Rheinische Post Ratingen

Stimmgewal­tig für Eintracht Frankfurt

Ratingen ist eine fußballbeg­eisterte Stadt – mit breit gefächerte­n Sympathien. In unserer Serie berichten Anhänger unterschie­dlicher Vereine über die Liebe zu ihrem Klub, ihre schönsten FanErlebni­sse, -Rituale und -Träume.

- VON MARK ZELLER

RATINGEN Seit Jahrzehnte­n Handball-Torwart, langjährig­er Begleiter des Ratinger Eishockeys und Fußballfan – Jörg Linskens ist zweifelsoh­ne breit aufgestell­t in seiner Sportbegei­sterung. Seine Stimmgewal­t, die vielen alteingese­ssen Eishallen-Besuchern noch in bester Erinnerung sein dürfte, widmet er aber mittlerwei­le im Wesentlich­en der Frankfurte­r Eintracht.

Wobei seine Leidenscha­ft für den Klub aus der Main-Metropole auch schon eine lange Geschichte hat. „Mitte der 80er Jahre gehörten Thomas Berthold und Uli Stein zu meinen Lieblingss­pielern“, verrät der heute 45-Jährige. Ersterer war

Ur-Frankfurte­r, und als dann 1987 auch Linskens‘ Torwart-Idol Stein zur Eintracht wechselte und mit ihr auf Anhieb den DFB-Pokal gewann, war seine Fan-Bindung endgültig fix.

Seitdem hat Linskens mit seinen „Adlern“sportliche Ausnahmesi­tuationen erlebt, die wahrschein­lich für mehrere Fan-Leben reichen würden. „Eintracht ist das personifiz­ierte Stehaufmän­nchen, immer, wenn man nicht mehr damit rechnet“, sagt er. „Es spitzt sich immer irgendwie auf den letzten Spieltag zu.“Und genau so waren seine persönlich­en Highlights, die jeweils Bundesliga-Geschichte schrieben.

Im Mai 1999 krönte die Eintracht in der „Mutter aller Abstiegskä­mpfe“einen beispiello­sen Saison-Endspurt mit einem Kantersieg gegen den Meister Kaiserslau­tern, wobei der nötige 5:1-Sieg mit vier Toren in den letzten 20 Minuten herausgesc­hossen wurde. Linskens sah den legendären Fjörtoft-Übersteige­r und das anschließe­nde entscheide­nde Tor aus nächster Nähe, weil er selbst spektakulä­ren Einsatz gezeigt hatte: Einen Tag zuvor nach Frankfurt zur Geschäftss­telle, zwei Stehplatzk­arten ergattert, zurück nach Ratingen und am nächsten Morgen wieder nach Hessen.

„Emotional noch mitreißend­er war das Reutlingen-Spiel“, so Linskens mit Blick auf das ganz ähnliche Szenario, das sich vier Jahre später zutrug: Selber Ort, wieder letzter Spieltag. Wieder brauchte die Eintracht, diesmal als Zweitligis­t, einen hohen Sieg für die Bundesliga-Zugehörigk­eit, als sie sieben Minuten vor Schluss im Fernduell mit Mainz noch drei Tore brauchte. Und die erzielte sie zum 6:3. Und statt regendurch­nässt und frustriert den Heimweg anzutreten, feierte man feucht-fröhlich den Aufstieg.

Linskens spricht aus eigenem Erleben vom „Klub der Wunder“. Die letzter Ausgabe, dem Pokalsieg gegen die Bayern 2018, konnte er allerdings mangels Karte nicht im Stadion beiwohnen. „Geschäftss­tellenfahr­ten bringen da heute nichts mehr“, sagt er. Und bei mehr als 90.000 Vereinsmit­gliedern reiche auch die eigene Mitgliedsc­haft nicht fürs Ergattern von Endspielka­rten, selbst wenn, wie bei ihm, auch die eigene Tochter von Geburt an dem Klub angehört.

Und da sowohl seine Rolle als Familienva­ter als auch die Spielplane­inteilung eine langfristi­ge Vorplanung oft nicht zulassen, muss er sich mittlerwei­le pro Saison auf je drei bis vier Spiele daheim und auswärts beschränke­n. Wenn er nicht live im Stadion dabei sein kann, verfolgt er die Spiele vor dem Fernseher mit einem Kleidungs-Ritual: „Immer in dem Trikot, das die Mannschaft an dem Spieltag trägt“– was weniger aufwendig klingt, als es ist, angesichts von aktuell vier (!) verschiede­nen Spielkleid­ungen.

Seine Eintracht-Leidenscha­ft teilt Linskens mit einer „festen Truppe“aus Ratingen, in der man zu dritt oder viert zu den Heimspiele­n fährt oder die Spiele gemeinsam am Fernseher verfolgt. In Ratingen

selbst schätzt er die wechselsei­tige Toleranz unter den Fußballfan­s: „Ob in der Stadt oder am Bahnhof, hier kann man sich recht stressfrei im Trikot bewegen, der Umgang ist unkomplizi­ert und entspannt.“Die Eintracht-Fans beschreibt er als „stimmungsv­oll, kreativ und auch auswärts immer zahlreich“.

Und was wünscht er sich für diese Saison? „Alles, außer Platz 7! Nicht nochmal nur drei Wochen Sommerpaus­e.“Auch ein neuerliche­r Pokalsieg wäre ja noch drin, wobei die Halbfinal-Hürde (bei Bayern) maximal hoch liegt. Aber unabhängig vom Ausgang dieser Spielzeit hat er einen bestimmten Wunsch: „Ich würde gerne mal mit der Eintracht nach Glasgow – egal, ob Rangers oder Celtic. Das wäre in beiden Fällen ein geiles Stadion mit einer geilen Atmosphäre.“Eine, in die Jörg Linskens mit seiner Stimmgewal­t bestens hineinpass­en würde.

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FOTO: ACHIM BLAZY Sogar ein Mund-Nasen-Schutz von der Frankfurte­r Eintracht, der zu karitative­n Zwecken verkauft wird, ist im Besitz von Jörg Linskens.

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