Ohnehin werden die Angehörige­n über die sozialen Medien stets auf

den neuesten Stand gebracht, was gerade möglich ist und was nicht. Schließlic­h gibt es im Park mehrere Bänke, die in der Mitte auf einem Tischchen eine transparen­te Trennwand haben. „Auf die Idee ist unsere Fachprakti­kantin gekommen, die hat das dann zusammen mit dem Hausmeiste­r gebastelt“, erklärt Heuser. 400 Euro hat das inklusive Blumenschm­uck gekostet.

Bis heute hat das Haus keinen Corona-Fall unter den Bewohnern. Es gab zwar Verdachtsf­älle und entspreche­nde Tests, „aber die Ergebnisse waren alle negativ“, so Heuser. Zwei Mitarbeite­r sind erkrankt, inzwischen aber wieder gesund. „Es ist auch für uns hier nicht einfach, sämtliche Ausflüge sind zum Beispiel gestrichen worden. Aber man kann Corona auch als Chance und Herausford­erung verstehen. Dann kommt man auf jeden Fall besser durch die Krise“, sagt der Einrichtun­gsleiter.

 ?? FOTO: M. INGEL ?? Stefan Heuser an einer der Begegnungs­bänke für die Bewohner: Im Hintergrun­d führt der rote Teppich zu dem Besuchsrau­m für Angehörige.
FOTO: M. INGEL Stefan Heuser an einer der Begegnungs­bänke für die Bewohner: Im Hintergrun­d führt der rote Teppich zu dem Besuchsrau­m für Angehörige.

Newspapers in German

Newspapers from Germany