„Ich möchte eine korrekte Beurteilung“
Fortunas Coach im Exklusiv-Gespräch. Er wirbt um Verständnis für den aktuellen Leistungsstand und stellt sich vor sein Funktionsteam.
Wir erreichen Uwe Rösler kurz vor dem Mittagessen mit seiner Frau. Er hat sich schon passend gekleidet: Der weiße Kragen eines Hemdes ragt aus dem Sonntagspulli heraus. Der 51-Jährige lächelt in die Smartphonekamera, ist gut gelaunt. Doch wenn er anfängt, über Fortuna zu sprechen, nimmt seine Mimik ernstere Züge an. Es passt dem Trainer nicht, wie Teile des Umfelds den Saisonstart mit zwei Siegen (Pokal und Liga) und zwei Niederlagen einordnen. Es wird ein Gespräch mit einem kämpferischen Uwe Rösler, der sich vor seine Mannschaft und vor sein Funktionsteam stellt.
Herr Rösler, Länderspielpausen werden immer gerne genommen, um kurz innezuhalten und zu resümieren. Wie fällt ihr Zwischenfazit aus?
RÖSLER Wir haben seit Juni mit vielen Umständen zu kämpfen gehabt und haben einiges durchlebt. Unter diesen Voraussetzungen kann die Mannschaft noch gar nicht hundertprozentig funktionieren. Es war ein Mammutumbruch mit 19 Spielern. Wir hatten Corona-Fälle, Quarantäne. Wir hatten Spieler, die den Verein verlassen wollten. Spieler, die gegangen sind und gehen mussten, damit wir Geld für Zugänge hatten, die dann teilweise sehr spät zur Mannschaft gestoßen sind. Das war einfach unsere Situation, das ist kein Vorwurf. Dann gab es und gibt es Verletzungen. Die Mannschaft kann also einfach noch auf keinem Top-Niveau stehen. Ich beschwere mich darüber nicht, aber ich möchte eine korrekte Beurteilung.
Klingt danach, als würden Sie ich bei der Bewertung Ihrer Arbeit derzeit ungerecht behandeln fühlen? RÖSLER Ja, aber damit muss man leben. Viele Leute kennen die Fakten einfach nicht, oder wollen sie auch nicht kennen. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Es gibt viel Populismus, der einfach nicht korrekt ist.
Erklären Sie das bitte genauer. Ist Ihrer Meinung nach, die Erwartungshaltung in Düsseldorf das Problem?
RÖSLER Es hat auch viel mit der vergangenen Saison zu tun, dem Trainerwechsel, dem Abstieg. Ich akzeptiere Meinungsfreiheit total. Jeder darf sagen, was er denkt. Aber wenn man Fakten ignoriert oder bewusst verdreht, geht das nicht.
Liegt der Fehler nicht auch bei Ihnen und dem Verein, in dem Fortuna viel eher ein klares Saisonziel hätte kommunizieren müssen, das dann eben nicht direkter Wiederaufstieg heißt?
RÖSLER Uwe Klein und ich haben klar gesagt, dass wir erst ein komplett neues Team aufbauen müssen und am Ende des Transferfensters konkret über die Ziele sprechen können. Als Absteiger gehörst du automatisch zum Kreis der Favoriten. Und wir sind ja auch ambitioniert. Wenn wir diese ganzen eben genannten Herausforderungen hinter uns gelassen haben und Zeit bekommen, dass die Mannschaft sich einspielt, haben wir ein Team, das ganz vorne mitspielen kann. Da bin ich mir ganz sicher. Aber das braucht Zeit. Wir müssen auf dem Platz arbeiten, Hierarchien bilden und Selbstvertrauen aufbauen.
Können Sie noch einmal genauer ausführen, warum Fortuna nicht jetzt schon besseren Fußball bieten kann?
RÖSLER Wir haben 19 Spieler verloren und es gab noch weitere, die gehen wollten. Das ist eine unheimliche Herausforderung für jeden Verein, das muss jedem klar sein. Dieser Herausforderungen stellen wir uns klar. Die Spieler kamen nach und nach und wir hatten wenig Zeit, mit allen zusammen richtig zu arbeiten. Dann kamen noch Corona-Infizierungen und Verletzungen hinzu. Es kam viel zusammen.
Es gibt Diskussionen, dass diese Verletzungen, vor allem die muskulären, selbst verschuldet sind? RÖSLER Es wird gesagt, wir hätten falsch trainiert. Wir hatten in den ersten sieben Monate, die wir zusammenarbeiten, eine einzige Muskelverletzung. Und wir haben gleichzeitig die Fitness der Spieler phänomenal gesteigert. Das belegen alle Statistiken. Wir trainieren jetzt nach den exakt gleichen Prinzipien. Nur: Das verzerrte Corona-Jahr 2020 ist absolutes Neuland für alle. Es gibt keinen Erfahrungsschatz. Die Voraussetzungen sind andere. Alle dachten, es gibt viele Muskelverletzungen direkt nach der Corona-Pause im Mai. Die blieben aus, dafür kommen sie jetzt überall vermehrt. Auch weil viele Spieler aufgrund von Quarantäne und unterschiedlicher Länge der Vorbereitungszeit, andere Fitnesslevel haben. Wir haben jetzt zwei Zerrungen und vier Faserrisse gehabt. Das ist aber auch nicht übertrieben viel.
Sie und die medizinische Abteilung haben also keinerlei Fehler gemacht?
RÖSLER Wir machen jeden Tag Fehler. Das gehört dazu. Wir hinterfragen alles. Ich bin weit davon entfernt, zu sagen, dass wir alles richtig machen. Aber die Verletzungsprobleme sind komplett falsch dargestellt worden. Unsere Verletzungszahlen liegen in der Norm im Vergleich zu anderen Teams. Das alles auf falsches Training zurückzuführen, ist kompletter Schwachsinn. Ich stelle mich auch voll vor unsere medizinische Abteilung. Was vorher lange Zeit gut war, kann nicht urplötzlich Kreisklasse sein. Wir wollen alle nur das Beste für Fortuna, und wenn wir Fehler machen, analysieren wir sie und versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Durch das harte Programm ohne echte Winterpause wird es insgesamt auch noch mehr Verletzungen geben. Das ist völlig normal.
Wäre es vor diesem Hintergrund dann nicht besser gewesen, den Kader noch breiter aufzustellen? RÖSLER Ja, das kann man so sehen. Aber es ist kein Wunschkonzert. Ich wollte keine 28 Spieler haben, aber nach den Erfahrungen der Vorbereitung und der ersten Spiele haben wir ja kommuniziert, dass wir uns noch einen Spieler wünschen, der vorher nicht unbedingt geplant war.
Dabei geht es um einen Kreativspieler. Wie sieht es denn mit Raffael aus? Vor einigen Wochen hat Fortuna abgewunken. Hat sich das vielleicht geändert?
RÖSLER Ich möchte über keine Namen reden. Wir halten Augen und Ohren offen. Wichtig ist: Egal, ob wir das jetzt noch machen oder erst im Januar, der Junge muss passen. Wir werden vorher alle Steine umdrehen, damit wir sicher sind, dass der Spieler uns auch das gibt, was wir brauchen.
Wie zufrieden sind Sie denn generell mit der Kaderzusammenstellung?
RÖSLER Wenn wir den Kader fit halten können, ist er qualitativ gut genug, um unsere Ziele erreichen zu können.
Ihre Ziele ist ein gutes Stichwort. Was sind denn nun Ihre Ziele? RÖSLER Wir wollten uns mit der Antwort auf diese Frage Zeit lassen, bis das Transferfenster geschlossen ist. Wir stimmen uns gerade intern ab und werden das Saisonziel in den kommenden Tagen auch nach außen kommunizieren.
Einer, der da jetzt ein großes Wort mitsprechen wird, ist der neue Vorstand Klaus Allofs. Wie waren die ersten Tage der Zusammenarbeit? RÖSLER Ich hatte direkt ein gutes Gefühl. Klaus ist ein unaufgeregter Mann mit großer Aura, er hat eine natürliche Autorität und ist fachlich top. Dort, wo Klaus gearbeitet hat, gab es immer große Ziele, es gab immer positiven Leistungsdruck. Genau das wollen wir hier auch. Mit seinem Erfahrungsschatz und seinen Verbindungen wird uns Klaus Türen öffnen, die vorher für uns verschlossen waren. Er wird unserem Verein guttun.
Uwe Klein hat immer sein volles Vertrauen in Ihre Arbeit nach außen kommuniziert. Haben Sie Befürchtungen, dass sich das bei
Klaus Allofs ändern wird?
RÖSLER Da müssen Sie Klaus fragen. Ich spüre Vertrauen in unseren Gesprächen. Klaus weiß und sieht, wie wir täglich arbeiten und mit welchen Herausforderungen wir konfrontiert wurden und werden.
In der vergangenen Saison wurden Sie viel für Ihren attraktiven Spielstil gelobt, der allerdings zu wenig Ertrag brachte. In dieser Saison ist noch sehr wenig Rösler-Fußball zu sehen. Wann können die Fans wieder damit rechnen?
RÖSLER Wir haben bisher ja eigentlich nur Löcher gestopft. Zudem haben wir andere Spielertypen als in der vergangenen Saison, mit anderen Stärken. Wir müssen die Ideen an den aktuellen Kader anpassen. Meine Ideen sind: Nach vorne verteidigen, hohe Ballgewinne, relativ hohe Abwehrlinie, Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte und ein Wechselspiel zwischen Ballkontrolle und schnellem Umschaltspiel. Daran hat sich nichts geändert. Ich möchte zwei Stürmer auf dem Platz haben, es kann auch sein, dass wir mal wieder mit Dreierkette spielen. Ich muss mit meinem Trainerteam jetzt Wege finden, Spiele zu gewinnen. Wir müssen uns bis zum Winter einspielen und eine ,erste Elf’ mit acht, neun Stammspielern finden. Daran arbeite ich jeden Tag. Was jedenfalls gar nicht geht und das müssen wir uns klar ankreiden lassen: So eine Anfangsphase wie in Kiel. Das darf nicht passieren. Wir dürfen nie den Glauben verlieren. Unsere Stärke muss die Mentalität sein. Wir dürfen uns nicht 35 Minuten lang unterbuttern lassen.
Sie sind jetzt rund neun Monate in Düsseldorf. Was haben Sie über Fortuna gelernt?
RÖSLER Erstmal muss ich sagen, dass Corona natürlich ein Dämpfer war in vielerlei Hinsicht. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir mit einem vollen Heimstadion den Klassenerhalt geschafft hätten. Unsere Fans haben uns sehr gefehlt. Was ich gelernt habe? Bei Fortuna gibt es große emotionale Ausschläge – nach unten wie nach oben. Das ist schon extrem. Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft mit Kontinuität die Dinge angehen können.