Wie Soldaten gegen das Virus kämpfen
Immer mehr Städte und Gemeinden bitten die Bundeswehr um Hilfe bei der Nachverfolgung von Kontakten. Das Landeskommando NRW versucht, möglichst schnell zu reagieren. Ein Besuch im Düsseldorfer Lagezentrum.
DÜSSELDORF Der Faktor Zeit ist für Brigadegeneral Torsten Gersdorf gerade ganz entscheidend. „Wir stehen dafür ein, dass sich alle Beteiligten auf eine schnelle Reaktion unsererseits verlassen können“, sagt der Kommandeur des Landeskommandos Nordrhein-Westfalen, das seinen Sitz in Düsseldorf hat. Ziel sei es, innerhalb von 48 Stunden über Anfragen von Städten und Kommunen zu entscheiden, die von der Bundeswehr Unterstützung bei der Nachverfolgung von Infizierten-Kontakten angefordert haben. Rund 300 Soldaten sind seit Donnerstag landesweit in 18 Orten im Einsatz, die Zahl ändert sich täglich. „Mit den vorliegenden Anträgen gehen wir bis Anfang kommender Woche von 370 Soldaten aus“, sagt Gersdorf. „Tendenz steigend.“
Seit März hilft die Bundeswehr bei der Bekämpfung der Pandemie, wo sie darf und kann. Dass die Bundeswehr überhaupt im Innern zum Einsatz kommt, ist nur in Ausnahmefällen möglich und im Grundgesetz genau geregelt. Dazu gehören die Unterstützung ziviler Organisationen bei Naturkatastrophen oder eben Amtshilfe. Rechtlich zählt dazu etwa, Sandsäcke an Deichen aufzutürmen, Schneisen bei Waldbränden zu schlagen oder Dächer von Schneelasten zu befreien. Auch der aktuelle Corona-Einsatz gilt als Amtshilfe.
Wenn Gemeinden Hilfe brauchen, müssen sie einen Antrag beim Landeskommando stellen, das diesen bewertet. „Die Bundeswehr darf nämlich nur subsidiär einspringen, das heißt, alle zivilen Ressourcen wie etwa das Einstellen von neuem Personal oder das Umschichten von Mitarbeitern müssen ausgeschöpft sein“, sagt Oberstleutnant Achim Schneider, Leiter des NRW-Lagezentrums. Entschieden wird über den Antrag beim Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin. Und das eben, so schnell es geht.
Bundesweit stehen seit März für den Einsatz im Innern 15.000 Soldaten für Amtshilfe-Einsätze bereit. Ein entscheidendes Glied in der Kette sind dabei die sogenannten territorialen Verbindungskommandos vor Ort. In jeder kreisfreien Stadt gibt es ein solches Kommando, das aus zehn Reservisten besteht. Diese beraten im Ernstfall die Behörden und legen selbst Hand an – neben ihrem Beruf. „Das ist nicht immer ganz einfach, aber die meisten Arbeitgeber unterstützen das Engagement“, sagt General Gersdorf. Zumal der Einsatz oft Wochen und Monate dauert.
Täglich gehen etwa drei bis sechs Anfragen aus NRW-Städten im Lagezentrum ein. „Deshalb verfallen wir aber nicht in Panik“, sagt Schneider. Eine Tagesschicht aus vier Soldaten bearbeitet die Anträge und koordiniert die Einsätze, auf bis zu zwölf Personen lässt sich das Team aufstocken. Über Monate wurde an sieben Tagen rund um die Uhr im Schichtdienst gearbeitet, auch derzeit ist zumindest ein Führungsoffizier 24 Stunden erreichbar. Schneider sagt: „Wir sehen uns gut aufgestellt.“
Gersdorf kann das nur bestätigen. Er sei derzeit viel im Land unterwegs, um vor Ort zu sehen, ob alles gut laufe, und damit sich eventuelle Fehler an anderer Stelle nicht wiederholen. In der Regel werden die Soldaten bei der Kontaktnachverfolgung eingesetzt, medizinische Hilfe etwa von Bundeswehr-Ärzten kann nur in Ausnahmefällen geleistet werden, da diese selbst in Kliniken oder Auslandseinsätzen eingebunden sind. In den Gesundheitsämtern
würden nun Zivilisten und Soldaten Seite an Seite arbeiten, für Gersdorf „eine der besten Erfahrungen, die ich in dieser Hinsicht gemacht habe“. Er bekomme von Soldaten gespiegelt, dass jeder froh sei, persönlich etwas tun zu können. Gersdorf sagt: „Das ist unser Beitrag zu dieser gesamtgesellschaftlichen Herausforderung.“Und ein Ende dieses Beitrags ist nicht abzusehen.
Vieles werde davon abhängen, wann ein Impfstoff zur Verfügung stehe, sagt Schneider. Er rechnet damit, dass die Bundeswehr mindestens bis Mitte 2021 in die Katastrophenbewältigung eingebunden sein wird. Auch Kommandeur Gersdorf geht davon aus, dass der Einsatz noch lange nicht vorbei ist: „Die Bundeswehr ist aber so lange bereit, wie sie gebraucht wird.“