Die Schloss-Herren vom Höseler Platz
Statistiker wissen es längst: Die Stadt Heiligenhaus nimmt einen besonderen Rang ein, was die Anzahl der Patente in Relation zu den angesiedelten Firmen angeht. Der Grund dafür ist im Jahr 1857 zu finden: Gründung der Firma Kiekert.
HEILIGENHAUS Das IW-Kommunalranking ist eine Art Zeugnisblatt für Kommunen. Was eine Stadt kann, steht allerdings nicht in Noten darin ausgedrückt, sondern klingt im Fall von Heiligenhaus so: „Hinsichtlich eines innovativen Umfelds für Unternehmen sticht insbesondere Heiligenhaus hervor. Zwar landet die Gemeinde insgesamt im Niveau-Ranking mit Platz 162 lediglich im Mittelfeld und kann auch hinsichtlich einer dynamischen Entwicklung in der Vergangenheit keine vorderen Platzierungen erreichen; dennoch gehört die Gemeinde mit den NRW-weit dritthöchsten Patentanmeldungen in Relation zu den ansässigen Betrieben zu den innovationsstärksten in NRW. Einen wesentlichen Anteil daran hat die Kiekert AG, welche für allein über 80 Prozent aller Patentanmeldungen der Gemeinde verantwortlich ist.“
Am Stammsitz der Firma am Höseler Platz vernimmt man dergleichen gern. Weiß aber auch: Hinter solchen Zahlen verbergen sich mindestens zwei Dinge. Eine lange Firmengeschichte und sehr viel Arbeit. Kiekert-Patentanwalt Bernd Wachtling nennt Details: „Kiekert ist Inhaber von rund 2800 Schutzrechten. Dazu zählen Marken, Design-Patente und die technischen Schutzrechte wie Patente und Gebrauchsmuster. Als Technologieführer für Schließsysteme im Automobil stehen die technischen Schutzrechte und im Besonderen die Patente im Mittelpunkt der Arbeit der in Heiligenhaus ansässigen Patentabteilung.“
Und noch mehr Zahlen: Kiekert hat im Jahr 2019 rund 150 Patentanmeldungen beim Deutschen Patentamt hinterlegt. Neben den Erstanmeldungen wurden rund 100 internationale Patentanmeldungen eingereicht.
Grundlage für die Patente sind die Erfindungsmeldungen der Kiekert-Ingenieure, Techniker und Konstrukteure. Im letzten Jahr hat die Patentabteilung nach Wachtliings Angaben genau 209 Erfindungsmeldungen aus den sieben Entwicklungsstandorten erhalten. In enger Absprache mit den Entwicklern werden die Patente ausgearbeitet und in einem ersten Schritt beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht.
Es geht ums Prinzip: „Als global agierender Automobilzulieferer müssen wir unser Know-how weltweit schützen. Aus diesem Grund sind, ausgehend von den Erstanmeldungen,
Patente in Europa, Amerika und Asien für uns unabdingbar. Der weltweite Schutz unserer Produkte ist für uns essentiell, da wir uns vor Plagiaten schützen müssen“, sagt der Patentanwalt. Und er bringt unmissverständlich auf den Punkt: „Ein Unternehmen, welches sein geistiges Eigentum nicht geschützt hat, ist wertlos.“
Rückblende in die Zeit, als das Wort „Globalisierung“noch nicht zur Alltagssprache gehörte: In der über 160-jährigen Geschichte der Firma wurde bereits früh mit dem Beantragen eines Patentschutzes begonnen. Ein erstes Patent der damals noch unter dem Namen Arnold
Kiekert Söhne firmierenden Gesellschaft wurde am 6. Juni 1929 mit dem Titel: „Sperrvorrichtung für ein selbstschließendes Schloss für Fahrzeugtüren“erteilt.
Patentrechte sind dabei alles andere als Papiertiger, wie Wachtling weiter erklärt: „Die Patentabteilung überwacht kontinuierlich die Veröffentlichungen der Patentanmeldungen der Wettbewerbsunternehmen. Die Veröffentlichungen werden gesichtet und an die internen Fachabteilungen weitergereicht. Wird bei dieser Durchsicht ein Produkt oder eine Technik erkannt, die von Kiekert geschützt ist oder die bereits von Kiekert entwickelt wurde, so haben wir die Möglichkeit gegen das Patent vorzugehen und rechtliche Schritte beim Patentamt gegen eine Patenterteilung einzuleiten.
Für hohe Aufmerksamkeit in Fachkreisen sorgte eine Kiekert-Erfindung, die auf das Jahr 2006 zurückgeht, das so genannte „Zweiklinkengesperre“. Es bildet nach Wachtlings Worten in heutigen Fahrzeugen einiger deutscher Hersteller die Grundlage für die Serienschlösser. Der Clou: Das Schloss lässt sich besonders leichtgängig öffnen. Der dadurch notwendige Betätigungswiderstand verringert sich. Und das wiederum erleichtert eine elektrische Betätigung.