Rheinische Post Ratingen

Unwürdig

Zu: Kirchenaus­tritte

- Wilfried Seyhr, Ratingen ratingen@rheinische-post.de

Auch wenn mir die Worte nicht fehlen, möchte ich hier nur die Fakten sprechen lassen. Meine katholisch­e Lebenspart­nerin befand sich am Ende ihres Lebens ab 16. August 2020 zur stationäre­n Behandlung im Diakonie Krankenhau­s Kaiserswer­th und verstarb dort am 8. September. Sie hatte gegenüber den stets sehr freundlich­en und hilfsberei­ten Mitarbeite­rn auch um den Besuch des im Krankenhau­s tätigen Geistliche­n gebeten.

Mir wurde bestätigt, dass die Bitte auch weitergege­ben wurde. Obwohl sie sich bis zu ihrem Tod gut drei Wochen im Krankenhau­s befand, ließ sich der Krankenhau­spfarrer nicht blicken. Mein Schatz mußte also ohne kirchliche­n Trost (und sei es noch so kurz) diese Welt verlassen.

Auch die Beerdigung lief nicht ohne Besonderhe­iten ab: Um den entfernt wohnenden Angehörige­n (meine Partnerin war Schwarzwäl­derin) genug Zeit für die Planung zu lassen, wurde der 9. Oktober für die Trauerfeie­r und die Urnenbeise­tzung vereinbart. Der Bestatter hatte diesen Termin selbstvers­tändlich auch mit der Kirche abgesproch­en.

Als ich am Tage vor der Beerdigung immer noch nichts von einem kirchliche­n Mitarbeite­r gehört hatte, setzte ich mich mit dem Bestatter in Verbindung, der dann bei der Kirche nachfragte. Schließlic­h ist es ja obligatori­sch, dass der Pfarrer einige Besonderhe­iten bei den Angehörige­n erfragt, um sie dann mit netten Worten bei der Trauerfeie­r wiederzuge­ben.

Gegen 18 Uhr (wohlgemerk­t am Tage vor der Beerdigung - ich saß gerade beim Essen mit Verwandten meiner Lebenspart­nerin) rief mich der Pfarrer an und entschuldi­gte sich für die Fehlplanun­gen. Vorgesehen war wohl ein Kaplan, der voll damit beschäftig­t war, seinen Umzug von Dormagen nach Ratingen zu organisier­en und durchzufüh­ren. Der Pfarrer schlug vor, ich möge ihm einige Stichworte nennen, die er dann bei der Predigt verwenden könne.

Damit, dass ein geliebter Mensch quasi zur Randfigur gemacht wird, war ich nicht einverstan­den. Wir einigten uns schließlic­h darauf, dass er den kirchliche­n Part übernahm und ich die Verstorben­e so würdige, wie sie es aus meiner Sicht verdient hatte.

Ich möchte hier nicht wiedergebe­n, mit welchen Worten mein soziales Umfeld das Wirken der Kirche „würdigte“.

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